„Ein ökologisches Desaster“: Vernichtendes Urteil zu Hamburgs Schlick-Strategie
700 Seiten Unterlagen waren es, die die Hamburger Landesverbände des WWF, des BUND und des NABU innerhalb von vier Wochen sichten mussten. Darin hatte die Hansestadt ihre umstrittenen Nordsee-Schlickpläne bei der Insel Scharhörn präsentiert. Das Fazit der Umweltverbände fällt auf mehreren Ebenen vernichtend aus: Hamburg hält laut ihrer Einschätzung an einem veralteten Hafenkonzept fest.
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700 Seiten Unterlagen waren es, die die Hamburger Landesverbände des WWF, des BUND und des NABU innerhalb von vier Wochen sichten mussten. Darin hatte die Hansestadt ihre umstrittenen Nordsee-Schlickpläne bei der Insel Scharhörn präsentiert. Das Fazit der Umweltverbände fällt auf mehreren Ebenen vernichtend aus: Hamburg hält laut ihrer Einschätzung an einem veralteten Hafenkonzept fest.
„Die Pläne sind einfach nur absurd“, urteilt Lukas Schäfer, Vorsitzender des BUND Hamburg. „Es ist eine Anmaßung des Hamburger Senats, daran festzuhalten und darauf zu setzen, dass sich die Schadstoffe verdünnen und dabei gleichzeitig in benachbarte Gebiete abdriften.“
Hamburg: Umweltverbände entsetzt über Scharhörn-Pläne
Anfang Februar hatte Hamburgs Wirtschaftsbehörde (BWI) angekündigt, dass der mit Umweltgiften belastete Schlick, der beim Ausbaggern der Elbe anfällt, vor der vor Cuxhaven gelegenen Vogelschutz-Insel Scharhörn verklappt werden soll. „Gemeinsam mit Hamburgs Nachbarländern“ wolle man die Zukunft des Elbschlicks lösen, hieß es von Markus Schreiber, dem hafenpolitischen Sprecher der Hamburger SPD. Die Ablagerung des Baggerguts vor Scharhörn sei eine „sinnvolle Lösung“.
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Bei WWF, BUND und NABU herrscht einstimmiges Entsetzen. „Die Schadstoffe werden sich dadurch in der Nahrungskette und der gesamten Fläche anreichern“, sagt Beatrice Claus vom WWF. „Die Lebensgemeinschaft des Wattenmeers wird dadurch aktiv gefährdet, zum Beispiel werden die Eier von Vögeln brüchig.“ Wanderfische, die in das giftige Gebiet kämen, würden wiederum von Seeschwalben gefressen. Ein tödlicher Kreislauf.
Elbvertiefung als Grund für den vielen Elbschlick
Besonders der Ursprung des Schlicks, für den Hamburg jetzt so händeringend eine Lösung sucht, steht bei Claus im Fokus. „Dieser kommt nicht durch den Klimawandel sondern hauptsächlich durch die Elbvertiefung. Wir sprechen von 14 Millionen Kubikliter Baggermengen pro Jahr – drei- bis viermal so viel wie vor 1998.“ Aus ihrer Sicht sind die Pläne ein „ökologisches Desaster. „Gewässerlebensräume gehen verloren, es ist eine Umweltpolitik wie in den 70er-Jahren.“
In den Nachbarländern regt sich ebenfalls Unmut über Hamburgs Vorgehen: Der niedersächsische Umweltminister Olaf Lies (SPD) prüft derzeit eine Klage gegen den Scharhörn-Beschluss. Die Umweltverbände legen ihre Einschätzung am Montag erst einmal der Hafen Port Authority (HPA) vor. Laut ihnen ist „Ich appelliere an BWI und HPA, sich fair zu verhalten“, sagt Malte Siegert vom NABU. „Dass die extrem knappe Einspruch-Frist von vier Wochen nicht verlängert wurde und wir erst kurz vor knapp fehlende Unterlagen bekommen haben, ist inakzeptabel.“
Scharhörn-Pläne: HPA widerspricht Kritik vehement
Eine Sprecherin der HPA betonte dagegen, die vorgelegten Gutachten seien umfassend und vollständig und lägen deutlich über dem Standard vergleichbarer Vorhaben. „Sie belegen ausführlich und nachvollziehbar die ökologische Unbedenklichkeit des Vorhabens.“ Sie verwies zudem darauf, dass die Umweltverbände selbst anmahnten, dass die ökonomisch und ökologisch nachteilige Kreislaufbaggerei bei Neßsand dringend auf ein Minimum reduziert werden müsse. Bei Neßsand landet derzeit der größte Teil des ausgebaggerten Schlicks in der Elbe, um von dort binnen weniger Wochen zurückgespült zu werden. Wann mit dem Baggern in Scharhörn begonnen wird, bleibt vorerst offen. „Nach jetzigem Stand kann frühestens Mitte März 2022 mit der Entlastung der Umlagerstelle Neßsand begonnen werden“, so die HPA-Sprecherin.
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Hamburg steht auf dem Standpunkt, dass für die Verbringung des Schlicks dorthin keine Genehmigung und auch kein Einverständnis der anderen Unterelbanrainer Niedersachsen und Schleswig-Holstein nötig sei. Der von den Verbänden beauftragte Rechtsanwalt Rüdiger Nebelsieck sieht das anders: „Entweder ist die HPA selbst juristisch verwirrt oder die HPA wollte Sie verwirren“, sagte der Anwalt.
Die HPA-Sprecherin bekräftigte hingegen die Position der Hansestadt. Demnach bestimmt das Wasserstraßengesetz „ausdrücklich, dass Maßnahmen, die der Unterhaltung der Bundeswasserstraßen dienen, keiner wasserrechtlichen Erlaubnis, Bewilligung oder Genehmigung bedürfen“.
Scharhörn-Pläne: Das fordern die Umweltverbände
Konkret fordern die Umweltaktivisten, dass sich die drei Bundesländer zusammensetzen und nicht gegeneinander arbeiten. „Die Baggermengen müssen reduziert werden und zusammen die Fragen geklärt werden: Welche Flächen verbrauchen wir für was? Was macht das mit den Gewässern?“, so Siegert. Sollte die HPA ihre Pläne nicht ändern, haben sie sich für eine Klage jedenfalls schon einmal rechtlichen Beistand geholt.