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  • In Hamburgs Musical-Theatern herrscht seit einem Jahr Stille.
  • Foto: imago images/Jochen Tack

Ein Jahr Musical-Lockdown: „Es war eine permanente Achterbahnfahrt“

Genau ein Jahr ist es her, dass Hamburgs Kultureinrichtungen in den Lockdown gehen mussten. Am 12. März 2020 spielten die vier Theater des Musical-Riesen „Stage Entertainment“ ein letztes Mal vor großem Live-Publikum in der Hansestadt, bevor die Vorhänge seit mittlerweile zwölf Monaten geschlossen sind. Die 1700 Mitarbeiter des Unternehmens blicken auf ein Jahr voller Höhen und Tiefen zurück – und sehen zaghaft optimistisch in die Zukunft. 

Für Hope Maine, der in „König der Löwen“ Simba verkörpert, bedeutete der Lockdown eine große Umstellung. „Stellen Sie sich vor, Sie spielen acht bis neun Vorstellungen die Woche und plötzlich wird Ihnen das weggenommen – das ist frustrierend“, sagt der gebürtige Südafrikaner im MOPO-Gespräch. „Das Verrückteste war, dass wir noch dachten, dass wir nach zwei Wochen zurückkommen würden.“ Auch nach einem Jahr habe er sich noch nicht daran gewöhnt.

Hope Maine, Hauptdarsteller im Musical „König der Löwen“, ist während des Lockdowns Vater geworden.

Hope Maine, Hauptdarsteller im Musical „König der Löwen“, ist während des Lockdowns Vater geworden.

Foto:

Morris Mac Matzen

Kultur in Hamburg: Ein Jahr Musical-Lockdown 

Die Zwischenzeit war für den 33-Jährigen trotzdem ziemlich aufregend: Er wurde nämlich Vater. „Ich bin derzeit mit meiner Frau und unserem Baby bei meinen Schwiegereltern in der Schweiz zu Besuch. Wir genießen die Zeit sehr“, sagt er. Er sei froh, gerade so viel Zeit mit einem Teil seiner Familie verbringen zu können – seine Verwandten, die in Südafrika leben, habe er hingegen schon über ein Jahr nicht mehr gesehen. „Ich hoffe sehr, dass wir bald wieder zur Normalität zurückkehren können.“

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Das hofft auch Dr. Britta Heiligenthal: „Auf beruflicher Ebene fühle ich mich wie ein halber Mensch“, sagt sie gegenüber der MOPO. Als künstlerische Leiterin des Theaters Neue Flora hatte sie mit einer 6-Tage-Woche mehr als einen Fulltime-Job. „Von Vollgas auf Null runterschalten zu müssen war erstmal ein Schock.“ Doch es hatte auch eine gute Seite: Nun verbringt sie viel Zeit mit ihrem 4-jährigen Sohn, die sie sonst nicht gehabt hätte – und damit, anderweitig kreativ zu bleiben: Aktuell schreibe sie an einem Ein-Personen-Stück für einen Darsteller.

Dr. Britta Heiligenthal hatte mit einer 6-Tage-Woche mehr als einen Fulltime-Job.

Dr. Britta Heiligenthal hatte als künstlerische Leiterin des Theaters Neue Flora mit einer 6-Tage-Woche mehr als einen Fulltime-Job.

Foto:

privat/hfr

Hamburg: Vorbereitungen für „Wicked“-Musical laufen

Trotz Kurzarbeit steht es aber auch in der Neuen Flora nicht ganz still: Denn die Vorbereitungen für eine Neuinszenierung von „Wicked“ laufen bereits auf Hochtouren. „Die Castings liefen ganz anders ab als sonst und waren wesentlich aufwendiger. In sechs Wochen starten wir mit den Proben – mit der Ungewissheit, wann die Premiere sein wird“, so Heiligenthal. Doch ohne die Hoffnung, dass eines Abends ein Premierenpublikum wartet, würden die Proben nicht funktionieren.

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„Das Jahr ist eine permanente Achterbahnfahrt gewesen“, fasst „Stage“-Sprecher Stephan Jaekel die andauernde Zwangspause auf MOPO-Nachfrage zusammen. „Wie haben immer wieder Pläne gemacht, die dann über den Haufen geworfen wurden – und wir wissen immer noch nicht, wann es weitergeht.“ Seit dem Lockdown gab es keine nennenswerte Einnahmen für das Unternehmen – und mit Ausnahme des Kurzarbeitergelds auch keine finanzielle Unterstützung.

Stage-Sprecher: Musicals frühestens ab Juni in Hamburg möglich

Diese Unsicherheit mache den Mitarbeitern des Unternehmens am meisten zu schaffen. Vor dem Sommer wird es jedenfalls nichts mit Live-Musicals. „Vor Juni wird das nicht funktionieren, im Zweifel wird es noch später. Wir brauchen sechs bis acht Wochen Vorlauf, um den Betrieb wieder hochzufahren“, sagt Jaeckel.

Stage-Sprecher Stephan Jaeckel hofft darauf, dass die Politik mögliche Öffnungskonzepte endlich ernsthaft diskutiert.

Stage-Sprecher Stephan Jaeckel hofft darauf, dass die Politik mögliche Öffnungskonzepte endlich ernsthaft diskutiert.

Foto:

Ingrid Kernbach

Wichtig sei jetzt, dass die Politik ernsthaft über mögliche Öffnungskonzepte diskutiere. „Wir können es uns nicht leisten, ohne Vollauslastung zu spielen. Damit würden wir viel zu wenig Geld einnehmen, um die laufenden Kosten zu decken“, so Jaeckel. Die Abstandsregel müsse fallen – eine Alternative wäre eine Saalbelegung nach Buchungsgruppen: „Alle Gruppen, die gemeinsam gebucht haben, würden direkt nebeneinandersitzen. Zur nächsten Gruppe wird ein Platz freigelassen. Die Auslastung läge dann bei 60 bis 70 Prozent – damit können wir es wagen.“ Der größte Hoffnungsschimmer aber seien Schnelltests.

Musical-Riese Stage in Hamburg: „Müssen jeden Cent umdrehen“

Mit den Themen Hygienekonzepte und Arbeitsschutz befasst sich auch Steffen Riese, der als technischer Leiter im Operettenhaus am Spielbudenplatz arbeitet. Die Belüftungsanlage macht schon mal Hoffnung: Die komplette Luft kann fünf bis sechs Mal in der Stunde komplett ausgetauscht werden. „Das kostet natürlich mehr Energie als nur das Umluftsystem zu benutzen, ist aber auch sicherer“, erklärt er der MOPO. Die Technik laufe aber nur teilweise weiter. „Manche Anlagen wie die Bühnenmaschinerie schalten wir aus, das verbraucht nur unnötig Strom. Derzeit müssen wir ja jeden Cent umdrehen.“

Steffen Riese befasst sich als technischer Leiter im Operettenhaus mit den Themen Hygienekonzepte und Arbeitsschutz.

Steffen Riese befasst sich als technischer Leiter im Operettenhaus mit den Themen Hygienekonzepte und Arbeitsschutz.

Foto:

privat/hfr

Dass der Lockdown nun schon so lange andauere, komme ihm unwirklich vor. „Für mich fühlt es sich gar nicht wie ein Jahr an. Wie hangeln uns immer wieder von Monat zu Monat und stehen ständig unter Spannung“, so Riese. Mittlerweile habe er gar keine Bauchgefühl mehr, wann es weitergehen könne. „Ich traue mich gar nicht mehr, Prognosen aufzustellen, weil ich so oft daneben lag. Aber wenn es losgeht, werden wir bereit sein.“

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