„Hallo, ich bin Herr Thies, ich bin euer Lehrer und ich bin bi“
Die Frage kam schnörkellos daher: „Sind Sie schwul?“, fragte eine Schülerin ganz direkt. Das war vor 15 Jahren, als Frank Thies gerade als Lehrer mit seinen Schüler:innen auf Klassenfahrt war. Schon lange gab es Getuschel, doch offen angesprochen wurde er noch nicht. Er sagte damals „Nein“ – denn das war ja eigentlich die Wahrheit.
Thies ist nicht schwul, sondern bi – und fragte sich nach der forschen Frage seiner Schülerin: „Wie sollte so ein Coming-out auch aussehen? Wie geht man in einer Schule damit um?“. Sollte er sich vor die Klasse stellen: „Hallo, ich bin Herr Thies, ich bin euer Lehrer und ich bin bi“?

Die Frage kam schnörkellos daher: „Sind Sie schwul?“, fragte eine Schülerin ganz direkt. Das war vor 15 Jahren, als Frank Thies gerade als Lehrer mit seinen Schüler:innen auf Klassenfahrt war. Schon lange gab es Getuschel, doch offen angesprochen wurde er noch nicht. Er sagte damals „Nein“ – denn das war ja eigentlich die Wahrheit.
Thies ist nicht schwul, sondern bi – und fragte sich nach der forschen Frage seiner Schülerin: „Wie sollte so ein Coming-out auch aussehen? Wie geht man in einer Schule damit um?“. Sollte er sich vor die Klasse stellen: „Hallo, ich bin Herr Thies, ich bin euer Lehrer und ich bin bi“?

Wie Thies geht es vielen Mitgliedern der LGBTIQ*-Community am Arbeitsplatz. Die Abkürzung steht für die englischen Wörter für lesbisch, schwul, bisexuell, transsexuell, intersexuell und queer; das Sternchen will weitere sexuelle Orientierungen einschließen. Sich vor Chefs, Kolleg:innen und anderen Beteiligten als LGBTIQ* zu outen, erfordert Mut – der aber oft belohnt wird.
Hamburg: Coming-out an einer Schule
Thies fasste diesen Mut: Nach der Konfrontation habe er beschlossen, sich zu outen – er ging zu einer Beratungsstelle und holte sich Rückhalt von der Schulleitung, erzählt er der MOPO.
Als der Lehrer begann, an seinem Arbeitsplatz, der Hamburger Julius-Leber-Schule, offen über seine Sexualität zu sprechen, kamen viele positive Rückmeldungen – aber auch diskriminierende Äußerungen.
Inzwischen klärt er auf und engagiert sich – im Projekt „TeachOut“, das Pädagog:innen stärkt, sich zu outen, mit einer Vielfalts-AG an der Schule und dem von ihm initiierten Bi+Pride am 23. und 24. September. Zusätzlich werden sogar zwei benotete Vielfalt-Unterrichtsmodule angeboten.
„Wir wollen, dass mehr Menschen den Mut für ihr Coming-out finden“
„Das erste Mal mit Kollegen darüber zu sprechen, war für mich ein Riesending. Aber ich kann alle nur dazu animieren, zu sich zu stehen“, sagt auch Ingo Bertram von der Otto Group über sein Coming-out. Bertram ist Mitgründer eines queeren Otto-Netzwerks mit etwa 450 Menschen, das sich an LGBTIQ*-Personen richtet. Dabei kümmert sich das Netzwerk um queere Belange und sensibilisiert, auch zum Thema Coming-out im Job. Der Vorstand gebe den Aktionen Rückhalt: Das Unternehmen hat Unisex-Toiletten eingerichtet, bietet spezielle Führungskräfte-Trainings an und hat die Personaldaten gendergerecht angepasst.
Auch die Hamburger Sparkasse setzt sich für eine bunte Besetzung des Teams ein: „Wir wollen, dass mehr Menschen den Mut für ihr Coming-out finden, um damit auch im beruflichen Umfeld frei und selbstbestimmt zu leben und ihr ganzes persönliches Potenzial entfalten können“, so Sprecherin Simone Naujoks. Die Haspa nimmt mit einem eigenen Truck am CSD teil, hisst die Regenbogenfahne und unterstützt queere Mitarbeiter durch ein internes Netzwerk. Haspa, Otto-Group und rund 40 weitere Hamburger Unternehmen haben die „Charta der Vielfalt“ unterzeichnet und sind Teil der „Welcoming-Out Initiative“ der Stadt zum Abbau bestehender Vorurteile und Ängste.
Ein Firmentruck beim Christopher-Street-Day? Nicht alle queeren Angestellten haben das Glück, einen so offenen Arbeitgeber zu haben: Noch immer gibt es die Sorge, dass ein Coming-out am Arbeitsplatz zum Karriererisiko wird. „Das Thema sexuelle Orientierung ist nach wie vor ein Tabu in vielen deutschen Unternehmen“, heißt es in einer Studie der Boston Consulting Group. Talente, die nach einem LGBTIQ*-freundlichen Umfeld suchen, landen vor allem im öffentlichen Sektor oder bei Non-Profits und weniger in der Privatwirtschaft.
Wie Hamburg queere Menschen im Job unterstützt
Manuel Opitz vom Hamburg Pride E.V. kennt die Sorgen der LGBTIQ*-Talente: „Die Mehrheit der Kollegen und Kolleginnen erwartet immer, dass man eine heterosexuelle Beziehung führt”, so Opitz. Deshalb steckten viele queere Menschen in ihrem Arbeitsleben, sei es bei Geschäftsessen, Betriebsfeiern oder einfach beim Smalltalk, in einem lebenslangen Coming-out-Prozess, und verspüren häufig den Druck, sich erklären zu müssen.
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Die Basis für ein offenes Arbeitsumfeld bildet das seit 2006 bestehende allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. In Hamburg gibt es darüber hinaus seit 2017 den „Aktionsplan für Akzeptanz geschlechtlicher und sexueller Vielfalt“, der die Anerkennung von LGBTIQ*-Mitarbeitern fordert.
Lehrer Frank Thies hat die Zeiten der Unsicherheit längst hinter sich gelassen: „Ich fordere inzwischen ein, dass niemand wegsehen darf“.