• "Medizinische Arbeit ist hier etwas ganz anderes als in Syrien": der Arzt Tawfeek Haddad (47) aus Aleppo.

Ein Arzt aus Aleppo erzählt: „In Syrien fahren Ärzte nie mit dem Fahrrad“

Rotherbaum –

Tawfeek Haddad hat es geschafft. Der Arzt aus Aleppo kam vor fünf Jahren mit seiner Familie nach Hamburg. Damals sprach er kein Wort Deutsch. Eine schwierige Ausgangssituation für die Ausübung ausgerechnet seines Berufs. Heute lebt die Familie Haddad in Rotherbaum, die drei Kinder besuchen Gymnasien und Tawfeek hat eine Festanstellung in einer Praxis.

17 Jahre lang hatte Tawfeek Haddad eine internistische Praxis in Aleppo. Dann kam der Krieg. „Die Schulen wurden geschlossen, die Bombardements, der drohende Militärdienst für meine Söhne –  meine Frau und ich haben in Syrien keine Zukunft für unsere Kinder gesehen“, sagt der 47-Jährige.

Ein Freundeskreis aus Hamburg half den Haddads bei der Flucht

Ein Freundeskreis in Hamburg half den Haddads, die nötigen Papiere zu besorgen. Die Freunde schrieben eine Verpflichtungserklärung, besorgten das Visum, organisierten eine Wohnung, die Schulplätze, Deutschkurse.

„Ohne diese Hilfe, wären wir verloren gewesen“, sagt Tawfeek Haddad. „Das war sehr wichtig für uns.“

Arzt Haddad: „Ich musste viel lernen. Nicht nur die Sprache“

Drei Jahre lang unterstützte der Freundeskreis die Haddads mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln. „Dann brauchten wir keine Hilfe mehr.“ Vater Haddad hatte es geschafft. Er konnte die Familie wieder allein ernähren. Erst als Arzt in der Flüchtlingsunterkunft Dratelnstraße. Später als Angestellter in einer Praxis.

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„Ich musste viel lernen. Nicht nur die Sprache“, sagt Haddad. Denn Arzt zu sein, ist in Syrien etwas völlig anderes als in Deutschland. „Wenn ein Arzt in Syrien einen Patienten fragen würde: ,Haben Sie eine Vorstellung, woher Ihre Beschwerden kommen?’, würde niemand mehr zu diesem Arzt gehen“, sagt Haddad. „Ärzte dürfen keinen Zweifel erkennen lassen. Sie kennen alles. Sie können alles.“ So die Erwartung der Patienten. Auch die Verschreibung von Antibiotika sei in Syrien viel selbstverständlicher. Der vorsichtige Umgang damit in Deutschland war zunächst ungewöhnlich für Haddad, hat ihn aber vollends überzeugt.

Fahrradfahren lernte Tawfeek Haddad erst in Deutschland

Und noch etwas ist völlig anders in Syrien: „Ärzte ziehen im Alltag nie Sportschuhe an und fahren nie Fahrrad. Je teurer das Arztauto ist, desto besser ist der Arzt!“, lacht Haddad.

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Aktuell macht Haddad, der mit der U-Bahn zur Arbeit fährt und erst in Deutschland Radfahren lernte, seinen Facharzt als Allgemeinmediziner. Er möchte irgendwann wieder eine eigene Praxis haben. Seine Frau arbeitet in einer evangelischen Kita. Die christliche Familie lebt in Rotherbaum, sonntags gehen sie manchmal in die Kirche. Die drei Kinder besuchen das Gymnasium. Der älteste Sohn macht bald Abitur und will danach Informatik studieren.

Nur eins fehlt der Familie sehr: die Freunde daheim in Syrien

„Das einzige, was uns schrecklich fehlt, sind unsere Freunde. In Syrien hatten wir ein großes Netzwerk- Vielleicht können wir irgendwann zurück – wenn ich in Rente bin und zu Hause wieder Frieden herrscht.“

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