Ex-Leiter des Impfzentrums: Wie Hamburg ohne Lockdown durch den Winter kommen könnte
Nach dem Impfchaos an einigen Hamburger Impfstationen am vergangenen Wochenende werden Forderungen laut, das zentrale Impfzentrum in den Messehallen wiederzueröffnen. Ist das auch aus medizinischer Sicht sinnvoll? Die MOPO hat mit jemandem gesprochen, der es wissen muss: HNO-Arzt Dr. Dirk Heinrich war Leiter des Hamburger Impfzentrums und ist Bundesvorsitzender der niedergelassenen Ärzte in Deutschland. Im Interview schätzt er die aktuelle Corona-Lage in Hamburg ein und erklärt, welche Auswirkungen die Omikron-Variante haben kann.
MOPO: Herr Dr. Heinrich, wie schätzen Sie aktuell die Corona-Lage in Hamburg ein? Was funktioniert gut und wo hapert es noch?
Nach dem Impfchaos an einigen Hamburger Impfstationen am vergangenen Wochenende werden Forderungen laut, das zentrale Impfzentrum in den Messehallen wiederzueröffnen. Ist das auch aus medizinischer Sicht sinnvoll? Die MOPO hat mit jemandem gesprochen, der es wissen muss: HNO-Arzt Dr. Dirk Heinrich war Leiter des Hamburger Impfzentrums und ist Bundesvorsitzender der niedergelassenen Ärzte in Deutschland. Im Interview schätzt er die aktuelle Corona-Lage in Hamburg ein und erklärt, welche Auswirkungen die Omikron-Variante haben kann.
MOPO: Herr Dr. Heinrich, wie schätzen Sie aktuell die Corona-Lage in Hamburg ein? Was funktioniert gut und wo hapert es noch?
Dr. Dirk Heinrich: Die niedergelassene Ärzteschaft hat, nachdem die Booster-Impfungen so nach vorne getrieben wurden, große Anstrengungen unternommen, um zusätzliche Impfkapazitäten zur Verfügung zu stellen. Diese Woche ist so viel Impfstoff bestellt worden wie noch nie – 8,4 Millionen Dosen für Deutschland. Die deutschlandweiten Zahlen zeigen sehr erstaunlich hohe Impfzahlen, die Zahlen aus Hamburg habe ich noch nicht. Ich gehe davon aus, dass es sich so fortsetzt, wenn die Impfdosen alle verimpft werden, dann ist das ein gewaltiger Sprung nach vorne.
In einigen Bundesländern hatte es aber Lieferengpässe gegeben beim Impfstoff.
Ja, das war hier auch so. Sowohl von Biontech als auch von Moderna ist nicht das gekommen, was bestellt wurde. Deutschlandweit sind insgesamt acht Millionen Impfdosen bestellt worden, es scheint für den Großhändler logistisch schwierig zu sein, das gut verteilt zu bekommen.
Lange Warteschlangen und ein Impfzentrum, das einfach vergessen wurde: Am Wochenende gab es Chaos an einigen Hamburger Impfstationen. Warum läuft die Organisation in Teilen so chaotisch?
Das kann ich Ihnen nicht sagen, da müssen Sie die Sozialbehörde fragen. Das sind zwei ganz unterschiedliche Stränge: Das eine sind wir, die niedergelassenen Praxen, und das andere ist die Stadt Hamburg, die seit der Schließung des Impfzentrums in eigener Organisation arbeitet.
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Wären Sie für eine Wiedereröffnung des Impfzentrums in den Messerhallen?
Ein Impfzentrum in dieser Form wieder aufzumachen, das hat eine Vorlaufzeit von mindestens vier Wochen. Wenn sie in der Spitze wieder 11.000 Leute am Tag impfen wollen, ist das eine große logistische Herausforderung.
Das beantwortet noch nicht die Frage, ob man das Impfzentrum wiedereröffnen sollte.
Es nützt uns im Moment nichts. Sinn macht es nur, wenn durch die neue Omikron-Variante Menschen zusätzlich mit einem veränderten Impfstoff geimpft werden müssten. Ansonsten ist es auch so zu schaffen, denke ich.

Denken Sie, dass die Omikron-Variante auch in Hamburg demnächst ankommt?
Man muss davon ausgehen, dass diese Variante, da sie schon über 1000 Mal auf der Welt aufgetaucht ist, auch irgendwann in Hamburg auftauchen wird. Aber alle anderen Fragen sind noch offen. Wir wissen nicht, ob sie wirklich so infektiös ist oder die Beschwerden bei einer Erkrankung größer sind. Es ist noch viel zu früh, um das beurteilen zu können. Bei einer Infektion braucht es erst zwei bis drei Wochen, um zu sehen, ob jemand schwer erkrankt ist. Deswegen hinken die Hospitalisierungszahlen den Inzidenzzahlen immer hinterher.
Laut RKI beträgt die Hospitalisierungsrate für Hamburg am Montag nur noch 1,62. Wie kann das sein?
Da gibt es einen Meldeumstand, den man wissen muss. Wenn sie heute ins Krankenhaus eingeliefert werden, dann werden sie unter dem Datum ihres ersten positiven Tests nachregistriert. Das heißt, diese Zahl von 1,62 sagt wenig über den heutigen Tag aus. Insofern wäre es tatsächlich besser, den Hospitalisierungswert so zu erheben: Heute ist der Patient reingekommen und heute wird er gezählt.
Bräuchte es ihrer Einschätzung nach bei den aktuellen Entwicklungen in Hamburg weitere Beschränkungen oder sogar einen Lockdown?
Ich denke mit einer strengen 2G-Regelung müssten wir eigentlich auskommen. Damit meine ich, dass wirklich genau überprüft werden muss, dass die Regeln auch eingehalten werden.

Damit könnten wir dann über den Winter kommen?
Ja, das hoffe ich. Ich hoffe nicht, dass wir zu so etwas wie einem Lockdown greifen müssen. Das wäre für alle Beteiligten sehr schlecht, aber ausschließen kann man es nicht.
In anderen Bundesländern im Osten und Süden ist die Corona-Lage teils noch dramatischer. Könnte das, was dort geschieht, auch hier noch passieren?
Ich glaube es spielt eine große Rolle, dass Hamburg eine gute Impfquote hat und jetzt auch bei den Boosterungen gut dabei sein wird. Vor allem hat die Stadt auch in allen Pflegeheimen schon geboostert. Das sind ganz wichtige Sachen, die in anderen Bundesländern nicht der Fall sind. Ob es noch schlimmer kommen könnte, kann man nicht vorhersagen. Was jetzt passiert, muss man intensiv beobachten und die Maßnahmen danach ausrichten. Das kann sich von Woche zu Woche ändern. Zumal sich die Sache mit Omikron in jede Richtung entwickeln kann. Stellen Sie sich vor, es kommt heraus, dass die Variante zwar infektiöser ist, aber in der Auswirkung nicht so schlimm wie Delta. Dann haben wir kein Problem. Stellt sich heraus, dass sie nicht nur infektiöser ist, sondern auch noch in der Ausprägung der Erkrankungserscheinungen schlimmer, dann haben wir ein großes Problem.
Wann wird sich herausstellen, ob Omikron zum Problem wird?
In etwa 14 Tagen werden wir sehen, wie sich der Krankheitsverlauf der aktuell etwa 1000 Infizierten weltweit entwickelt. Außerdem werden die Labortests zeigen, ob die Impfstoffe auch bei dieser Variante ihre Wirksamkeit haben.