Echte Hamburgensie: Das Geheimnis dieser Jacke
Sie ist mindestens 30 Jahre alt, riecht nach altem Leder und hat vermutlich schon mehr als einen Besitzer gehabt. Trotzdem sieht sie 2023 genauso gut aus, wie sie es in den 90ern tat. Die Veddeljacke erzählt die Geschichte eines Hamburger Unternehmens, das ganz ungeplant Generationen geprägt hat – und gerade von seinen eigenen Mitarbeitern gerettet wurde.
Sie ist mindestens 30 Jahre alt, riecht nach altem Leder und hat vermutlich schon mehr als einen Besitzer gehabt. Trotzdem sieht sie 2023 genauso gut aus, wie sie es in den 90ern tat. Die Veddeljacke erzählt die Geschichte eines Hamburger Unternehmens, das ganz ungeplant Generationen geprägt hat – und gerade von seinen eigenen Mitarbeitern gerettet wurde.
Nur 39 Euro hat die schwarze Lederjacke mit den silbernen Knöpfen, Brusttaschen und der Schnalle an der Taille auf dem Flohmarkt gekostet. Die MOPO-Reporterin hat sie extra zum Termin mitgebracht. „Dieses dünne, weiche Material! Das nutzen wir heute gar nicht mehr. Wie schön, das mal wieder zu sehen“, ruft Doris Rehder, die „Frau für alles“ in der Firma „Original Veddel R. Paulsen GmbH“. Die 59-Jährige steht an der Kasse und sortiert Unterlagen. Sie hat den Laden im Blick, die Angestellten im Griff, weiß immer, was zu tun ist und kennt die Kunden.
Veddeljacke wird umweltfreundlich in Hamburg hergestellt
Die Veddeljacke ist ein echtes Hamburger Kultobjekt, das bisher streng genommen gar nicht auf der Veddel, sondern in Wilhelmsburg hergestellt wird, am Niedergeorgswerder Deich 56. 1962 gründete das Ehepaar Paulsen das Klamottengeschäft. Die robusten Jacken und die Cord- und Lederhosen mit dem charakteristischen Schlag wurden für die Arbeiter in der Gegend produziert. „Also vor allem für Maurer, Schornsteinfeger, Dachdecker und Betonbauer. Aber auch für Menschen auf der Walz“, erklärt Doris Rehder.

Eher ungeplant wurde die Kleidung dann zum Trend in Hamburg – auch im Alltag. „Die Leute haben uns die Bude eingerannt“, so Doris Rehder. „Vor allem die jungen Leute.“ Das ist auch aus heutiger Sicht kein Wunder: Die Jacke lässt sich wunderbar zu Jeans, aber auch zu Kleidern kombinieren. Und auch die Schlaghosen kommen langsam wieder in Mode.
Das Besondere: „Wir produzieren alles vor Ort mit Materialien aus Deutschland. Dafür ist es zwar ein bisschen teurer – um die hundert Euro –, aber ebenso umweltfreundlich, die Kunden können sich auf die Qualität verlassen und bekommen die Kleidung maßgeschneidert. Will einer sieben Taschen statt sechs, bekommt er sie. Und wenn etwas repariert oder geändert werden muss, tun wir das“, sagt Geschäftsführer Henning Brandt, der die MOPO-Reporterin durch die Nähstube führt. Hier sieht alles immer noch genauso aus wie vor 60 Jahren.
Plötzlicher Tod des Chefs: Mitarbeiter retten Unternehmen
Dass die Firma weiterbestehen kann, ist trotz der gut laufenden Geschäfte und der etwa 80 Prozent Stammkunden keine Selbstverständlichkeit. Im April vergangenen Jahres starb überraschend der bisherige Geschäftsführer und Sohn des Gründerehepaares, Carsten Paulsen. „Über Monate fand sich kein neuer Chef“, sagt Mitarbeiterin Doris Rehder. „Also haben wir den Laden alleine geschmissen – weil wir ihn lieben und für unseren verstorbenen Chef.“ Die Geschäfte seien in dieser Zeit noch besser gelaufen. Durch einen Zufall erfuhr Henning Brandt von dem Laden und übernahm ihn nach fast einem Jahr in Eigenregie.

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Das ist auch der Grund, warum die Veddelhose und -jacke bald nach Maschen in Niedersachsen umziehen wird. Dort ist Brandts erstes Geschäft. „Es wird einen richtigen Showroom geben. Wir wollen zeitgemäßer werden. Dafür suchen wir jetzt schon neues Personal.“ Er deutet auf die Veddeljacke vom Flohmarkt. „Mit diesem Outfit passen Sie doch wunderbar ins Millerntorstadion. Wer weiß, vielleicht kommt bald eine Kooperation mit dem FC St. Pauli?“