Experte warnt vor Wassernotstand – das kommt auf Hamburg zu
Wasser gab es in Hamburg bisher im Überfluss – und besonders in den vergangenen Wochen, als es gefühlt jeden Tag regnete. Wir sind es gewohnt, dass das lebenswichtige Nass immer verfügbar ist und aus dem Hahn sprudelt. Doch das könnte sich ändern, denn Deutschland verliert Wasser, daran ändert auch ein verregneter Sommer nichts. Droht auch Hamburg der Wassernotstand? Die MOPO hat mit dem Experten Uwe Ritzer über den Wasserschwund und daraus folgende Verteilungskämpfe gesprochen – und ihn gefragt, was jetzt passieren muss.
Wasser gab es in Hamburg bisher im Überfluss – und besonders in den vergangenen Wochen, als es gefühlt jeden Tag regnete. Wir sind es gewohnt, dass das lebenswichtige Nass immer verfügbar ist und aus dem Hahn sprudelt. Doch das könnte sich ändern, denn Deutschland verliert Wasser, daran ändert auch ein verregneter Sommer nichts. Droht auch Hamburg der Wassernotstand? Die MOPO hat mit dem Experten Uwe Ritzer über den Wasserschwund und daraus folgende Verteilungskämpfe gesprochen – und ihn gefragt, was jetzt passieren muss.
MOPO: Herr Ritzer, droht Hamburg der Wassernotstand?
Uwe Ritzer: Ganz Deutschland droht der Wassernotstand, wenn nichts getan wird. Es muss zwar niemand Angst haben, dass er in diesem oder nächsten Sommer verdurstet. Aber insgesamt gehen in Deutschland die Wasser-Vorräte zurück. Die deutsch-amerikanische Satellitenmission „Grace“ geht von einem Rückgang von der Menge des Bodensees in den vergangenen zwanzig Jahren aus. Andere Wissenschaftler beziffern ihn etwas niedriger. Aber eins ist sicher: Deutschland ist eines der Länder mit dem größten Wasserrückgang. Das betrifft über kurz oder lang alle – wobei es regional unterschiedlich ist. Am Alpenrand fällt zum Beispiel mehr Regen als in der Nordheide.

Hier in Hamburg regnet es oft. Warum verlieren wir trotzdem Wasser?
Weil die aktuelle Regenmenge bei weitem nicht ausreicht, um die Grundwasserspeicher zu füllen. Dafür müsste es mindestens ein Jahr lang rund um die Uhr durchgehend regnen. Sehr einfach erklärt, verschiebt der Klimawandel die Wettergrenzen. Das führt dazu, dass wir immer längere und heißere Trockenperioden bekommen. Dann ist der Bedarf an Wasser weitaus größer – und zwar nicht nur, weil wir mehr trinken oder öfter duschen, sondern weil auch die Natur mehr braucht. Landwirte zum Beispiel, wenn sie Gemüse anbauen. Gleichzeitig verdunstet bei Hitze auch mehr Wasser. Auf der anderen Seite bekommen wir mehr Unwetter, bei denen Wasser binnen kürzester Zeit in riesigen Mengen auf die Erde knallt und sie es nicht aufnehmen kann, weshalb es einfach oberflächlich abfließt. So bildet sich weniger neues Grundwasser.
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Was kommt auf uns zu, wenn wir weniger Wasser haben?
Immer mehr Verteilungskämpfe. Sie können das jetzt schon beobachten. Zum Beispiel dort, wo Mineralwasserhersteller Ärger mit der Bevölkerung kriegen, weil sie nicht mehr tatenlos zuschauen will, dass die Firmen das Allgemeingut Wasser, das uns allen gehört, rausholen, in Flaschen abfüllen und mit hohen Gewinnen verkaufen, die sie natürlich alleine einstreichen. Verteilungskonflikte gibt es auch immer häufiger zwischen Kommunen oder Städten und ihrem Umland – wie in Hamburg mit der Nordheide. Die großen Ballungszentren wie Hamburg, Berlin oder München machen sich‘s bislang relativ leicht, indem sie ihr Wasser zu großen Teilen aus dem Umland beziehen. Es mag schon sein, dass man die Wasserversorgung so über die nächsten Jahre noch aufrechterhalten kann. Das geht aber oft zulasten des Umlands. Und Sie sehen ja an der Nordheide, dass es den Hamburgern nicht mehr reicht: Sie wollen dort mehr als 18 Millionen Kubikmeter im Jahr fördern. Es gibt ein Gerichtsurteil, das ihnen 16,1 Millionen erlaubt. Gegen dieses Urteil hat Hamburg Wasser jetzt Berufung eingelegt.

Hamburg hat als Stadtstaat nun mal wenig Fläche. Wie soll es sonst funktionieren?
Man sollte die Wasserkreisläufe stärken, Wasserrecycling forcieren und vor allem endlich Brauchwassersysteme einführen. Warum muss ich in Hamburg meinen Garten mit Trinkwasser gießen, mein Auto damit waschen oder Feuer löschen? Man braucht ein Brauchwassersystem, in dem zum Beispiel Wasser vom Händewaschen oder Duschen gefiltert noch einmal für die Klospülung verwendet wird. Oder man fängt Regenwasser auf. Man muss aber auch große Verbraucher zu solchen Maßnahmen zwingen. Drei Viertel des Wassers, das wir in Deutschland jedes Jahr verbrauchen, geht in die Industrie und Wirtschaft – darunter zu den Getränke- und Nahrungsmittelherstellern. In Bayern, Hessen und Thüringen beziehen sie das Wasser sogar kostenlos. In anderen Bundesländern zahlen sie nur marginale Cent-Beträge. So gibt es keinerlei Anreiz zum Sparen. Hier muss man ansetzen. Und dann muss man in Hamburg – genauso wie in allen anderen Bundesländern – verstärkt für Versickerungsflächen sorgen, damit sich Regenwasser zu Grundwasser umwandeln kann.
Und wenn das nicht reicht? Wie kann Wasser gerecht verteilt werden?
Das ist die zentrale Frage. Der wichtigste Punkt wird immer sein, dass die öffentliche Wasserversorgung Vorrang haben muss vor allen anderen Interessen. Wir müssen dafür sorgen, dass Wasser ständig in ausreichendem Maße zum Trinken und Leben der Menschen da ist.
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Und die Natur?
Trinkwasserschutzgebiete oder Moore sind enorm wichtig für unseren Wasserhaushalt. Die Idee, die Landschaft auszutrocknen, um die Trinkwasserversorgung zu sichern, ist völliger Wahnsinn. Im Gegenteil: Wir müssen dafür sorgen, dass wieder mehr Wasser in der Natur bleibt, weil es dann durch den Boden sickert und zu Grundwasser wird, das wir nutzen können.
Was muss in Ihren Augen jetzt konkret passieren?
Die Politik muss den großen Schluckern in der Industrie endlich adäquate Gebühren für Wasser abverlangen – auch wenn es ein unpopulärer Vorschlag ist. Es kann nicht sein, dass sie für Wasser nur einen Bruchteil dessen zahlen, was jeder Privathaushalt bezahlt. Wenn Sie dieses knappe Gut höher bepreisen, wird man sinnvoller damit umgehen. Auch sonst muss die Politik klare Vorgaben machen – zum Beispiel, dass bei Neubauten Regenwasserzisternen und Brauchwassersysteme verpflichtend werden.