„Gedemütigt und missbraucht“: Hamburgs Rettungsdienst vor dem Kollaps
Die Lage in den Hamburger Kliniken ist dramatisch: Besonders Kinderstationen und Notaufnahmen sind überfüllt, das Personal am Limit. Und es wird noch bedrohlicher: Viele Pflegekräfte sind am Ende ihrer Kräfte und kündigen. Die Lage wird sich dabei wohl noch verschärfen: Schon jetzt werden Kinder teils Hunderte Kilometer weit weg in andere Krankenhäuser gebracht, der Rettungsdienst ist völlig überlastet, ganze Stadtteile sind zeitweise nicht versorgt – und dann wandern auch noch immer mehr Feuerwehrleute ab. Man fühle sich „gedemütigt und missbraucht“, schimpft ein Insider.
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Die Lage in den Hamburger Kliniken ist dramatisch: Besonders Kinderstationen und Notaufnahmen sind überfüllt, das Personal am Limit. Und es wird noch bedrohlicher: Viele Pflegekräfte sind am Ende ihrer Kräfte und kündigen. Die Lage wird sich dabei wohl noch verschärfen: Schon jetzt werden Kinder teils Hunderte Kilometer weit weg in andere Krankenhäuser gebracht, der Rettungsdienst ist völlig überlastet, ganze Stadtteile sind zeitweise nicht versorgt – und dann wandern auch noch immer mehr Feuerwehrleute ab. Man fühle sich „gedemütigt und missbraucht“, schimpft ein Insider.
Nach MOPO-Informationen sollen 16 Fachpfleger einer Klinik im Hamburger Westen zum Jahresende gekündigt haben. Auch andere Kliniken haben mit Abwanderungen zu kämpfen. Ein Sprecher der Asklepios Kliniken Hamburg bestätigt, dass im Krankenhaus Altona eine Gruppe Fachpflegekräfte gekündigt hat: „Man wird das aber kompensieren können“.
Hamburg: Fachpfleger werfen das Handtuch
Besonders prekär ist Lage derzeit in den Kinderkliniken: Viele müssen mehrfach täglich einzelne Bereiche wegen Überlastung sperren. Wie ein Sprecher der Deutschen Feuerwehr Gewerkschaft (DFeuG) der MOPO bestätigte, passiere es häufig, dass Rettungswagen die kleinen Patienten in Kliniken anderer Bundesländer transportieren. Die Fahrten gehen dann zum Beispiel nach Itzehoe, Oldenburg, Bremerhaven und sogar bis nach Schwerin.
„Man kann besonders die Fahrten nach Itzehoe schon als Pendelverkehr bezeichnen“, sagt ein Feuerwehrmann zur MOPO. Er selbst habe dort binnen einer Woche schon drei Mal Kinder eingeliefert. Seinen Kollegen von anderen Rettungswagen ginge es ähnlich. „Für den Transport eines erkrankten Kindes nach Schwerin war der Rettungswagen mal eben vier Stunden nicht in Hamburg verfügbar“.
Kranke Kinder aus Hamburg nach Schwerin transportiert
Eine Sprecherin des UKE bestätigte, dass die Kinderklinik verstärkt von Patienten mit dem RS-Virus frequentiert wird und in wenigen Fällen die Kinder in andere Kliniken umgeleitet werden mussten.
Das Kinderkrankenhaus Altona bestätigt ebenfalls eine hohe Auslastung. „Das liegt auch daran, dass viele Kinderarztpraxen keine Patienten mehr annehmen können. In ihrer Not suchen die Eltern dann Hilfe in unserem Haus“, so eine Sprecherin. Sperrungen einzelner Bereiche seien noch nicht vorgekommen, es gebe aber durchaus lange Wartezeiten bei normalen Krankheitsbildern.
Retter werden krank oder wandern ab
Ausbaden müssen die dramatische Lage auch die Hamburger Feuerwehrleute. Viele Menschen, die beim Hausarzt keinen Termin bekommen, rufen einen Rettungswagen (RTW). Hinzu kommen sogenannte Bagatellerkrankungen wie Schnupfen, Heiserkeit und Kopfschmerzen, die eigentlich keinen RTW-Einsatz erfordern. Und zusätzlich müssen die Helfer nun auch noch deutlich mehr Kilometer fahren, um die Kranken in eine freie Klinik einliefern zu können.
Ein Sprecher der Feuerwehr Gewerkschaft bestätigt die dramatische Situation: Viele Hamburger Kollegen seien nach der Corona-Pandemie körperlich und psychisch am Ende. Einige erkranken längere Zeit, andere wandern ab. Zum Beispiel nach Norderstedt, wo gerade eine Berufsfeuerwehr aufgebaut wird. „Dort erhalten sie die gleiche Bezahlung, müssen aber keinen Rettungswagen fahren“, sagt der Gewerkschaftssprecher.
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Die ohnehin dünne Personaldecke sieht er mit der Jahreswende zu 2024 nochmal deutlich schlechter werden: Ab dann nämlich dürfen Rettungswagen nur noch von ausgebildeten Notfallsanitätern besetzt werden. Und davon fehlen in Hamburg gegenwärtig 300.
Retter: „Gedemütigt und missbraucht“
Dazu der Landesvorsitzende der Deutschen Feuerwehr-Gewerkschaft, Jan Heinrich:
„Wir fühlen uns aufgrund der ursächlichen Bagatelleinsätze und dem regelmäßigen Ausnahmezustand im Rettungsdienst gedemütigt und missbraucht. Zum einen durch das Wissen, dass durch Versäumnisse der letzten Jahre dieser Zustand herbeigeführt wurde, und zum anderen, dass dadurch die Belastung der Kolleginnen und Kollegen im Rettungsdienst an ihre Grenze stößt.
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Die Gewerkschaft fordert eine Reformierung des Rettungsdienstes. Schon jetzt gibt es ganze Stadtteile, in denen zeitweise keine freien Rettungswagen verfügbar sind. Die Vorgabe, wonach Rettungsmittel binnen acht Minuten am Einsatzort sein müssen, wird schon jetzt deutlich überschritten.