Der Burgherr mit dem Paddelschwanz ist zurück – und fühlt sich in Hamburg echt wohl
Ein wilder Hügel aus Ästen am Gewässerrand und mittendrin ist ein Klappstuhl verbaut. Frederik Landwehr erkennt sofort, was da los ist. Die Biber sind los in Hamburg und der Biber-Beauftragte hat alle Hände voll zu tun. Er berichtet, wo sich die Tiere in Hamburg angesiedelt haben, was es mit dem Aspirin-Biber auf sich hat und warum seine gefürchteten Staudämme für Hamburg kein Problem sind.
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Ein wilder Hügel aus Ästen am Gewässerrand und mittendrin ist ein Klappstuhl verbaut. Frederik Landwehr erkennt sofort, was da los ist. Die Biber sind los in Hamburg und der Biber-Beauftragte hat alle Hände voll zu tun. Er berichtet, wo sich die Tiere in Hamburg angesiedelt haben, was es mit dem Aspirin-Biber auf sich hat und warum seine gefürchteten Staudämme für Hamburg kein Problem sind.
Das Fleisch besonders lecker, der Pelz wunderbar warm und dicht. Das wurde dem Biber im 19. Jahrhundert fast überall zum Verhängnis. Auch in Hamburg ist der Nager mit der großen Kelle, wie der Schwanz heißt, noch nicht lange zurück. Die erste neue Biberburg wurde 2010 im Raum Bergedorf entdeckt. „Mittlerweile gibt es zehn bis 12 Reviere in der Stadt“, sagt Hamburgs Biber-Experte Frederik Landwehr von der Loki-Schmidt-Stiftung.
Damit könnten an die 50 Tiere hier leben. Landwehr: „Eine Erfolgsgeschichte, immerhin hat der Biber – eines unserer wenigen großen heimischen Wildtiere – es alleine geschafft, seinen Platz in der Natur zurückzuerobern.“ Und für seine Biberburgen nutzt er, was ihm vor die großen orangen Zähne kommt. Ob ausrangierter Anglerstuhl oder Pfeiler einer Wildtierkamera.
Landwehr, der mal mit hochgekrempelten Hosen durchs flache Wasser stapft, notfalls auch in schwindelnder Höhe Wildtierkameras an überhängenden Ästen befestigt und auch mit dem Kanu Bibertouren veranstaltet, begeistert sich schon für sein nächstes Projekt. „Bald wollen wir Gen-Analysen vornehmen.“ Dann wissen die Experten genau, ob die meisten neuen Biberreviere von Hamburger Jungtieren gegründet wurden, oder ob weiterhin Tiere über die Elbe zuwandern.
Biber in Hamburg: Schon zehn Reviere in Bergedorf
Innerhalb Hamburgs ist der Biber noch nicht weit gewandert. Er reist über die Elbe aus der Wendland-Region ein und bleibt dann offenbar sehr gern im Raum Bergedorf. „Alle Reviere befinden sich hier“ erzählt Landwehr. Biber finden in der Gose Elbe, der Dove Elbe und den Bracks in der Gegend ideale Bedingungen vor. Denn die Gewässer dort haben abgekoppelt vom Elbstrom keinen Tidenhub.
Somit bleibt der Eingang zur Biberburg dort problemlos immer unterhalb der Wasseroberfläche. Die Nager sehen dann auch keinen Grund, Dämme zu bauen, um das sicherzustellen. Somit hat Hamburg nicht das Problem anderer Biber-Gebiete, in denen Gewässer gestaut und Flächen geflutet werden. Und es wurde zum Glück auch noch kein Tier illegal geschossen – wie es in Bayern schon vorkam.
„Wenn es mal Probleme gibt, dann sind wir gleich vor Ort und helfen“, betont Landwehr. Die Tiere sollen gar nicht erst in Konflikt mit den Menschen in Bergedorf geraten. Und die Schäden auf Grundstücken am Wasser sind auch meist nicht groß. „Einmal hat ein Biber eine Thuja-Hecke angefressen.“ Da wurde dann ein Elektrozaun installiert. Sobald ein nasser Biber mal eine gewischt bekommen hat, lässt er seine Nagezähne davon und trollt sich.
Auch Kompost ist nicht sicher vor ihm. Denn Biber sind Vegetarier, die mögen Äpfel und mehr. Immer nur Baumrinde im Winter – das ist nix. Und fressen muss der bis zu 35 Kilo schwere Nager, denn er hält keinen Winterschlaf in seiner Burg. Hat das nachtaktive Tier sich in einen Apfelbaum verguckt, dann fällt er ihn locker in nur einer Nacht.
Hamburger Biber leben in Doove Elbe und Goose Elbe
Apropos Baumrinde: Dass der Biber Aspirin in sich trägt, das ist kein Gerücht. Die Tiere wurden früher auch gejagt, weil ihrem „Bibergeil“ heilende Wirkung zugeschrieben wurde. Und tatsächlich haben Untersuchungen ergeben, dass in den drüsenartigen Beuteln am Hinterteil des Tieres Salicylsäure enthalten ist. Sie wird vom Biber nicht produziert, sondern reichert sich an, wenn der Nager im Winter viel Weidenrinde frisst. Die enthält Salicylsäure (Salix: Weide).
Auch heute noch ist in homöopathischen Mitteln Bibergeil (oder im Fachdeutsch Castoreum) enthalten und auch in Parfums. „Das Castoreum dafür kommt dann aber von Bibern aus Kanada“, so Landwehr. In Deutschland stehen die Tiere unter Schutz. Der Biber selbst nutzt den Duftstoff zum Markieren seines Reviers. Früher glaubten die Menschen so fest an die heilende Wirkung, dass „im Mittelalter zeitweise ein ganzes Pferd für einen Biber gezahlt wurde.“
Damals war auch die Kirche Schuld, dass der Biber so präsent auf dem Speiseplan der Bevölkerung landete. Denn sie erklärte das Säugetier kurzerhand zum Fisch, damit er – im Gegensatz zu anderem Fleisch – in der Fastenzeit weiterhin gegessen werden durfte.
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Wenn der Biber sich nicht so langsam fortpflanzen würde, dann hätte Hamburg längst ganz andere Bestände. Die monogamen Paare ziehen nur zwei, drei Biberbabys pro Jahr auf und einige sterben auch. Und dann gibt es da noch zwei hartnäckige Junggesellen, die seit zehn Jahren allein in ihren Revieren leben. Landwehr: „Vielleicht ist noch nicht die Richtige vorbeigekommen. Aber vielleicht wollen sie auch einfach nicht.“
Die Paarungszeit für Biber ist im Januar, nach 100 Tagen wird der Nachwuchs in der Biber-Butze geboren. Im Frühling zeigt sich dann, wie viele neue Burgherren in der Wasserstadt Hamburg aufwachsen werden.
Digitaler Vortrag von Frederik Landwehr: Die Rückkehr der Burgherren, Mittwoch, 21. Februar, 19 Uhr bis 20.30 Uhr, kostenfrei, Spende erbeten, Anmeldung erbeten unter anmeldung@loki-schmidt-stiftung.de