Diesem Deserteur eine Straße widmen: Wer war der Hamburger Ludwig Baumann?
Grüne und Linke sind schon dafür – die restlichen Parteien müssen noch überzeugt werden: Davon nämlich, dass die Sedanstraße in Rotherbaum einen neuen Namen erhlält. Diese Straße, die bislang an eine furchtbar blutige Schlacht des Deutsch-Französischen Krieges (1870/71) erinnert, soll ganz bewusst nach einem Deserteur umbenannt werden. Ludwig-Baumann-Straße würde sie dann heißen.
Grüne und Linke sind schon dafür – die restlichen Parteien müssen noch überzeugt werden: Davon nämlich, dass die Sedanstraße in Rotherbaum einen neuen Namen erhlält. Diese Straße, die bislang an eine furchtbar blutige Schlacht des Deutsch-Französischen Krieges (1870/71) erinnert, soll ganz bewusst nach einem Deserteur umbenannt werden. Ludwig-Baumann-Straße würde sie dann heißen.
Um diese Forderung zu unterstreichen, hat die Initiative „Sedanstraße umbenennen!“ am Mittwoch, 19. April, auf dem Joseph-Carlebach-Platz die Außenausstellung „Kriegsverrat ist Friedenstat“ eröffnet, die bis zum 22. Mai dort zu sehen ist. Sie wurde vor zwei Jahren von der Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz anlässlich des 100. Geburtstags von Ludwig Baumann (1921-2018) erstellt.

1940 in Frankreich stellte er fest: „Ich kann das nicht. Töten.“
Baumann, der 1921 in Hamburg als Sohn eines Tabakhändlers geboren wurde, kam 1942 als Soldat ins besetzte Frankreich, wo er bald erkannte: „Ich kann das nicht. Töten.“ Er schlug sich in die Büsche, wurde gefasst, wegen Fahnenflucht vor Gericht gestellt und am 30. Juni 1942 zum Tode verurteilt.
Zehn Monate zitterte der an Händen und Füßen Gefesselte in seiner kargen Zelle. Jeden Morgen, wenn die Tür aufging, fürchtete er: Jetzt holen sie dich! Wenn sich die Tür wieder schloss, atmete er durch: noch einen Tag leben. „Dieses Grauen, diese Angst verfolgen mich noch heute in meinen Träumen“, sagte er 2015 in einem Interview mit der MOPO.
Schließlich wurde Baumann begnadigt, saß zunächst im Zuchthaus und kam schließlich zu einem Strafbataillon nach Weißrussland – als Kanonenfutter für die Ostfront. Er überlebte und gründete 1990 gemeinsam mit 36 anderen Deserteuren die „Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz e.V.“, deren Vorsitzender er wurde.

Deserteure sind die wahren Helden: Sie hatten den Mut, Nein zu sagen
2015 ging Baumanns größter Traum in Erfüllung: Direkt neben dem 76er-Denkmal am Stephansplatz, besser bekannt als „Kriegsklotz“, wurde ein Deserteursdenkmal eingeweiht, das an diejenigen erinnert, die die wahren Helden gewesen sind: an die, die es gewagt haben, Nein zu sagen zu Hitlers Krieg.
Es gibt viele namhafte Befürworter der Umbenennung: etwa Professor Dr. Detlef Garbe, ehemaliger Chef der Hamburger Stiftung Gedenkstätten und Lernorte. Ein Straßenname wie Sedan, „der bis heute an den deutschen Nationalismus und die Erbfeindschaft mit Frankreich erinnert, passt nicht mehr in die Zeit“, findet er. „Wenn er ersetzt wird durch einen Namen, der darauf verweist, dass es auch in der Zeit des Nationalsozialismus Menschen gab, die sich einem solchen Denken widersetzten, dann würde dies ein Symbol für einen Wandel dokumentieren, der dem heutigen engen und freundschaftlichen Miteinander von Menschen aus Frankreich und Deutschland entspricht.“

Sogar Didier Herbillon, Bürgermeister der französischen Stadt Sedan, befürwortet die Umbenennung der Sedanstraße. Eine Umbenennung wäre ein „wahrnehmbar konkretes Zeichen dafür, dass die seinerzeit ausgetragenen Konflikte (1870/71, 1914-1918, 1939-1945), die unsere beiden Nationen entzweit haben, heute nicht mehr Anlass von Spannungen zwischen unseren Völkern sind.“
Sedan – Symbol für die deutsch-französische Feindschaft

Zum Hintergrund: Am 2. September 1870 fand bei der belgisch-französischen Grenzstadt Sedan die Entscheidungsschlacht des Deutsch-Französischen Krieges statt. Auf deutscher Seite gab es 8500 Tote und Verletzte, auf französischer Seite wurden 17.000 Soldaten getötet oder verwundet.
Der Sedantag (2. September) wurde im Kaiserreich zum Feiertag erhoben. Bis 1919 wurden überall im Land Straßen geschmückt, es gab Freudenfeuer, Umzüge von Veteranen, Aufmärsche von Musikkapellen, patriotische Lieder wurden gesungen. 1899 taufte die Stadt Hamburg die ehemalige Louisenstraße in Sedanstraße um – als Erinnerung an den Sieg über den Erbfeind Frankreich.
Nun soll sie abermals umbenannt werden: nach Ludwig Baumann. Bei der Eröffnung der Austellung, die an dessen Leben und Verdienste erinnert, haben am Mittwoch unter anderem Günter Knebel von der Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz, David Rubinstein von der jüdischen Gemeinde, Prof. Jürgen Oßenbrügge von der Universität Hamburg und der ehemalige Hamburger Polizeipräsident Wolfgang Kopitzsch gesprochen – und sich für die Umbenennung stark gemacht.