Welche grausamen Geschichten diese Kleidungsstücke erzählen
Fast jede Frau erlebt es regelmäßig: Dumme Sprüche, Blicke oder – im schlimmsten Fall – sogar ungewollte Berührungen. Fast jede Frau überlegt zweimal, ob sie wirklich im Dunkeln nach Hause geht und wenn ja, welcher der sicherste Weg ist – und welches Outfit am unauffälligsten. Das ist falsch, sagen die Macher der Ausstellung „Was hattest du an?“ – und benennen ganz deutlich die Schuldigen.
Fast jede Frau erlebt es regelmäßig: Dumme Sprüche, Blicke oder – im schlimmsten Fall – sogar ungewollte Berührungen. Fast jede Frau überlegt zweimal, ob sie wirklich im Dunkeln nach Hause geht und wenn ja, welcher der sicherste Weg ist – und welches Outfit am unauffälligsten. Die Ausstellung „Was hattest du an?“ zeigt: Es ist egal, was man anhat. Und die Kleiderwahl ist nie die Ursache für sexuelle Übergriffe.
„Ich befand mich plötzlich auf der Herrentoilette. Ein langjähriger Freund aus dem Orchester hielt mich dort fest, drückte mich an die Wand, öffnete meine Hose und versuchte, mit den Fingern in mich einzudringen. Er ließ erst von mir ab, als jemand hereinkam und seine Tat störte.“ Diese und andere verstörende Zitate stehen in der neuen Ausstellung „Was hattest du an?“ auf dem Forschungscampus Bahrenfeld. Daneben hängen – ganz unschuldig – Outfits, die Frauen während eines sexuellen Übergriffes trugen.
Sexualisierte Gewalt: Alle Schuld liegt bei den Tätern
Die Vielfalt der Kleidungsstücke zeigt, dass die Kleidung eben nicht Ursache für eine solche Attacke ist. Da hängen Pullover und Jeans, Bikinis, Jeanskleid, Blazer und Strickjacke. Gemacht wurde die Ausstellung von Emely Unger (29), selbst Opfer eines sexuellen Übergriffs. Der ist ist jetzt zwölf Jahre her. Zehn Jahre davon hat sie Stillschweigen bewahrt – zu groß war die Scham. Und noch heute kann sie nicht aussprechen, was genau ihr passiert ist, spricht nur von einer „sehr speziellen“ Tat.
Bei Sylvie Gühmann (28) geschah der sexuelle Übergriff auf dem Heimweg , das ist gerade mal zwei Monate her. Die Dinge, die der Mann zu ihr gesagt hat, waren so pervers, dass es ihr auch vor der Polizei schwerfiel, sie nochmal auszusprechen.
„Zeig deine Ritze, du geile Fotze“, habe er gesagt. Auch seine Absicht habe der Mann deutlich zum Ausdruck gebracht: „Ich fick dich.“ Und noch während sie überlegte, ob es besser sei zu fliehen, oder lieber Stärke zu zeigen, legte er nach. „Ich spritz in deine Ritze, ich seh‘, dass du Bock hast.“

Emely Ungers Ausstellung, die seit Ende Januar am Forschungscampus Bahrenfeld gezeigt wird, kritisiert vor allem die namensgebende Frage, die vielen Betroffenen sexueller Gewalt immer noch gestellt wird. „Das ist falsche Opferschuld“, sagt Emely Unger. „Als wenn man solche Übergriffe verhindern könnte, wenn man sich nur weniger figurbetont anzieht.“
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Stattdessen liege alle Schuld bei den Tätern – und bei denen, die ihre Augen davor verschließen. „Mein Übergriff wurde von einem Passanten beobachtet“, berichtet Sylvie Gühmann. „Doch er hat nichts gemacht, obwohl ich ihn um Hilfe gebeten habe.“
Katharina Fegebank bei der Ausstellungseröffnung
Für ihre Ausstellung hat Emely Unger mit vielen Frauen aus Norddeutschland über ihre Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt gesprochen. Zentral war dabei immer die Frage: „Was hattest du an?“

„Wir wollen mit der Ausstellung Sichtbarkeit schaffen“, sagt Emely Unger. „Es darf einfach nicht sein, dass Frauen sich Tausend Gedanken um ihre Kleidung, ihren Heimweg und eine mögliche Begleitung machen müssen, während Männer sich häufig einfach die Schuhe zubinden und losgehen.“
Außerdem solle die Ausstellung Angehörige zu einem besseren Umgang mit Betroffenen animieren. „Sie dürfen niemals die Schuld bei den Opfern suchen“, sagt Emely Unger. „Stattdessen sollten sie möglichst viel Verständnis aufbringen, nicht zu viel hinterfragen und die Entscheidungen des Opfers respektieren.“

Zur Eröffnung war Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) vor Ort. „Die Ausstellung ist so wichtig, weil sie das Thema sexualisierte Gewalt sichtbar macht. Es muss aus der Tabuzone geholt werden“, sagte sie gegenüber der MOPO.
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Bis zum 23. Februar kann die Ausstellung im Gebäude CFEL am Forschungscampus Bahrenfeld (Luruper Chaussee 149, Gebäude 99) besucht werden. Es wird kein Eintritt verlangt.