Neue App zeigt, wo dunkle Kapitel in Hamburgs Geschichte bis heute sichtbar sind
Ohne den Kolonialismus wäre Hamburg wohl nie zu der bedeutenden Wirtschaftsmetropole geworden, die es heute ist. Ob beim Bismarck-Denkmal in Hafennähe, im Tierpark Hagenbeck oder im Museum MARKK: An vielen Stellen spielt dieses düstere Kapitel der Geschichte noch immer eine Rolle. Eine neue App der Uni Hamburg will es für alle erlebbar machen.
Ohne den Kolonialismus wäre Hamburg wohl nie zu der bedeutenden Wirtschaftsmetropole geworden, die es heute ist. Ob beim Bismarck-Denkmal in Hafennähe, im Tierpark Hagenbeck oder im Museum MARKK: An vielen Stellen spielt dieses düstere Kapitel der Geschichte noch immer eine Rolle. Eine neue App der Uni Hamburg will es für alle erlebbar machen.
Durch Hamburg spazieren, Sehenswürdigkeiten erleben und dabei noch etwas über die Geschichte der Stadt lernen: Dieses Konzept verfolgt ein neues Projekt der Forschungsstelle „Hamburgs (post-)koloniales Erbe“ der Universität Hamburg. Die Forscher:innen haben eine App entwickelt, die Wissenschaft ganz ohne Vorkenntnisse oder kompliziertes Fachwissen vermitteln will.
Uni Hamburg startet App zur Kolonialgeschichte
In der kostenlosen App namens „Koloniale Orte“, die für Android und iOS erhältlich ist, gibt es bisher drei verschiedene Rundgänge. Nutzer:innen können aus den Themen „Wissenschaft und Forschung“, „Politik, Kultur und Gesellschaft“ sowie „Wirtschaft und Handel“ wählen – weitere Bereiche sind schon in Arbeit. Die einzelnen Touren dauern zwischen zwei- und viereinhalb Stunden und sind zwischen vier und acht Kilometer lang.

Mit Klick auf eine der Touren öffnet sich eine Hamburg-Karte, die die verschiedenen Stationen anzeigt. Ein besonderes Highlight: Die Karte zeigt nicht nur den Stand von 2023, sondern auch Karten aus der Historie. Wer immer schon mal wissen wollte, wie das Stadtgebiet 1875 oder 1894 ausgesehen hat, kann auf einer rechts angezeigten Leiste hin und her scrollen.
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Für die einzelnen Stationen gibt es jeweils Infotexte, die man sich auch vorlesen lassen kann. Außerdem gibt es Bilder, die App schlägt ähnliche Orte vor und verweist auf zusätzliche Info-Angebote oder Literatur zum Thema. Im Bereich „Infos“ stellen die Forscher:innen ein Glossar bereit, das zentrale Begriffe verständlich erklärt.
Hamburg: Tor zur Welt und Kolonialmetropole
Gemeinsam mit Uni-Präsident Hauke Heekeren und Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) stellte Jürgen Zimmerer, Professor für Globalgeschichte an der Uni Hamburg und Leiter der Forschungsstelle, die App am Mittwoch im Uni-Hauptgebäude an der Edmund-Siemers-Allee vor. Ein Ort, der selbst in einem der Rundgänge auftaucht: Ab 1912 war dort das Hamburgische Kolonialinstitut beheimatet, ehe die Universität Hamburg 1919 gegründet wurde.
Ein besonders einfacher und leichter Zugang zur Hamburger Kolonialgeschichte war dem Team bei der Gestaltung der App besonders wichtig. Heekeren lobt die „gute wissenschaftliche und praxisnahe Umsetzung“ des Projekts. „Mit ihr kann man sich interaktiv auf Spurensuche begeben und die viel zu lange unsichtbaren dunklen Kapitel unserer Geschichte endlich sichtbar machen – egal ob bei einem Spaziergang oder vom Sofa aus“, sagt Fegebank.
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Hamburg war einst eine große Kolonialmetropole, sagt Jürgen Zimmerer im Gespräch mit der MOPO. „Hamburg definiert sich historisch über den Hafen und über das Handeln. Der Hafen ist das Tor zur Welt. Nur: Wenn man sich diese Welt genau ansieht, ist es bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts eine koloniale.“

Der Historiker nennt ein Beispiel: „1883 schreiben Hamburger Kaufleute an Bismarck und bringen ihn dazu Kolonien zu erwerben“. Die Reichsregierung hatte zuvor um deren Einschätzung gebeten. 1884 nahmen die deutschen Kolonialbestrebungen dann Fahrt auf – unter anderem mit der „Unterschutzstellung“ der Gebiete, die fortan „Deutsch-Südwestafrika“ hießen, heute Namibia sind, und in denen ab 1904 ein Genozid an der Bevölkerung folgen sollte.
Baakenhafen: „Zentrale Drehscheibe“ eines Völkermords
Dieser ist wiederum eng mit dem Baakenhafen in der Hafencity verbunden. Der war die „zentrale Drehscheibe in der Logistik des kolonialen Völkermordes an den Herero und Nama“, erklärt die Uni-App. Zu Ehren der Bismarck’schen Kolonialpolitik entstand das heutzutage höchst umstrittene Denkmal im Alten Elbpark. Dieser Standort wurde nicht ohne Hintergrund gewählt, erfahren Benutzer:innen: „Von der Elbmündung kamen auch die Schiffe aus ‚Übersee‘ oder entschwanden dorthin.“