Die Totenhalle von der Messe: Wetten, Sie kennen dieses Hamburger Denkmal nicht?
Die kleine Kapelle ist eines der ältesten Denkmäler Hamburgs. Vor beinahe 100 Jahren wurde sie als Nummer 39 in die Denkmalliste der Freien und Hansestadt Hamburg eingetragen. Doch das interessiert in dieser Stadt offenbar niemanden. Seit Jahrzehnten verfällt das 220 Jahre alte einmalige Bauwerk.
Das Hamburg des ausgehenden 18. Jahrhunderts muss man sich als rasant wachsende Stadt vorstellen. Innerhalb des Wallrings wird es eng, und das betrifft auch die Friedhöfe der fünf Hauptkirchen. In Gruften werden die Toten übereinander gestapelt, es herrscht ein bestialischer Gestank.
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Die kleine Kapelle im Schatten der Messehallen ist eines der ältesten Denkmäler Hamburgs. Vor beinahe 100 Jahren wurde sie als Nummer 39 in die Denkmalliste der Freien und Hansestadt Hamburg eingetragen. Doch das interessiert in dieser Stadt offenbar niemanden. Seit Jahrzehnten verfällt das 220 Jahre alte einmalige Bauwerk. Dabei gibt es Pläne für eine Rettung.
Das Hamburg des ausgehenden 18. Jahrhunderts muss man sich als rasant wachsende Stadt vorstellen. Innerhalb des Wallrings wird es eng, und das betrifft auch die Friedhöfe der fünf Hauptkirchen. In Gruften werden die Toten übereinander gestapelt, es herrscht ein bestialischer Gestank.
Die Decke ziert das „Auge Gottes”
1794 wird deshalb der erste Friedhof außerhalb der Altstadt, nämlich vor dem Dammtor, eröffnet. Von der St.-Petri-Gemeinde erhält der berühmte Baumeister Johann August Arens (1757-1806) den Auftrag, eine „Todtencapelle“ zu errichten. 1802 wurde diese „Pfordte für den letzten Weg der stillen Gäste“ eingeweiht. Die Decke ziert ein „Auge Gottes“ mit vergoldeten Strahlen.
Die St.-Petri-Begräbniskapelle ist heute deutschlandweit eines der ganz wenigen Beispiele der französischen „Revolutionsarchitektur“. Das berühmteste Gebäude dieser Stilrichtung ist das Pantheon in Paris. Die Hamburger Kapelle wiederum ist das erste Multifunktionsgebäude der Stadt. Sie ist Torhaus des Friedhofs, aber auch Abschieds-und Aufbahrungsraum. Und nebenbei gab es darin noch eine Zwei-Zimmer-Wohnung für Totengräber und Friedhofswärter.
Wenig Ehrfurcht vor diesem architektonischen Kleinod hatten die Franzosen 1813. Die Besatzer verwüsten den Petri-Friedhof und schlugen Schießscharten in die Mauern. Die Gemeinde konnte die Schäden aber reparieren und dafür sorgen, dass hier weiterhin jahrzehntelang zum Klang einer goldenen Orgel würdige Bestattungen stattfinden konnten.
Nazis verschonten die Kapelle
Doch bald schon wurde auch der Friedhof am Dammtor zu eng. 1877 kam es zur Eröffnung des Friedhofs Ohlsdorf. 1909 fand die letzte Beerdigung auf dem Petri-Friedhof statt. Die Nazis ebneten dann die Begräbnisstätte ein und bauten einen große Aufmarschplatz, die Kapelle aber rührten sie nicht an. Nach dem Krieg entstand auf dem alten Friedhofs-Areal der Park Planten un Blomen.
1981 wurden neue Messehallen direkt an der Kapelle errichtet. 2002 sollte die Zukunft des Bauwerks innerhalb eines „Hochbaulichen Realisierungswettbewerbs“ der Messe gesichert werden. Doch nichts geschah. Heute steht die Kapelle verloren auf dem Messegelände und wird nur notdürftig in Stand gehalten.
Lost Places
Der Autor: Thomas Hirschbiegel (l.) ging 1977 direkt von der Schule zur MOPO, war erst zehn Jahre Fotoreporter und dann ab 1987 Redakteur mit dem Spezialgebiet Polizei, Architektur und Stadtentwicklung.
Der Fotograf: Florian Quandt begann seine journalistische Tätigkeit beim „Elbe Wochenblatt“, absolvierte ein Redakteurs-Volontariat beim „ Pinneberger Tageblatt“ und ist seit 2005 Fotoreporter bei der MOPO.
Einer der seit mehr als 20 Jahren für die Rettung der Kapelle kämpft, ist der Architekt Klaus Helbing. Der 71-Jährige war an den Neubauten der Messe beteiligt und forderte schon 2007, die behutsame Umsetzung der Kapelle auf das Gelände von Planten un Blomen.
Der MOPO sagte er: „Ich wünsche mir so sehr, sie aus dem Schatten zu holen. Aktuell kann man ja froh sein, dass die Kapelle noch kein Laster umgefahren hat.“ Eine Million Euro würde die Umsetzung kosten, doch weder Bezirk noch Messe wollen dieses Geld locker machen.