Die Tante Emma von Iserbrook heißt Norbert und seinen Laden hat er bald 50 Jahre
Er hat keine Dauerwelle, sondern einen Zopf. Statt eines Kittels trägt er eine Fleece-Jacke. Doch sonst ist im Geschäft von Norbert Prenzlin an der Schenefelder Landstraße alles genau so wie in einem klassischen Krämer-Laden. Anwohner nennen den 75-Jährigen deshalb auch „die Tante Emma von Iserbrook“.
Er hat keine Dauerwelle, sondern einen Zopf. Statt eines Kittels trägt er eine Fleece-Jacke. Doch sonst ist im Geschäft von Norbert Prenzlin an der Schenefelder Landstraße alles genau so wie in einem klassischen Krämer-Laden. Anwohner nennen den 75-Jährigen deshalb auch „die Tante Emma von Iserbrook“.
„Klingeling“ macht es, als eine ältere Dame das Geschäft in der Hausnummer 97 betritt. Noch bevor die Kundin etwas sagt, hat Norbert Prenzlin schon hinter sich ins Regal gegriffen, eine Packung „Roth-Händle“-Zigaretten herausgezogen und auf den Tresen gelegt. Die Frau bedankt sich, fragt noch nach Prenzlins Wohlbefinden, kommentiert das Wetter. Dann bezahlt sie und geht. „Klingeling!“
Seinen Kunden liest die „Tante Emma von Iserbrook“ jeden Wunsch von den Augen ab
„Man kennt sich halt“, sagt Norbert Prenzlin. Mehr als 80 Prozent seiner Kunden sind Stammkunden. Viele kennt er seit Jahrzehnten. „Einer kam schon als Student immer zu mir. Jetzt ist er gerade in Rente gegangen.“ Zu vielen Anwohnern sei das Verhältnis eng. Selbst Weggezogene schicken ihm noch Fotos ihrer neugeborenen Babys, erzählt Prenzlin und zückt gerührt sein Handy, um ein Bild zu zeigen.
Die meisten Kunden sind aber eher älteren Semesters. Sie schätzen, dass es bei Norbert immer noch so aussieht wie damals in den 60er Jahren, als der Laden von Prenzlins Vorgänger geführt wurde. Mit Furnierholz-Regalen und Glasvitrinen, in denen Lebensmittel stehen, die man damals halt so aß. Erbsen und Brechbohnen aus dem Glas zum Beispiel. Gulaschsuppe aus der Dose. Corned Beef oder Labskaus. Ganz wichtig natürlich auch die Jacobs Krönung. Und „Kaba“-Kakaopulver! Aber auch Waschmittel, Möbelpolitur und Kerzen hat Prenzlin für diejenigen, die nicht den weiten Weg zum nächsten Supermarkt nehmen wollen. Die Preisschilder sind handgeschrieben.
Eier und Kartoffeln liefert ein Bauernhof aus der Gegend von Glückstadt
„Ich weiß ja, was meine Kunden so brauchen“, sagt Prenzlin. Besonders die frischen Eier und Kartoffeln, die „Tante Norbert“ direkt von einem Bauernhof bei Glückstadt bekommt, sind beliebt. Kinder holen sich nach der Schule Süßigkeiten, die sie einzeln aus großen Gummitier- oder Lakritzbehältern auswählen. Vieles habe sich jedoch auch verändert seit 1977. Seit Prenzlin den Laden mit dem Charme der 60er Jahre übernahm, ohne ihn zu verändern.

„Die Bauarbeiter trinken keinen Alkohol mehr bei der Arbeit“, stellt der alte Krämer fest. Überhaupt werde weniger „gesoffen“. Und weniger geraucht. Auch die Zeitschriften gehen nicht mehr so gut. Wo die „Hörzu“ früher ein Riesenstapel war, liegt nun nur noch ein kleines Häufchen.
Mittags macht der alte Krämer zu – für ein Schläfchen
Der Laden und seine Kunden – für Norbert Prenzlin ist das sein Leben. Jeden Tag steht er um 5 Uhr auf, fährt zur Fegro und steht ab sieben Uhr bis um 18.30 Uhr im Laden. Sechs Tage die Woche. Ganz allein. Urlaub gönnt er sich selten. Nur die Mittagspause zwischen 13 und 15 Uhr ist ihm heilig. „Da leg ich mich nach dem Essen kurz aufs Ohr“, sagt der 75-Jährige.
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Für jemanden, der längst im Rentenalter ist, ist die Ruhepause wichtig. Ans Aufhören denkt Norbert Prenzlin dennoch nicht. Erstens weil ihm die Arbeit viel Spaß macht und ein wenig auch, weil er Angst vor seiner Frau hat, die längst in Rente ist. „Was ein Glück, dass wir uns so wenig sehen!“, lacht Prenzlin. Denn auch wenn seine Holde die Liebe seines Lebens ist – den ganzen Tag gemeinsam zu verbringen, das sind die beiden nicht gewohnt.
So langsam muss Prenzlin sich aber an den Gedanken gewöhnen. Seine Vermieter, die oben im gleichen Haus wohnen, sind über 90 Jahre alt. Der Ladeninhaber geht davon aus, dass die Erben das Haus verkaufen würden. „Dann ist der Zeitpunkt gekommen, dass ich aufhören muss“, sagt Norbert Prenzlin. Iserbrook verliert dann ein Geschäft, in dem die Zeit stehen geblieben ist. Ein kleines Museum aus der Ära des Wirtschaftswunders, in dem der Kunde noch König ist.