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  • Melinda Angsten (30) ist Filialleiterin bei Budni.
  • Foto: Florian Quandt

Die MOPO präsentiert: Das sind die zehn Hamburger des Jahres

Was war das für ein Jahr! Die Corona-Pandemie hat unser Leben extrem verändert. Viele alltägliche Dinge sind nicht mehr so einfach möglich, Menschen mussten ihre Liebsten beerdigen, Arbeitsplätze sind verloren gegangen, Hamburger kämpften und kämpfen um ihre Existenz. Trotzdem war 2020 nicht alles schlecht, denn was Hamburg auch oft bewiesen hat, war Solidarität, ein Gemeinschaftsgefühl, das vielen Leuten Sicherheit gegeben und Mut gemacht hat. Ein paar Hamburgerinnen und Hamburger sind der MOPO in diesem Jahr besonders im Gedächtnis geblieben. Menschen, die vorher niemand kannte und die uns plötzlich täglich die Welt erklärt haben. Die besonderes geleistet haben. Die über sich hinausgewachsen sind. Oder deren Wichtigkeit wir erst jetzt richtig zu schätzen gelernt haben. Dies ist eine Auswahl, sie stehen stellvertretend für die vielen Hamburger, die 2020 wichtig waren oder Großes geleistet haben. 

Audrey Boateng: Hamburger Model und Schauspielerin

Anfang Juni gingen 14.000 Menschen in Hamburg für den von einem Polizisten getöteten US-Amerikaner George Floyd auf die Straße und wollten ein Zeichen gegen Rassismus setzen. Die Organisatorin der Demo, die Hamburger Schauspielerin Audrey Boateng, hatte zuvor nie eine Demo organisiert und mit ein paar hundert Teilnehmer gerechnet. Ein Beispiel, wie einzelne Menschen Großes auf die Beine stellen können.

Audrey Boateng spricht auf der Anti-Rassismus-Demo in Hamburg.

Audrey Boateng spricht auf der Anti-Rassismus-Demo in Hamburg.

Foto:

Boateng/HFR

„Die Botschaft ist so noch kraftvoller gewesen“, sagte sie damals. Gerade in diesen Zeiten sei es wichtig, sich gegen Rassismus einzusetzen. „Rassismus ist auch wie ein Virus“, so Boateng. „Alle suchen nach einem Corona-Heilmittel. Aber für Rassismus ist seit Jahrhunderten kein Heilmittel gefunden worden.“ Im 21. Jahrhundert sei es nun wirklich mal an der Zeit dafür.

Marylyn Addo: Hamburger Ärztin und Forscherin am UKE 

Marylyn Addo war vor der Pandemie nur Insidern bekannt – im Frühjahr war sie plötzlich eine der prominentesten Gesichter Corona-Krise. Die Wissenschaftlerin und Ärztin mit Fachgebiet der Infektiologie forschte nicht nur an der Bekämpfung des Virus, sondern gab unzählige Interviews und erklärte geduldig den aktuellen Forschungsstand zum Impfstoff. Dazu beantwortete sie auch die Fragen, warum die Impfstoffe sich im Rekordtempo entwickeln konnten und warum dies nicht auf Kosten der Sicherheit erfolgt sei.

Marylyn Addo

Prof. Dr. Marylyn Addo ist Leiterin der Infektiologie am Uniklinikum Eppendorf.

Foto:

picture alliance/Axel Heimken/dpa

Unter ihrer Leitung wurde ein potenzieller Impfstoff am UKE getestet. Die Ärztin arbeitete bereits maßgeblich an der Entwicklung des Ebola- und des MERS-Impfstoffs mit. Addo wurde 2020 zur Medizinerin des Jahres gekürt. 

Noch mehr Helden der Corona-Krise: Supermarkt-Mitarbeiter

Im ersten Lockdown wurden sie auf einmal in der Gesellschaft sichtbar und als systemrelevant eingestuft: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Supermärkten, die sich mit einem plötzlichen „Run“ auf die Läden konfrontiert sahen. Unvergessen in der ersten Phase der Pandemie die Klopapier-Knappheit und leere Regale, in denen sonst Nudeln und Tomaten in Dosen lagerten. Oder anders ausgedrückt: die Hamsterkäufe.

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Melinda Angsten (30) ist Filialleiterin bei Budni.

Foto:

Florian Quandt

Ob Budni, Edeka oder Lidl — keiner der Mitarbeiter hatte die Zeit, sich in Ruhe auf die neue Situation vorzubereiten, sondern musste umgehend darauf reagieren. Durch ihren Beruf sind sie vielen Kontakten und damit einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt – doch sie mussten weiter arbeiten, damit wir alle was zu Essen haben.

Daniel Schmidt: Wirt im Elbschlosskeller auf St. Pauli

Als eine von vielen Kneipen auf St. Pauli musste der Elbschlosskeller aufgrund der Corona-Pandemie schließen. Über 70 Jahre war sie Tag und Nacht für jeden geöffnet gewesen: Für den Obdachlosen, der sich aufwärmen wollte, für das Partyvolk, Tänzer und Sexarbeiterinnen.

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Daniel Schmidt ist der Wirt des Elbschlosskellers. Der 35-Jährige setzt sich schon seit Jahren für Hamburgs Obdachlose ein.

Foto:

Quandt

Während des ersten Lockdowns verwandelte Wirt Daniel Schmidt die Kneipe dann unter dem Motto „Wer, wenn nicht wir“ in eine Suppenküche und Kleiderkammer gleichzeitig. „Die Schwächsten in unserer Gesellschaft bekommen derzeit nicht die Hilfe, die sie brauchen“, begründete er damals sein Engagement. Laut eigener Aussage verbrauchte er dabei einen Großteil seiner Ersparnisse und kämpft jetzt um die eigene Existenz. Viele andere Hamburger haben für die Ärmsten der Armen, für Nachbarn und Benachteiligte, großartiges geleistet. 

Viele Helden, eine Branche: Das Pflegepersonal 

Die Pflegekräfte gehören unumstritten zu den größten Helden in dieser Corona-Pandemie. Stellvertretend für sie warnte das Pflegepersonal der Asklepios-Klinik Harburg Ende März: „Wir bleiben hier für euch. Bleibt ihr zu Hause für uns“.

Pflegekräfte der Asklepios-Klinik Harburg baten Ende März die Hamburger, zu Hause zu bleiben.

Pflegekräfte der Asklepios-Klinik Harburg baten Ende März die Hamburger, zu Hause zu bleiben.

Foto:

Florian Quandt

Die Aktion, mit der Pflege- und Rettungskräfte im Internet auftraten, sollte helfen die Menschen dafür zu sensibilisieren, das Risiko der Corona-Infektion nicht auf die leichte Schulter zu nehmen und überfüllte Kliniken zu vermeiden. Und obwohl schon über sieben Monate alt, ist der Appell von damals immer noch brandaktuell. Die Corona-Krise hat gezeigt, wie wichtig das Klinik-Personal ist – und wie schlecht mitunter die Arbeitsbedingungen sind.

Jonas Schmidt-Chanasit: Virologe am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM)

Nachdem Jonas Schmidt-Chanasit Anfang des Jahres aus Thailand zurückkam, wurde der Virologe vom Vorstand des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin (BNITM) auf St. Pauli zum Verantwortlichen bestimmt, um sich um die sich häufenden Presseanfragen zum Coronavirus zu kümmern. Damit trat er ins mediale Rampenlicht und gab Interviews für TV-Sender, Radios und Zeitungen, war immer öfter auch in Talkshows zu Gast, um Aufklärungsarbeit zum Virus zu leisten.

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Ist zum Corona-Sprecher des Tropeninstituts geworden: Professor Jonas Schmidt-Chanasit

Foto:

Florian Quandt

Besonders in Erinnerung geblieben ist das Engagement für den Kiez, wo das Institut auch beheimatet ist. Unter anderem bot das BNITM schnelle und einfache Testmöglichkeiten für sowohl Theater-Intendanten als auch die Frauen in der Herbertstraße an. Schmidt-Chanasit hat sich immer wieder dafür eingesetzt, Strategien zu entwickeln, um die Einschränkungen bei höchstmöglicher Sicherheit zu lockern. Ihm war es in diesem Jahr wichtig, Perspektiven für leidende Branchen und Bereiche zu geben, hierfür machte er immer wieder Vorschläge.

Peter Tschentscher: Erster Bürgermeister von Hamburg

Anfang des Jahres startete Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) in seine zweite Amtszeit in der Hansestadt. Vor der Corona-Krise kannte ihn außerhalb der Stadt allerdings kaum jemand oder hatte nur mal seinen Namen gehört. Das änderte sich mit dem Virus: Auf einmal war Tschentscher in allen Kanälen unterwegs und erklärte in TV-Sendungen, wie „Anne Will“, „Maybrit Illner“ und „Markus Lanz“ die Corona-Strategien – deutlich häufiger als seine Ministerpräsidenten-Kollegen.

Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (Archivbild)).

Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher.

Foto:

dpa

Das mag auch an seinem Background liegen: Tschentscher hat einen Doktor in Medizin und war früher als Labormediziner tätig und erklärte unaufgeregt und sachlich die notwendigen Maßnahmen. Auch wenn man einiges an der Arbeit des Senats kritisieren kann: Tschentscher schätzte die Gefahren einer 2. Welle früh korrekt ein, die Kontaktregeln blieben in Hamburg den ganzen Sommer über strenger als im Rest der Republik und wurden früher weiter verschärft. Auch deshalb stand Hamburg zuletzt besser da als fast alle anderen Großstädte.

Markus Lanz: Talk-Show-Moderator in Hamburg

Markus Lanz´Talkshow gilt als TV-Gewinner in der Corona-Krise. Kritiker überhäuften ihn mit Lob über seine vielen Sendungen zu Corona-Krise. Laut ZDF hatte die Show in diesem Jahr einen Marktanteil von 14,8 Prozent – das Online-Angebot erreichte bei 18,46 Millionen Sichtungen ein Plus von stolzen 85 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

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Markus Lanz und seine Gäste moderierten uns 2020 durch die Corona-Krise.

Foto:

dpa/ZDF

Das liegt vor allem an der Art, mit der Markus Lanz dem seine Sendung dominierenden Thema Corona, aber auch seinen Gesprächsgästen selbst begegnete. Der Spiegel lobte Lanz kürzlich wie folgt: „Tief anfliegen, weiche Fragen stellen, menscheln, das zusehends entspannte Opfer mit ans Schmierige grenzenden Liebenswürdigkeiten einlullen – und dann zuschlagen“, während der Branchendienst DWDL.de ihn als „stetigen Fragensteller der Nation“ bezeichnete. Für seinen überzeugenden Auftritt wurde Lanz von der Branchenzeitschrift „Medium Magazin“ sogar zum Journalist des Jahres in der Kategorie Unterhaltung gekürt.

Stefan Kluge: Chef der UKE-Klinik für Intensivmedizin

Der Hamburger Arzt und Leiter der Intensivmedizin am UKE, Stefan Kluge, ist in der Corona-Pandemie oft eine Stimme der Vernunft gewesen und ist sie noch immer. Er warnte bereits im Juni — wie viele seiner Kollegen — vor einer deutlichen Zunahme der Infektionen und damit höheren Belastung der Intensivstationen im Herbst.

Stefan Kluge

Stefan Kluge ist Chef der Intensivmedizin am UKE.

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dpa

Neben seinen ärztlichen Aufgaben und Forschungstätigkeiten ist Kluge an mehreren Studien zur Wirkungsweise und Zerstörungskraft von SARS-CoV-2 und zu den Gegenmaßnahmen beteiligt. Mithilfe der Interviews wolle er mithelfen, die Bevölkerung über den Stand in Sachen Corona zu informieren und die immense Belastung für Ärzte und Pflegekräfte deutlich machen. 

Tim Mälzer: Hamburger Gastronom und TV-Koch

Der Hamburger Gastronom, der unter anderem die „Bullerei“ in der Sternschanze führt, ist in der Corona-Pandemie noch einmal über sich hinaus gewachsen. In mehreren TV-Auftritten machte er unter Tränen auf die Situation der Gastronomie aufmerksam, verfasste Brandbriefe – und hatte trotzdem die Kraft, auch anderen zu helfen.

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Auch Tim Mälzer unterzeichnete den Brandbrief, mit dem die Gastrobranche vergeblich versucht hat, die Politik von einem Lockdown abzubringen.

Foto:

picture alliance/dpa

Ende März bereitete er gemeinsam mit anderen Köchen wie Koral Elci (Kitchen Guerilla) im Rahmen des Projekts „Kochen für Helden“ Speisen für Pflegekräfte, Klinikmitarbeiter und Obdachlosenhilfen zu. Im Dezember entwickelte er mit Starkoch Fabio Haebel („XO Seafood Bar“) das „Kehrwiederpaket“, das mit Produkten von über 25 Hamburger Restaurants, Getränkeherstellern und Food-Manufakturen gefüllt ist und unterstützte Hilfsaktionen wie vom „Schrödingers“ im Schanzenpark.

Ein weiteres Engagement, das erwähnt werden muss an dieser Stelle: Die App-Erfinder von „Pay now eat later“, die mit einem Gutscheinsystem binnen kurzer Zeit mehr als eine Million Euro für Restaurants sammeln konnte. 

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