Kindergruppe, Befragung, Warnweste

Auf der Suche nach innovativen Ideen in der Hamburger Innenstadt: Die Kindergruppe des Projektes „Wir entern die Stadt“. Foto: Miguel Ferraz Araújo

„Wir entern die Stadt!“ Diese Warnwesten-Racker haben ein paar Fragen an Sie

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In gelb-grünen Warnwesten ziehen Kinder in dieser Woche durch Hamburg und befragen Passanten zu ihrer Vision einer kinderfreundlichen Stadt – doch dahinter steckt mehr als ein Spiel: Im Projekt „Wir entern die Stadt!“ übernehmen Kinder selbst das Ruder und gestalten ihre eigene Stadt mit Berufen, Ideen und gesellschaftlichem Gespür. Dabei zeigen sie, wie ernst sie es meinen – und dass ihre Perspektiven mehr Beachtung verdienen.

Alle zwei Jahre entsteht in Hamburg ein ganz besonderer Ort: eine Stadt, die nur Kindern gehört. Bis zu 500 Kinder im Alter von 9 bis 15 Jahren gestalten während der Sommerferien im Rahmen eines wechselnden Mottos ihre eigene Stadt – mit allem, was dazugehört. Erwachsene haben dort nur Zutritt, wenn die Kinder es ausdrücklich erlauben.

Lisa Zander, verantwortlich für die künstlerische Leitung, koordiniert über 30 verschiedene Arbeitsbereiche. „Hier können Kinder ihre Ideen frei umsetzen und ihre Stärken entdecken“, sagt sie. In der Kinderstadt arbeiten die Teilnehmenden in unterschiedlichsten Berufen, lösen Alltagsprobleme und erleben eine Gemeinschaft, in der ihre Stimmen zählen.

Wie im realen Leben: Auch in der Kinderstadt gibt es ein Arbeitsamt, wo die Kinder nach Beschäftigungen fragen können. joshua vogler
Arbeitsamt, Kinderstadt
Wie im realen Leben: Auch in der Kinderstadt gibt es ein Arbeitsamt, wo die Kinder nach Beschäftigungen fragen können.

Die Stadt soll möglichst realitätsnah gestaltet sein – inklusive Herausforderungen, die auch die echte Welt betreffen. „Wir bilden zum Beispiel Streitschlichter aus, die Konflikte unter den Kindern eigenverantwortlich lösen“, erklärt Zander. So erleben die jungen Stadtbewohner auf spielerische Weise demokratische Strukturen und gesellschaftliches Miteinander.

Die Kinderstadt 2024 fand auf dem „PARKS“-Gelände in Hammerbrook statt. Dort gab es neben einem Arbeitsamt auch eine eigene Währung, einen Stadtplan, Medienwerkstätten, Handwerksbetriebe – und jede Menge Raum für Kreativität.

„Wir entern die Stadt“ ist für alle Kinder kostenlos

„Kinder haben ein feines Gespür für gesellschaftliche Themen – zum Beispiel, wenn es um Wohnraummangel geht“, betont Wibke Kähler-Siemssen, Geschäftsführerin der „patriotischen Gesellschaft von 1765“. Der traditionsreiche Verein fördert seit über 250 Jahren Bildung und bürgerschaftliches Engagement in Hamburg. Gemeinsam mit dem Verein „dock europe e. V., der die sozialpädagogische Begleitung übernimmt, entstand 2021 das Projekt „Wir entern die Stadt“. Die Teilnahme ist für die Kinder kostenlos, das Projekt wird durch staatliche Förderungen und Spenden finanziert.

Suna Voß von „dock europe“ begleitet das Projekt als Sozialpädagogin. Für sie steht fest: „Die Kinderstadt soll ein freier Raum sein, in dem Kinder selbst Entscheidungen treffen und Verantwortung übernehmen.“ Erwachsene treten bewusst in den Hintergrund. „Das Projekt soll Spaß machen – nicht wie Schule wirken.“

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Und was sagen die Kinder? Die Resonanz ist durchweg positiv. „Ich bin schon zum zweiten Mal dabei“, erzählt Ida (11). „Man kann hier so viel ausprobieren und findet schnell neue Freunde.“ Auch Maja (12) ist begeistert: „Letztes Jahr habe ich tätowiert und Kindern geholfen, die noch kein Deutsch konnten – das war richtig cool!“

Im Sommer der ungeraden Jahre wird geplant. In dieser Woche überlegen Kinder gemeinsam, wie die nächste Stadt aussehen soll, führen Umfragen durch und bauen Modelle. Dabei geht es auch um echte Orte in Hamburg, die sie kinderfreundlicher gestalten wollen. „Viel zu oft werden Kinderideen als unrealistisch abgetan“, kritisiert Kähler-Siemssen. „Dabei zeigen sie oft überraschend kreative und praktische Lösungen.“ Wer in nächster Zeit also Kindern in Warnwesten begegnet, die nach Verbesserungsvorschlägen für verschiedene Orte fragen – vielleicht ist es an der Zeit, dem inneren Kind wieder zuzuhören.

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