Die Hamburger „Kackfluencerin“: Ihr Darm hat zehntausende Fans
Karina Spiess (25) ist hübsch und modebewusst, postet Selfies, Urlaubsfotos und Schnappschüsse mit Hund und Freund auf Instagram. Eine von vielen, könnte man denken. Doch eines unterscheidet die Hamburgerin ganz gewaltig von anderen Influencern: Sie spricht offen ihre Darmprobleme und scheut dabei nicht vor derber Wortwahl zurück. Im Gespräch mit der MOPO hat sie erzählt, warum das so gut ankommt – und von wem sie Gegenwind erfährt.
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Karina Spiess (25) ist hübsch und modebewusst, postet Selfies, Urlaubsfotos und Schnappschüsse mit Hund und Freund auf Instagram. Eine von vielen, könnte man denken. Doch eines unterscheidet die Hamburgerin ganz gewaltig von anderen Influencern: Sie spricht offen ihre Darmprobleme und scheut dabei nicht vor derber Wortwahl zurück. Im Gespräch mit der MOPO hat sie erzählt, warum das so gut ankommt – und von wem sie Gegenwind erfährt.
Alles begann, als „Kiki“, wie sich Karina Spiess auf Instagram nennt, 15 Jahre alt war. „Bei einem Schüleraustausch in Amerika haben sich starke Darmprobleme entwickelt“, berichtet die 25-Jährige. „Ich wurde dann von Kopf bis Fuß durchgecheckt, doch die Ärzte haben nichts gefunden.“ Sie brach das Auslandsjahr ab. Deutsche Ärzte stellten die Ausschlussdiagnose „Reizdarm“: Eine Erkrankung, die mit chronischen Durchfällen, Blähungen und Krämpfen einhergeht.
Karina Spiess aus Hamburg ist die erste „Kackfluencerin“
Ab diesem Zeitpunkt veränderte sich das Leben von Karinas Spiess. Aus Angst vor plötzlichen „Durchfallsessions“, wie sie es nennt, meidet sie Orte mit vielen Menschen oder solche, an denen keine Toilette in der Nähe ist. „Ich fahre nicht mehr Bus und Bahn“, sagt die 25-Jährige. „Ich gehe nicht auf Festivals oder in Restaurants und ins HSV-Stadion muss mein Freund auch allein. Sogar bevor ich mit dem Hund spazieren gehe, höre ich lange in mich hinein, ob der Darm auch wirklich ruhig ist.“
Die Entscheidung für ihr „Outing“ auf Instagram fiel vor eineinhalb Jahren. „Ich kenne keinen Influencer, der offen übers Kacken oder Darmprobleme spricht“, sagt sie. „Von Freunden und Bekannten habe ich durchweg positive Rückmeldungen bekommen. Sie konnten endlich verstehen, warum ich häufig Verabredungen absage oder so selten in der Uni war.“
Auch aus ihrer wachsenden Online-Community erfährt die 25-Jährige fast nur Zuspruch, sie bezeichnet sich mittlerweile als „Kackfluencerin“. „Es tut gut zu erfahren, dass man nicht alleine ist. Es leiden nämlich viel mehr Leute unter Darmproblemen, als man vielleicht denkt. Auf Instagram und in meinen Facebook-Gruppen geben wir uns gegenseitig Tipps, das ist total wertvoll“, sagt Karina Spiess. Mittlerweile hat die Hamburgerin fast 67.000 Follower – Tendenz steigend.
Sexistische Kommentare: „Schöne Frauen kacken nicht!“
Doch die Rückmeldungen sind nicht nur positiv. Gegenwind gebe es vor allem von Männern. „Die Kommentare sind teilweise richtig sexistisch“, sagt die 25-Jährige. Einer schrieb zum Beispiel: „Das Schlimme ist, jede wird genagelt – gibt immer einen, der Not oder Druck hat.“ Andere: „Das ist ja ekelhaft“ oder „Schöne Frauen kacken nicht“.
„Ich freue mich, dass ich genau diesem Vorurteil entgegentreten kann“, sagt „Kiki“ selbstbewusst. „Männer dürfen öffentlich furzen und übers Kacken reden. Auch Frauen haben diese Bedürfnisse. Deshalb sehe ich meine Arbeit auch als Feminismus.“
Für andere Reizdarm-Betroffene hat sie drei Tipps: „Geht offen damit um! Notlügen und Ausreden sind für Freundschaften viel gefährlicher als die Wahrheit. Sucht euch Menschen, denen es ähnlich geht! Zum Beispiel Social Media oder in Selbsthilfegruppen. Und probiert mal die Low-FODMAP-Diät aus – eine spezielle Reizdarmdiät, zu der euch ein Ernährungsberater mehr erzählen kann.“
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Im Dezember hat Karina Spiess ihr Studium der Sozialökonomie abgeschlossen, seitdem ist sie hauptberuflich „Kackfluencerin“. Und will damit noch lange nicht aufhören, denn: „Es muss viel mehr übers Kacken gesprochen werden!“