Politisches Störfeuer: Hamburgs grüne Quertreiber
Zuerst erwischte es Schulsenator Ties Rabe (SPD). Mitte September zerriss die schulpolitische Sprecherin der Grünen-Bürgerschaftsfraktion, Ivy May Müller, seine Bildungsplan-Entwürfe öffentlich. Nachdem Müller die Erstellung der Rahmenvorgaben für die Schulen über Monate mitgestaltet, das weitere Plan-Verfahren abgenickt hatte, wechselte die 25-jährige mal kurz in den Oppositionsmodus.
Zuerst erwischte es Schulsenator Ties Rabe (SPD). Mitte September zerriss die schulpolitische Sprecherin der Grünen-Bürgerschaftsfraktion, Ivy May Müller, seine Bildungsplan-Entwürfe öffentlich. Nachdem Müller die Erstellung der Rahmenvorgaben für die Schulen über Monate mitgestaltet, das weitere Plan-Verfahren abgenickt hatte, wechselte die 25-jährige mal kurz in den Oppositionsmodus.
Rabes Entwürfe bräuchten „grundlegende Änderungen“ und „strukturelle Nachbesserungen“. Rabe, der für seine Pläne schon viel Prügel hatte hinnehmen müssen, zeigte sich „not amused“ (dt. nicht amüsiert) darüber, dass ihm nun auch noch der Koalitionspartner in den Rücken fiel.
Eine Woche später war dann Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) an der Reihe. Rosa Domm, mit 23 Jahren jüngste Abgeordnete der Grünen-Fraktion, forderte die Verschärfung der Hamburger Klimaziele, ohne das zuvor mit der Behördenspitze detailliert abgestimmt zu haben.
Hamburg: Die Reaktionen auf Rosa Domms überraschende Forderungen
Kerstan blieb zwar gelassen, doch andere führende Behörden-Mitarbeiter reagierten extrem genervt. Als sei es nicht schon mühevoll genug gewesen, sich mit der SPD auf klimapolitische Zielvorgaben zu einigen, stellte nun auch noch die eigene Fraktion diese mal eben mit einem kühnen Federstrich infrage. Auch die SPD reagierte verschnupft, CDU und Linke lachten sich ins Fäustchen und in der Umweltbehörde kursierte der Satz: „Wer eine solche Regierungsfraktion hat, braucht keine Opposition mehr.“
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Regierung und Opposition zugleich! Wo aus den mit den Grünen verbundenen Verbänden und Bewegungen der Druck aufgebaut wird, Rot-Grün könnte ambitioniertere Politik machen, versuchen sich einige Grünen-Abgeordnete als Treiber – denn das bringt Punkte an der Basis.
„Sofern wichtige Entwicklungen aus unserer Sicht zu langsam vorangetrieben werden oder sie in eine Richtung gehen, die wir so nicht unterstützen, liegt es in unserer Verantwortung, (…) dafür zu sorgen, dass sich etwas ändert“, formuliert Fraktionschefin Jenny Jasberg das Selbstverständnis der Bürgerschaftstruppe. Den Attacken gegen die beiden Senatoren gibt sie volle Rückendeckung. Dass die Kritik an Rabe und Parteifreund Kerstan öffentlich erfolgte, ist für sie ein Zeichen der „Transparenz“.
„In der Grünen-Fraktion will keiner Verantwortung für unpopuläre Entscheidungen übernehmen“
Der Koalitionspartner bewertet die Alleingänge anders: „In der Grünen-Fraktion wollen viele nur die netten Sachen machen, aber keine Verantwortung für unpopuläre Entscheidungen übernehmen“, ärgert sich ein SPD-Bürgerschaftsabgeordneter. Die aktuelle, sehr junge grüne Truppe sei „politisch extrem unerfahren und ohne Disziplin“. Ständig gebe es „Störgeräusche aus der Grünen-Fraktion, etwa Bürgerschaftsreden mit unabgesprochenen Inhalten.“ SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf müsse da schon „im Vorfeld viel wegbügeln“.
In der Grünen-Fraktion, so betonen mehrere SPDler:innen, gebe es derzeit keine klare Führung. Eine SPD-Abgeordnete macht das an dem schwachen Rückhalt fest, den das Führungsduo Jenny Jasberg und Dominik Lorenzen habe. 2020 und auch 2022 verfehlten beide jeweils die 70-Prozent-Marke bei ihrer Wahl zum Fraktionsvorsitz. „Die wollen es sich mit niemand verscherzen, lassen deshalb die Zügel locker und nennen es dann Beinfreiheit für ihre Abgeordneten“, so die SPD-Frau. Da hätten einige Abgeordnete die „Lust am politischen Foulspiel“ entwickelt. „Einige Abgeordnete der Grünen haben kein Problem damit, auch Parteifreunde wegzuräumen“, hat ein SPD-Funktionär beobachtet: Ihre „Liebe zu den eigenen Senator:innen ist sehr überschaubar“.
Koalitionspartner genervt von den „jungen Wilden der Grünen“
Aus der Umweltbehörde heraus heißt es, die Fraktion habe „ihre Rolle nicht verstanden und schade den grünen Zielen“. Der Koalitionspartner hingegen ist von den jungen Wilden der Grünen-Fraktion „immer mal wieder genervt, ohne dass deshalb gleich die Koalition gefährdet sei“ – so ein SPD-Fraktionsmitglied. Die Geduld aber ist begrenzt: „Wenn die Grünen es auf die Spitze treiben, stecken wir mal den Medien, was in den grün geführten Behörden alles schiefläuft“, droht ein führender Sozialdemokrat hinter vorgehaltener Hand.