• Da waren sie noch ganz vertraut: Bürgermeister Ole von Beust (r.) und Skandal-Senator Schill (l.) am 6. Februar 2002 im Rathaus. Später erpresste Schill von Beust mit einem angeblichen Verhältnis.
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Die größten Skandale in Hamburg: Diese 25 Affären sorgten für Empörung!

Der „Stern“-Chefredakteur kündigte 1983 großspurig an, die NS-Geschichte müsse neu geschrieben werden – und wurde dann ganz kleinlaut, als der Schwindel mit den Hitler-Tagebüchern aufflog. 1919 löste Sülze Unruhen aus. Und 2010 musste ein Bürgerschaftspräsident gehen – es ging um Glatteis. Die Geschichte Hamburgs ist reich an Skandalen. Die 25 legendärsten haben wir zusammengetragen.

Roger Kuschs Todesmaschine

Kusch

Der ehemalige Hamburger Jus­tiz­se­na­tor Roger Kusch führt am 28.03.2008 auf einer Pres­se­kon­fe­renz seine „Selbst­tö­tungs­ma­schi­ne“ vor.

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Ganz Hamburg fragt sich damals: Was ist nur mit diesem Mann los? Roger Kusch – als Justizsenator zwischen 2001 und 2006 für Recht und Ordnung zuständig – gibt 2008 öffentlich bekannt, einer 79-jährigen Frau beim Suizid assistiert zu haben. Später präsentiert „Dr. Tod“ eine Tötungsmaschine, die Sterbewilligen dabei helfen soll, ins Jenseits zu kommen. Als Kusch 2008 auf einer Internetseite gewerbsmäßig „Sterbebegleitung“ anbietet und dafür Kosten von 8000 Euro veranschlagt, schreitet die Innenbehörde ein. 

„Sir Henry“, der falsche Oberst

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Hoch­stap­ler Henry Randmark mit einer Uni­formjacke, die ihn als Colonel der US-​Streit­kräfte ausweisen soll.

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Viele Jahre lang verkehrt er in Hamburgs High Society, ist auf Empfängen der feinen Gesellschaft ein gern gesehener Gast und geht im US-Generalkonsulat ein und aus. Die Rede ist vom Hamburger Unternehmer „Sir“ Henry Randmark, dem Besitzer einer Fassadenreinigungsfirma. Der hat stets von sich behauptet, Oberst der US-Armee und Vietnam-Veteran zu sein. Doch dann wird ihm 2002 ein Foto, auf dem er in einer ordengeschmückten US-Uniform posiert, zum Verhängnis. Die MOPO deckt auf, dass Randmark nie US-Soldat war und dass ihm die Auszeichnungen, die er stolz an seiner Uniform trägt, nie verliehen worden sind. Schlimmer noch: Randmark hat wegen Betrugs vor Gericht gestanden. Als das rauskommt, wird „Sir Henry“ in Hamburg nur noch als „Baron Münchhausen“ oder „Hauptmann von Köpenick“ verspottet. Die feine Gesellschaft kehrt ihm den Rücken zu.

Nevermanns „schlimme“ Liaison

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Die Queen Elizabeth II. bei ihrem Hamburg-Besuch 1965 neben Bürgermeister Paul Nevermann (rechts).

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Im Mai 1965 besucht Queen Elizabeth II. Hamburg – ein „Staatsbesuch des Jahrhunderts“, wie die Zeitungen schreiben. Ein winziges Detail am Rande, von dem die Weltöffentlichkeit kaum Notiz nimmt, wird in der Hansestadt zu einem Skandal. Als Bürgermeister Paul Nevermann (SPD) die Queen im Rathaus begrüßt, steht nicht, wie es das strenge Protokoll eigentlich verlangt, die Ehefrau an seiner Seite. Als „First Lady“ ist Ilse Engelhard, die Frau des Zweiten Bürgermeisters, eingesprungen. Daraufhin berichten Springer-Zeitungen über eine Affäre des Bürgermeisters mit einer 42-jährigen Industriellengattin. Als die SPD ihm die Pistole auf die Brust setzt, entscheidet sich der Bürgermeister für die Liebe und gegen das Amt. Am Tag nach seinem Rücktritt quillt sein Amtszimmer über vor Blumen. Die Hamburger zollen ihm Respekt für diese Entscheidung.

„Glatteis-Röder“ tritt zurück

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Auf diesem äußerst geräumten Gehweg rutschte der Hamburger Bürgerschaftspräsident Berndt Röder im Jahre 2010 in der so genannten Glatteisaffäre aus.

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Im Februar 2010 hat der Winter Hamburg fest im Griff. Fast alle Nebenstraßen sind unter einem Eispanzer verschwunden. Alle? Nein, eine kleine Seitenstraße in Groß Borstel wird von der Stadtreinigung fein säuberlich vom Eis befreit und abgestreut. Warum das so ist, enthüllt damals die MOPO: In der fraglichen Straße wohnt nämlich der damalige Bürgerschaftspräsident Berndt Röder (CDU), und der hat bei der Stadtreinigung seine ganze Autorität in die Waagschale geworfen und eine Sonderbehandlung verlangt. Als die MOPO ihn konfrontiert, bestreitet Röder zunächst alles. Schließlich muss er sein Amt räumen. Seither hat der Mann seinen Spitznamen weg: „Glatteis-Röder“.

Die toten Kinder von Hamburg

Mit Jessica fängt es 2007 an. Die Siebenjährige wird von ihren Eltern wie eine Gefangene gehalten: die Tür zum Kinderzimmer ist versperrt, die Fenster abgedunkelt. Zu essen bekommt das Kind offenbar selten etwas. Als es an Unterernährung stirbt, wiegt es nur noch 7,5 Kilo. Eine furchtbare Tragödie. Aber es bleibt kein Einzelfall. Jessica ist vielmehr der Beginn einer Serie: Immer wieder kommen in Hamburg Kinder durch Misshandlung oder Verwahrlosung zu Tode. Und immer wieder müssen sich Jugendämter den Vorwurf gefallen lassen, nichts oder nicht genug unternommen zu haben: Im März 2009 stirbt die neun Monate alte Lara-Mia – ebenfalls an Unterernährung. Im Januar 2012 kommt die elfjährige Chantal, die mit Wissen der Behörden von drogensüchtigen Pflegeeltern betreut wird, durch eine Überdosis Methadon ums Leben …

Als am 18. Dezember 2013 auch noch Yagmur (3) stirbt – und zwar offenbar infolge von Schlägen und Tritten – zieht die Politik drastische Konsequenzen: Das Jugendhilfesystem in Hamburg wird komplett neu strukturiert. Dennoch passiert es exakt zwei Jahre nach Yagmurs Tod wieder: Am 18. Dezember 2015 stirbt der erst 12 Monate alte Tayler – er wurde zu heftig geschüttelt.

Der Theater-Skandal

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In der Vergangenheit immer für einen Skandal gut: Die Schauspielerin Eva Mattes als „Tatort“-Kommissarin Klara Blum.

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Eva Mattes – jeder „Tatort“-Fan kennt sie als Kommissarin Klara Blum vom Bodensee, eine Rolle, die Mattes bis 2016 spielte. Nur die Älteren wissen, dass die Schauspielerin   in ihrem Leben schon  für so manchen Eklat sorgte – vor allem mit Nacktrollen in den 70er Jahren. Auch in den größten deutschen Theater-Skandal  ist Eva Mattes verwickelt: Sie wirkt 1976 in Peter Zadeks „Othello“-Inszenierung am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg mit. Ihre Rolle ist die der Desdemona, die von einem wild gewordenen Othello nackt über die Bühne geschleift, ermordet  und  schließlich an einer Wäscheleine aufgehängt wird. Danach tobt 40 Minuten lang der Zuschauerraum – aber nicht vor Freude.

Eva Mattes zieht den Ärger offenbar an: 1970, also sechs Jahre vor „Othello“, hat die damals 15-Jährige die Hauptrolle in dem Antikriegsfilm  „.o.k.“ gespielt, in dem gezeigt wird, wie ein US-Soldat eine junge Vietnamesin vergewaltigt. Bei den Berliner Filmfestspielen sorgt der Streifen  für einen solchen Skandal, dass die Berlinale zum ersten und bisher einzigen Male abgebrochen wird.  Allerdings hat Eva Mattes die Rolle so gut gespielt, dass sie dafür im Jahr darauf den Bundesfilmpreis in Gold erhält.

Die Hitler-Tagebücher

Konrad Kujau

Fälscher Konrad Kujau 1985 mit den vermeintlichen Tagebüchern von Adolf Hitler.

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„Hitlers Tagebücher entdeckt“, so titelt der „Stern“ am 28. April 1983, und im Editorial schreibt Chefredakteur Peter Koch hochtrabend: „Die Geschichte des Dritten Reiches muss teilweise neu geschrieben werden.“ Doch schon zwei Wochen später fliegt der ganze Schwindel auf: Weil Historiker Andreas Hillgruber Zweifel an der Authentizität der Tagebücher äußert, lässt der Verlag Gruner+Jahr eine chemisch-physikalische Echtheitsprüfung durchführen. Das Ergebnis: Für das Papier wurden Weißmacher verwendet, die es erst seit den 50er Jahren gibt. Gerd Heidemann (Foto o.), der die falschen Hitler-Tagebücher „entdeckt“ hat, wird gefeuert und später zu vier Jahren und acht Monaten Gefängnis verurteilt. Konrad Kujau, der Fälscher, kommt mit viereinhalb Jahren Haft davon. Für  Gruner+Jahr ist die Geschichte eine furchtbare Blamage. Und teuer: Neun Millionen Mark hat der Verlag für die  Bücher gezahlt.

Mathias Rust landet auf dem Roten Platz

Rust

Mathias Rust wird am 2. September 1987 in Moskau der Prozess gemacht.

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Es ist der Abend des 28. Mai 1987, als sich die ganze Welt die Augen reibt. Ein gewisser Mathias Rust, ein 18-jähriger Schüler aus Wedel bei Hamburg, landet mit seiner Cessna 172 P in Moskau. Und zwar mitten auf dem Roten Platz. Die sowjetische Luftabwehr hat völlig versagt und nichts von dem Eindringling mitbekommen. Deshalb schickt Generalsekretär Gorbatschow den Verteidigungsminister und mehrere Generäle in die Wüste. Nach 14 Monaten Haft kommt Rust frei. Anfangs gilt er in der deutschen Öffentlichkeit als tollkühner Flieger, aber bald wird klar:  Mit dem Kerl stimmt was nicht.  Rust sticht eine Krankenschwester nieder, klaut im Kaufhaus, lügt und betrügt. Zuletzt macht er 2011 von sich reden, als er sich unter falschem Namen zum Yoga-Lehrer ausbilden lässt, aber die Kursgebühren schuldig bleibt.

Boehringer, die Dioxin-Schleuder

H.C. Boehringer in Billbrook – die Fabrik des Todes. Mit dem Namen dieses Chemiewerks ist einer der größten Umweltskandale Hamburgs verbunden: Das Werk stellt   vor allem Lindan her, ein hochgiftiges Pestizid gegen Schädlinge. Wichtigster Grundstoff: Hexachlor-Cyclohexan (HCH), bei dessen Verbrennung  Dioxine entstehen. 1984 kommt ans Licht, dass nicht nur das Werksgelände verseucht ist, sondern auch zwei Deponien, eine auf der Veddel, eine in Georgswerder, wo die Firma jahrzehntelang ihr Gift entsorgt hat. Am  18. Juni 1984 wird das Werk geschlossen – zu spät für 1600 Arbeiter und Angestellte, von denen viele an  Krebs, Nervenleiden und Nierenschäden erkranken.

Guerreros Flaschenwurf

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Unglaublich: Der Ex-Hamburger Paolo Guerrero wirft 2010 einem Fan seine Trinkflasche mit voller Wucht gegen den Kopf.

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Ein Sonntag im April 2010. Tatort: die HSV-Arena. Nach dem mageren 0:0 gegen Hannover entlädt sich der Fan-Frust: Die Spieler ernten Pfiffe, als sie das Spielfeld verlassen. Und einem gehen die Nerven durch: HSV-Star Paolo Guerrero. Er rastet völlig aus: Der Peruaner   ist schon fast im Kabinengang, als ihn ein Fan anbrüllt. Angeblich fallen Worte wie „Arschloch“ oder „Du spielst scheiße!“ Guerrero nimmt daraufhin seine Trinkflasche  und feuert sie in Richtung Tribüne! Sekundenbruchteile später trifft sie den Fan am Kopf, der sich vor Schmerz wegdreht. Die Sache kommt Guerrero teuer zu stehen: Nicht nur sein Verein belegt ihn mit einer Strafe, auch die Staatsanwaltschaft. Er muss 100.000 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung zahlen.

Der Becherwurf von St. Pauli

Schwarzer Tag für den FC St. Pauli: Schiedsrichter Deniz Aytekin bricht am 1. April 2011 das Bundesliga-Spiel gegen den FC Schalke 04  in der 88. Minute ab. er Grund: Ein voller Bierbecher aus Plastik hat Schiedsrichter-Assistent Thorsten Schiffner  im Nackenbereich getroffen. Das DFB-Sportgericht wertet das Spiel später als 2:0-Sieg für Schalke. Begründung: Ein Verein sei für das Verhalten seiner Fans verantwortlich. Die Geschichte hat noch ein juristisches Nachspiel, denn der mutmaßliche Becherwerfer wird identifiziert: Der 49-jährige Stefan H., der in erster Instanz zu einer Geldstrafe auf Bewährung verurteilt worden ist, wird   im Juni 2014 vom Landgericht Hamburg aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Zeugen haben sich zuvor widersprüchlich geäußert. Einer hat zwar gesehen, wie H. einen Becher warf, aber nicht, wen er damit traf. Der andere sah, wie der Schiedsrichter getroffen wurde, aber nicht, woher der Becher kam.

Die „Spiegel“-Affäre

Augstein

Spiegel-Herausgeber Rudolf Augstein (l.) verlässt nach der Aufhebung des Haftbefehls gegen ihn am 7. Februar 1963 in einem Auto den Bundesgerichtshof in Karlsruhe.

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Es ist der Abend des 26. Oktober 1962. Mit einem Mal wird es hektisch am Speersort. Etliche Streifenwagen fahren vor dem Pressehaus vor. Anschließend stürmen Polizisten die Redaktionsräume des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“. Später werden Chefredakteur Rudolf Augstein und Chefreporter Conrad Ahlers in U-Haft genommen. Der Vorwurf: Landesverrat. In einem Artikel hat  Ahlers darüber berichtet, dass die Bundeswehr mit konventionellen Waffen nicht in der Lage wäre, einem Angriff des Warschauer Paktes zu trotzen. Bundesverteidigungsminister Franz Josef Strauß (CSU) schäumt vor Wut und sinnt auf Rache. Womit die Adenauer-Regierung jedoch nicht gerechnet hat: dass die Aktion gegen den „Spiegel“   zu landesweiten Protesten führt. Am Ende ist es  Strauß, der den Kürzeren zieht: Während Augstein nach 103 Tagen Haft auf freien Fuß gesetzt wird, muss der stiernackige Bayer seinen Abschied nehmen.

HSV-Trainer volltrunken

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HSV-Trainer und „tragische Figur“: Branko Zebec.

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Er ist ein vom Fußball besessener Mann, gilt als strenger Fußballlehrer, als Diktator. Die Rede ist von Branko Zebec. Der einstige jugoslawische Nationalspieler trainiert Bayern München und Eintracht Braunschweig und läutet 1979, als er mit dem HSV auf Aufhieb Deutscher Meister wird, die Erfolgsjahre des Hamburger Clubs ein. Doch Zebec hat eine Schwäche: den Alkohol. Einmal verpasst er den Mannschaftsbus und will mit dem Auto hinterherfahren, als die Polizei ihn  anhält und ihn blasen lässt. Das Ergebnis: 3,25 Promille. Zebec’s Alkoholkrankheit lässt sich spätestens ab dem 19. April 1980 nicht mehr verheimlichen: An diesem Tag tritt der HSV im Westfalenstadion gegen   Borussia Dortmund an. Zebec sitzt während der ersten Minuten zusammengesunken und randvoll auf der Bank. Die zweite Halbzeit verschläft er im Mannschaftsbus.   Danach dauert es nur noch ein paar Monate, bis HSV-Manager Günter Netzer die Reißleine zieht: Der Verein trennt sich von Zebec, der acht Jahre später  an den Folgen seines Alkoholmissbrauchs stirbt.

Bernbeck-Skandal

„Chefarzt operierte uns zu Krüppeln“ – kaum eine MOPO-Schlagzeile  hat je für so viel Wirbel gesorgt wie die vom 10.1.1984: Fünf junge Menschen erheben  schwerste Vorwürfe gegen einen Mediziner des AK Barmbeks. Dadurch  kommt einer der schlimmsten Fälle von Ärztepfusch in der Geschichte der Bundesrepublik an die Öffentlichkeit: Orthopäde Professor Rupprecht Bernbeck (2.v.l.) hat Patienten über Jahrzehnte als Versuchskaninchen missbraucht, hat unerprobte Behandlungsmethoden an ihnen ausprobiert – mit furchtbaren Folgen. Die Opfer werden mit 30 Millionen Mark entschädigt.

Der Hamburger Kessel

Es sind unruhige Zeiten im Juni 1986. Atomkraftgegner machen mobil gegen das AKW Brokdorf, rufen für den 7. Juni zur Großdemo auf. Auch viele Hamburger wollen daran teilnehmen, werden aber schon   weit vor dem Ziel von der Polizei gestoppt. So kommt es, dass sich am Tag danach auf dem Heiligengeistfeld Menschen versammeln, um für ein „Recht auf Demonstration“ und „gegen Polizeiwillkür“ zu protestieren. Noch bevor sich der Marsch formieren kann, stürmt die Polizei den Platz: 861 Menschen werden umzingelt, für 13 Stunden eingekesselt. Es gibt nichts zu essen, nichts zu trinken, die Menschen dürfen nicht einmal auf die Toilette. Später wird das Hamburger Verwaltungsgericht feststellen, dass der „Hamburger Kessel“ rechtswidrig war.  Bürgermeister Henning Voscherau (SPD) spricht von „staatlicher Geiselnahme“. Vier Polizeidirektoren werden angeklagt. Sie werden der 861-fachen Freiheitsberaubung für schuldig befunden, kommen mit Geldbußen auf Bewährung davon. Ermittlungen gegen Innensenator Rolf Lange werden eingestellt.

Der Rauswurf von Ronald Schill 

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Da waren sie noch ganz vertraut: Bürgermeister Ole von Beust (r.) und Skandal-Senator Schill (l.) am 6. Februar 2002 im Rathaus. Später erpresste Schill von Beust mit einem angeblichen Verhältnis.

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Wie ein begossener Pudel sitzt er da. Die Lippe noch dazu entstellt von Herpes: Innensenator Ronald   Schill am 19.   August 2003 auf einer Pressekonferenz im Rathaus. Soeben hat Bürgermeister Ole von Beust (CDU) ihn seines Amtes enthoben.  Das Ende einer genauso beispiellosen wie peinlichen Politkarriere: Nur zwei Jahre  zuvor hat Schill mit seiner Partei „Rechtsstaatliche Offensive“ aus dem Stand fast 20 Prozent der Stimmen abgeräumt und Ole von Beust zum Bürgermeister gemacht. Schills  Amtszeit ist ein einziger Skandal. Als er aber versucht, den Bürgermeister mit dessen Homosexualität zu erpressen,  ist das Maß voll: Beust feuert ihn.

Der Sülze-Aufstand

Ein Lebensmittelskandal lässt Hamburg 1919 regelrecht  kopfstehen. Alles fängt damit an, dass vor der Sülzefabrik von Jacob Heil in der Kleinen Reichenstraße ein Fass mit Abfällen, das eigentlich zum Abtransport bestimmt ist, am Straßenrand zerbricht. Als Passanten in der breiigen, stinkenden Masse einen Hundekopf entdecken, nimmt das Unheil seinen Lauf: Das Gerücht geht um, Heil habe Hunde und Ratten zu Sülze verarbeitet. In der Bevölkerung, die auch noch ein Jahr nach Ende des Ersten Weltkriegs Hunger leidet, entlädt sich lange aufgestaute Wut.  Am Ende weiß sich Reichswehrminister Karl Noske keinen anderen Rat, als Soldaten nach Hamburg zu schicken. Am 1. Juli marschiert General Paul von Lettow-Vorbeck in der Stadt ein. Sülzefabrikant Heil wird übrigens später wegen Verstoßes gegen das Nahrungsmittelgesetz zu drei Monaten Gefängnis und 1000 Mark Geldstrafe verurteilt.

Tödlicher Brechmittel-Einsatz

Wir schreiben das Jahr 2001: Der Rechtspopulist Ronald Schill, damals besser bekannt als „Richter Gnadenlos“, bekommt immer mehr Zulauf. Vor diesem Hintergrund will der damalige Innensenator Olaf Scholz (SPD) Härte demonstrieren und setzt durch, dass im Kampf gegen Drogendealer Brechmittel eingesetzt werden dürfen.    Am 9. Dezember 2001 kommt es zur Katastrophe: Der Nigerianer Achidi John (23), der bei seiner Festnahme 47 Drogenkügelchen geschluckt hat, wird in die Rechtsmedizin gebracht, wo Ärzte ihm  gewaltsam ein Brechmittel verabreichen. Achidi John gerät in Panik, schreit immer wieder: „I will die, I will die!“ („Ich werde sterben.“) Und genau das passiert dann auch. Ursache: eine Herzerkrankung. 2006 urteilt der Europäische Gerichtshof in Straßburg, Brechmitteleinsätze seien menschenrechtswidrig und ein Verstoß gegen das Folterverbot.

Kinskis TV-Ausraster

Kinski

Er war einer der größten Schauspieler Deutschlands – und trotzdem bleiben den Meisten eher seine legendären Wutausbrüche in Erinnerung: Klaus Kinski 1985 in Hamburg.

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Er ist unvergessen: der genauso wahnsinnige wie geniale Schauspieler Klaus Kinski. Der hat 1985 den frisch abgedrehten Film „Kommando Leopard“ zu promoten und tritt deshalb in der „NDR-Talk-Show“ auf. Dass er tagsüber auf dem Jungfernstieg einen vorüberradelnden Büroboten vermöbelt, ist nur die Ouvertüre für das, was dann vor laufenden Kameras passiert: Er lässt Moderatorin Alida Gundlach wissen, dass sie nur Müll rede – dabei sei er doch nur ihretwegen gekommen. Ob sie denn Strapse trage, will er wissen und greift schließlich beherzt zu. Der Kinski-Ausfall ist bis heute das sicher meistberedete aller NDR-Talk-Show“-Skandälchen, von denen es noch einige gab.

Eva Hermans „Mutterkreuzzug“

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Abgang mit Ansage: Die ehemalige Moderatorin Eva Herman wird 2007 aus der Talkshow „Johannes B. Kerner“ geworfen. Zuvor hatte sie zum wiederholten Male ihre krude Ansichten zum Thema Nationalsozialismus und Adolf Hitler zum Besten gegeben.

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Das gibt es nicht alle Tage im deutschen Fernsehen: 2007 fordert Johannes B. Kerner einen Gast seiner Talkshow mitten in der Sendung auf zu gehen. Es ist die „Tagesschau“-Sprecherin Eva Herman, der vorgeworfen wird, sich   zuvor bei der Vorstellung ihres neuen Buches „Das Prinzip Arche Noah“   lobend über die Familienpolitik Hitlers geäußert  zu haben. Weil sie darauf beharrt, missverständlich zitiert worden zu sein, schickt Kerner sie weg. Für Herman ist der Skandal das Ende ihrer TV-Karriere. Der   NDR trennt sich von ihr: Hermans „Mutterkreuzzug“ beeinflusse die von ihr moderierten Sendungen negativ, lautet die Begründung.

Der UKE-Strahlenskandal

1993 deckt die MOPO erneut einen Medizinskandal auf. Diesmal im Fadenkreuz: der später suspendierte Chefarzt der Strahlentherapie am UKE, Klaus-Henning Hübener. Betroffen sind Patienten, die an Prostata- oder Enddarmkrebs gelitten hatten und zwischen 1986 und 1990 am UKE behandelt worden sind. Hübener soll ihnen  zu hohe Dosen an Strahlung verabreicht haben, was  zu Verbrennungen führte und andere massive Spätfolgen hatte. 323 Patienten melden Schadenersatzansprüche an. Rund 25 Millionen Euro Entschädigungen werden gezahlt.

HSH-Nordbank fast pleite

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War 2009 so ziemlich am Ende: Die HSH Nordbank in Hamburg.

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Im Zuge der Finanzkrise stellt sich 2009 heraus, dass sich auch die HSH Nordbank an dubiosen Spekulationsgeschäften beteiligt hat – und dabei gehörig auf die Nase gefallen ist. Die Bank steht vor der Pleite und ist auf  Geld der Länder Hamburg und Schleswig-Holstein angewiesen. Immer wieder wird die Bank durch Milliarden-Kredite vor dem Konkurs bewahrt und schließlich 2018 an eine US-Investorengruppe verkauft. Seither heißt die HSH-Nordbank Hamburg Commercial Bank. 

Stimmzettelklau bei der SPD

Dieser Diebstahl stürzt die Hamburger SPD in eine ihrer tiefsten Krisen: Im Februar 2007 sollen die Genossen abstimmen, wer als Bürgermeisterkandidat in die Bürgerschaftswahl geht: entweder Mathias Petersen oder Dorothee Stapelfeldt. Aber plötzlich fehlen 1000 Stimmzettel aus der Briefwahl-Urne, die in der Parteizentrale aufbewahrt wird. Petersen ist um seine Wahl betrogen. Wer der Dieb ist, ist bis heute nicht geklärt.

Millionengrab Elbphilharmonie

Sie ist das neue Wahrzeichen Hamburgs, die Elbphilharmonie. Keine Frage: ein einzigartiges Gebäude. Allerdings muss der Steuerzahler dafür auch ganz schön tief in die Tasche greifen, genauer gesagt: zehn Mal tiefer als ursprünglich veranschlagt. Statt 77 Millionen Euro kostete der Bau, der eigentlich 2009 hätte fertig sein sollen, 789 Millionen! Die gigantische Kostenexplosion war auch Gegenstand eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses – ohne Ergebnis. Eingeweiht wurde die Elphi dann im Januar 2017 und ist mittlerweile ein absoluter Touri-Magnet.

Der Stoltzenberg-Skandal

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Ein Sprengstoffexperte im September 1979 auf dem Gelände der Chemiefabrik Hugo Stoltzenberg in Hamburg.

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Am 6. September 1979 erschüttert eine Explosion den Keller des Wohnhauses Lüdersring 137 in Lurup. Der achtjährige Oliver Ludwig stirbt, sein  Bruder Thomas (13) erleidet schwerste Verbrennungen. Der Dritte im Bunde, der zehnjährige Stefan Behrmann (Foto), verliert die rechte Hand. Er erzählt, dass sie auf einem verwahrlosten Gelände in Eidelstedt  Gegenstände gefunden hätten. Die seien in die Luft geflogen, als sie zu Hause damit hantierten… Mit diesem Unglück beginnt einer der größten Umweltskandale in der Geschichte der Stadt: der Stoltzenberg-Skandal. Ein Untersuchungsbericht bringt zutage: Jahrzehntelang hatte die Chemiefabrik  gefährlichste Chemikalien  auf ihrem Werksgelände verbuddelt, statt sie zu entsorgen. Obwohl die Behörden von den Zuständen wussten, unternahmen sie nichts.  Justizsenator Frank Dahrendorf (SPD) nimmt seinen Hut.

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