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  • Die „Jahrtausendglocke“ wiegt fast zehn Tonnen und ist die schwerste Kirchenglocke Norddeutschlands.
  • Foto: Florian Quandt

Die Geheimnisse des Michel: Diese Orte bekommt sonst niemand zu sehen

Neustadt –

Sie sind ein echter, vielleicht sogar gebürtiger Hamburger und glauben, unser Wahrzeichen, den Michel, gut zu kennen? Irrtum! Die MOPO bat Hauptpastor Alexander Röder um eine Spezial-Führung. Begleiten Sie  uns auf einer spannenden Entdeckungsreise zu den Geheimnissen von Sankt Michaelis.

„Treffpunkt ist am Portal 8“, schreibt uns der Pastor. Acht? Wie viele Portale hat der Michel denn? Die Antwort: zehn.

Michel in Hamburg: Das sind die Geheimnisse der Kirche

Die Idee, die Michel-Baumeister Ernst-Georg Sonnin (1713-1794)  hier verwirklichte, war, dass die Menschen aus allen Himmelsrichtungen in die Kirche strömen können. Das Gotteshaus wollte sich öffnen, sowohl für die Bewohner der Neustadt als auch für die Arbeiter, die aus dem Hafen heimwärts strömten. Schon mal das erste Geheimnis gelüftet.

Michel Glocke

Die „Jahrtausendglocke“ wiegt fast zehn Tonnen und ist die schwerste Kirchenglocke Norddeutschlands.

Foto:

Florian Quandt

Doch nun kommt der agile Hauptpastor erst so richtig in Fahrt, wetzt mit den Reportern, die kaum hinterherkommen, eine Wendeltreppe empor, erwähnt beiläufig: „Wendeltreppen sind in Kirchen eine große Seltenheit.“

Holzdecke des Michels wurde durch Betondecke ersetzt

Im Nu sind wir am Dachgewölbe der Kirche. Beim Wiederaufbau nach dem Brand 1906 wurde die Holzdecke durch eine Betondecke ersetzt. Darauf steht eine der größten Stahlkonstruktionen der damaligen Zeit. Die Holzteile, die zusätzlich verwendet wurden, sind teils aus Mahagoni – das ist schwer entflammbar.

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Auf wackeligen Holzstegen kraxeln wir am Dachboden herum, als Röder plötzlich ein Fenster öffnet und wir einen atemberaubenden Blick in den Altarraum bekommen. Der Pastor erläutert: Nur dieses eine Fenster lässt sich öffnen. Die anderen sind „Scheinfenster“, eine Spielerei des Barock.

Blick in den Hamburger Michel

Blick durch das einzige „echte“ Fenster im Dachgewölbe in den Altarraum.

Foto:

Florian Quandt

Wir lernen auch, dass die Decke  gestaltet ist wie ein Barockgarten, eine „Himmelswiese“ sozusagen. Durch ein wunderschön geschwungenes Fenster im Dachstuhl  blicken wir auf das Hafen-Panorama.  Der eiserne Rahmen stammt von 1750 und ist eines der wenigen Teile, die nach dem Brand 1906 noch verwendet werden konnten. Röder duckt sich unter Stahlstreben hindurch, öffnet eine unscheinbare Tür, die zu einem kleinen Zimmer führt.

Orgel im Michel wird durch ein Fernwerk gesteuert

„Voilà, unser Fernwerk“, sagt er. Bitte was? Ein Fernwerk, lernen wir, ist eine versteckte Orgel, die aus „der Ferne“ elektronisch gesteuert wird. In dem engen Dachraum befindet sich ein Schallloch. Durch dieses dringen die Töne in den Kirchenraum. Röder lacht: „Himmlische Klänge, die von oben herabkommen.“

Bei besonderen Anlässen „versteckt“ sich hier oben dann auch eine Sopranistin und singt: „Vom Himmel hoch …“ Vom Dach geht es in den Turm und wir blättern im Gesangbuch  des  Türmers. Das ist voller klitzekleiner Notizen. Der Mann trägt jedes gespielte Stück  penibel ein!

Dachgewölbe Michel

Voller Staubflocken: Der Blick ins Dachgewölbe. 

Foto:

Florian Quandt

Nach den Michel-Geheimnissen „oben“ im Gebäude geht es jetzt in die Tiefe: Und zwar noch tiefer als die Krypta. Pastor Röder öffnet eine stählerne Gittertür und wir sehen uns in ein mittelalterliches Verlies versetzt. Aber Inquisition gab es es doch nur bei der katholischen Kirche!

Das gibt es in der Krypta von St. Michaelis in Hamburg

Röder lacht erneut und erklärt uns geduldig, dass wir uns nun in den „Revisionsgängen“ des Michels befinden. Diese ließ Baumeister Sonnin bei Errichtung des zweiten Michel-Baus 1750 anlegen. Der war nämlich verdammt schwer – und um Statik-Probleme schnell erkennen zu können, ließ der Architekt eben diese Gänge mit den gemauerten Wänden bauen.

Gesangsbuch

Das Gesangbuch des legendären Michel-Türmers. 

Foto:

Florian Quandt

Risse können wir nicht entdecken, aber doch ein großes, offenbar „gestopftes“ Loch. Hier war im Zweiten Weltkrieg eine Bombe eingeschlagen. Der Schaden hielt sich aber in Grenzen.

Hauptpastor Röder

Hauptpastor Alexander Röder (59) am Eingang zu den Revisionsgängen. 

Foto:

Florian Quandt

Kleine Öffnungen im Mauerwerk fallen uns auch auf. Aus denen kommt ein kühler Luftzug. Eine „Klimaanlage“, die mit Öffnungen im Dach verbunden ist, sodass die Luft einmal durch den Bau strömt. Einfach genial. „So schön kühl hier, eigentlich ideal für einen Weinkeller“, scherzt Alexander Röder. Doch Weinflaschen werden hier nicht gelagert, sondern lediglich allerlei Gerätschaften oder verrostete Geländer.

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Fasziniert verweilen wir vor dem fantastisch erhaltenen Mauerwerk, das  den Pastor ein wenig an  ägyptische Pyramiden erinnert. Wir laufen unterirdisch weiter und befinden uns irgendwann schon nicht mehr unter der Kirche, sondern unter der Straße Englische Planke. Eigentlich wäre diese wohl geheimnisvollste Michel-Location ideal für ein „Kolumbarium“ – also eine Urnen-Begräbnisstätte. Pläne dafür gab es, doch wurden sie nie umgesetzt.

Röder wetzt weiter  und aus dem Michel-Keller steigen wir empor in den prächtigen „Herrensaal“. Auf einem Ölbild blickt uns dort ein etwas melancholisch blickender Herr mit Dreispitz und Rüschenhemd  an. Es handelt sich um ein Porträt mit prächtigem Rahmen von Baumeister Ernst-Georg Sonnin. An einer anderen Wand hängt das Ölbild eines Pastors. Name: unbekannt. Dieses Geheimnis muss noch gelüftet werden.

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