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Natallia Dean (l.) und Beate Debold leiten die Pella Sietas Werft in Neuenfelde.
  • Natallia Dean (l.) und Beate Debold leiten die Pella Sietas Werft (Foto vom Oktober 2020)

Die Eisbrecherinnen: Wie zwei Frauen Hamburgs älteste Werft auf Kurs bringen

Neuenfelde –

Das gibt es in ganz Europa kein zweites Mal: Eine Werft, die von einer Frau geführt wird. Bei Hamburgs ältester Traditionswerft Pella Sietas sind sogar gleich zwei Frauen am Ruder. Am Donnerstag haben Natallia Dean und Beate Debold ihr neustes Baby in die Wiege gelegt: ein Baby aus Stahl – den Eisbrecher 1320.

Noch ist von dem Schiff, das einmal der modernste Eisbrecher Russlands sein wird, nicht viel zu sehen. In einer Halle der Pella Sietas Werft in Neuenfelde wird am Donnerstag die Kiellegung gefeiert. Natallia Dean legt eine Zwei-Euro-Münze auf einen Holzblock. Beate Debold eine russische Fünf-Rubel-Münze. Dann wird der an Seilen hängende Kiel auf die Münzen herabgelassen. So wie es seit hunderten von Jahren Tradition ist.

Hamburg: Wie die marode Sietas Werft gerettet wurde

Und doch ist diesmal etwas anders. Die deutsche Glücksbringer-Zeremonie wird um die russische ergänzt: In den Doppelboden des Kiels wird eine Messingplatte geschraubt. Die deutsch-russische Kooperation ist besiegelt. Ohne sie würde es die Sietas Werft nicht mehr geben.

Kiellegung Eisbrecher bei Pella Sietas

Kiellegung bei Pella Sietas: Beate Debold (l.) und  Natallia Dean legen die Münzen unter den Kiel des Eisbrechers. 

Foto:

Quandt/ Florian Quandt

2014 lag die 400 Jahre alte Hamburger Traditionswerft am Boden. Die Finanzkrise hatte ihr den Todesstoß versetzt. Fast alle Mitarbeiter waren entlassen worden. Da tauchte plötzlich Natallia Dean auf. Die gebürtige Belarussin war von der russischen Werft Pella Shipyards mit der Suche nach einem Europa-Standort beauftragt worden. Der Deal war schnell perfekt.

Pella Sietas: Der neue Kurs heißt Spezialschiffe

Seitdem geht es mit dem krisengebeutelten Unternehmen in Neuenfelde nur noch bergauf. Fähren werden hier gebaut, Schwimmbagger, Behördenschiffe, Schwergutschiffe, Offshore-Spezialschiffe, RoRo-Fähren und jetzt als I-Tüpfelchen der hochmoderne Eisbrecher mit der Eisklasse 7, der in der Lage sein wird, 2,5 Meter dicke Eisschichten im Nordpolarmeer zu knacken. Wie hat Dean das geschafft?

Eisbrecher Neubau

So soll der neue Eisbrecher nach Fertigstellung aussehen.

Foto:

Pella Sietas/hfr

„Das war schon eine Meisterleistung von Natallia“, sagt Chief Operation Officer Beate Debold, die erst seit Februar mit an Bord ist und vorher Jahrzehnte bei Blohm+Voss war. Dean habe die ausschließlich auf Containerschiffe ausgerichtete Sietas Werft komplett umgebaut und auf hochkomplexe Spezialschiffe ausgerichtet. Natallia Dean drückt das selbst bescheidener aus.

Schwierige Zeiten auch durch die Corona-Pandemie

„Wir haben Glück gehabt, dass wir einen Eigentümer haben, der selbst eine Werft ist“, sagt die 42-Jährige. Andere Werften gehörten Investoren, die schnell in Panik geraten, sobald die Zahlen nicht mehr stimmen. „Es ist gut, mit Pella jemanden hinter sich zu haben, der versteht, mit welchen Problemen wir zu kämpfen haben.“ So würde Zeit gewonnen, die es oft brauche. Das gelte auch jetzt in Corona-Zeiten.

„Für alle Werften ist das Hautproblem im Moment die Banken“, sagt Natallia Dean. „Die Finanzierung von Schiffbauprojekten war schon vorher schwierig. Jetzt ist sie so gut wie unmöglich.“

Pella Sietas: Standort Hamburg ist gesichert

Dean und Debold haben es trotzdem geschafft, dass die Auftragsbücher in Neuenfelde voll sind. Neben dem Eisbrecher wird ein Saugbagger gebaut, eine Inselfähre für die Reederei Norden-Frisia, eine LNG-Fähre für den Bodensee, die mit Flüssiggas fahren wird. „Wir stehen sehr gut da. Der Standort ist gesichert“, verspricht Natallia Dean. Und nicht nur das: Er soll auch noch ausgebaut werden. Aus den 40 Mitarbeitern, die Sietas 2014 noch hatte sind schon 350 geworden. Es sollen mehr als 400 werden. Viele Ehemalige sind zurückgekehrt. Das Vertrauen in die Frauen ist groß.

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Dass ausgerechnet zwei Quereinsteigerinnen – Dean ist studierte Sprachwissenschaftlerin, Debold Sozialwissenschaftlerin – mit Volldampf vorausfahren, ist schon erstaunlich. Ihr Geheimnis: „Erfahrung, Führungsstärke, Sicherheit – darauf kommt es an“, sagt Debold. Und Natallia Dean ergänzt: „Werftleitung ist immer noch eine Männerdomäne. Vorausgesetzt wird eine technische Ausbildung. Wir beweisen, dass das nicht so ist. Wenn ein Ingenieur mir sagt, dass etwas nicht möglich ist, weiß ich inzwischen: Es ist möglich! Man muss es nur möglich machen. Für uns heißt das: Wir müssen einfach Mut haben!“

Ende 2023 soll der Eisbrecher vom Stapel laufen

Das Ergebnis wird Ende 2023 in Neuenfelde vom Stapel laufen – der modernste Eisbrecher, der je in Europa gefertigt wurde. Die Export-Genehmigung nach Russland liegt allen Sanktionen zum Trotz schon vor.

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