„Die Daten sind alarmierend“: Darum sind Schulleitungen „hochgradig gefährdet“
Schulleiterinnen und -leiter sind zwar häufig von ihrer Arbeit begeistert – doch die hohe Motivation hat auch eine Schattenseite, wie eine neue Studie zeigt. Die Gewerkschaft ist alarmiert – die Schulbehörde hingegen verweist auf ein Detail.
Schulleiterinnen und -leiter sind zwar häufig von ihrer Arbeit begeistert – doch die hohe Motivation hat auch eine Schattenseite, wie eine neue Studie zeigt. Die Gewerkschaft ist alarmiert – die Schulbehörde hingegen verweist auf ein Detail.
„Was angesichts der Arbeitszufriedenheit nach Traumjob klingt, entpuppt sich wegen der hohen Arbeitsbelastung und der Entgrenzungswerte als gesundheitsgefährdend. Die Daten sind alarmierend“, sagte Sven Quiring, Vorsitzender der GEW Hamburg.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Hamburg/Rheinland‐Pfalz hat am Montag eine Online-Studie vorgestellt, die sie bei der Freiburger Forschungsstelle für Arbeitswissenschaften beauftragt hatte. Fast 800 Mitglieder von Schulleitungen machten bei der speziellen Befragung zu ihrer Belastung mit – etwas weniger als die Hälfte aus Hamburg. Insgesamt machten rund 22 Prozent des Hamburger Schulleitungpersonals mit.
Studie: Mehr als die Hälfte ist körperlich erschöpft
Das Ergebnis: „Die Daten belegen, dass die Leitungskräfte an Schulen hochgradig belastet sind. Sie weisen im Vergleich zu anderen Berufsgruppen in unserer Datenbank deutlich erhöhte Anforderungen auf, aber nur wenige kompensierende günstige Faktoren“, sagt Matthias Nübling, Geschäftsführer der Forschungsstelle.
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83,6 Prozent der Befragten gaben an, dass sie „oft“ oder „immer“ in einem hohen Tempo arbeiten. 71,8 Prozent erklärten, selten oder nie Pausenzeiten einhalten zu können. Bei der Kategorie „Quantitative Anforderungen“ liegen die Schulleitungen mit 74 von 100 Punkten deutlich über dem deutschen Durchschnitt aller Berufen, der der Forschungsstelle aus anderen Befragungen vorliegt (55 Punkte). Mit 54,1 Prozent sind mehr als die Hälfte der Befragten „oft“ oder „immer“ körperlich erschöpft. 44,6 Prozent kommen „oft“ oder „immer“ in die Schule, obwohl sie krank sind.
Infolge wird ihr allgemeiner Gesundheitszustand schlechter bewertet (63 Punkte) als der von anderen Berufstätigen (70) und Lehrern insgesamt (68) und das Burn-Out-Risiko ist höher (62 im Vergleich zu 49 bzw. 58 Punkten).
Hohe Belastung an Schulen: Das fordert die GEW
Doch die Studie zeigte nicht nur Nachteile: Mehr als die Hälfte der Befragten sind „oft“ oder „immer“ von ihrer Arbeit begeistert. Auch in den Kategorien „Verbundenheit mit Arbeitsplatz“ und „Bedeutung der Arbeit“ und „Entwicklungsmöglichkeiten“ schnitten sie besser ab als der Durchschnitt anderer Berufe.
„Einerseits stark belastet, andererseits hochmotiviert: Das ist eine ungünstige Kombination“, mahnte Anja Bensinger‐Stolze von der GEW. Die Gewerkschaft fordert unter anderem: Regelmäßige Belastungsstudien und verpflichtende Präventionsmaßnahmen durch die Arbeitgeber. Zudem sollten die Schulleitungen entlastet werden: Durch zusätzliches Personal wie IT-Administratoren oder Verwaltungsfachkräfte, die ihnen Aufgaben abnehmen. Und eine höhere Stunden-Zuteilung für ihre Aufgaben. Der Landesverband Hamburg würde es zudem befürworten, wenn manche Verwaltungsaufgaben an die Behörde verlagert würden.
Und was sagt die Schulbehörde?
Die Schulbehörde verweist auf die Instrumente, die Schulen zur Entlastung der Schulleitungen zu Verfügung stehen. So können Schulen bereits jetzt selbständig eine sogenannte Funktionsstelle für die Gesundheitsförderung einrichten. Außerdem könnten eigene IT-Kräfte eingestellt werden und die Schulen erhielten jetzt schon Unterstützung bei der Personalakquise von der Schulbehörde. An einigen allgemeinbildenden Schulen gebe es aktuell auch schon Verwaltungsleitungen, weitere sollen folgen.
„Schulleitung in Hamburg bedeutet faktisch die Leitung eines kleinen oder mittleren Unternehmens mit teilweise über 200 Beschäftigten“, sagt ein Sprecher der Schulbehörde. „Die allermeisten Hamburger Schulleitungen machen wirklich einen hervorragenden Job und dass nur einzelne Schulleitungsfunktionen vorübergehend nicht besetzt sind, zeigt auch, dass Schulleitung in Hamburg nach wie vor als attraktiv angesehen wird.“
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Die Belastungsumfrage der GEW sei zu einem Zeitpunkt durchgeführt worden, zu dem die Corona-Folgen an Schule nach wie vor spürbar seien wie ein deutlich höherer Krankenstand bei Lehrkräften, psychosoziale Belastungen und Lernrückstände bei Schülerinnen und Schülern.