9-Euro-Ticket in Hamburg: Wer profitiert, wer steigt um, wie geht es weiter?
Das 9-Euro-Ticket steht kurz vor der Halbzeit. Seit eineinhalb Monaten wird es deutschlandweit millionenfach genutzt und auch in Hamburg ist es ein voller Erfolg. Welche Effekte lassen sich bislang feststellen, wer nutzt das Ticket, wer profitiert besonders – und wie geht es nach dem Verkehrsversuch weiter?
Der Run auf die Tickets in Hamburg bleibt damit weiterhin enorm. Insgesamt sind bereits 1,4 Millionen 9-Euro-Tickets über die Ladentheke gegangen (bundesweit sind es 21 Millionen). Und bevor die richtigen Evaluationsergebnisse für die Wirkung des Tickets vorliegen, verdichten sich bereits die Anzeichen dafür, dass es neben der allgemeinen finanziellen Entlastung noch einige andere wünschenswerte Effekte hat. Sogar Autofahrer, die nicht umsteigen, profitieren angeblich.
Deshalb drängt sich immer stärker auch die Frage auf, wie es eigentlich nach August weitergeht. Mehrere Verbände fordern eine Fortführung, auch der Hamburger Senat will nicht zurück zum Status Quo.
Das 9-Euro-Ticket steht kurz vor der Halbzeit. Seit eineinhalb Monaten wird es deutschlandweit millionenfach genutzt und auch in Hamburg ist es ein voller Erfolg. Welche Effekte lassen sich bislang feststellen – und wie geht es mit dem Ticket weiter?
Anna-Theresa Korbutt hat derzeit gute Laune, zumindest wenn man sie auf das 9-Euro-Ticket anspricht. „Das ist und bleibt ein Knaller. Zusätzlich zu den 680.000 Abos wurden für den Juli schon wieder 530.000 Tickets verkauft – und jeden Tag kommen immer noch mehr als 10.000 dazu. Wir freuen uns sehr über die vielen neuen Kunden im HVV“, sagte die HVV-Chefin der MOPO.
1,4 Millionen 9-Euro-Tickets hat der HVV schon verkauft
Der Run auf die Tickets in Hamburg bleibt damit weiterhin enorm. Insgesamt sind bereits 1,4 Millionen 9-Euro-Tickets über die Ladentheke gegangen (bundesweit sind es 21 Millionen). Und bevor die richtigen Evaluationsergebnisse für die Wirkung des Tickets vorliegen, verdichten sich bereits die Anzeichen dafür, dass es neben der allgemeinen finanziellen Entlastung noch einige andere wünschenswerte Effekte hat. Deshalb drängt sich auch die Frage auf, wie es eigentlich nach August weitergeht.
„Erste Zahlen deuten darauf hin, dass es zu einer messbaren Reduktion des Autoverkehrs gekommen ist“, so der Staatsrat der Verkehrsbehörde Martin Bill. Tatsächlich hat der Verkehrsdatenspezialist Tomtom 26 Städte in Deutschland untersucht und in 23 von ihnen einen Rückgang des Stauniveaus festgestellt. Die Daten „lassen vermuten, dass dieser Rückgang in Zusammenhang mit der Einführung des 9-Euro-Tickets steht“, sagte Tomtom-Verkehrsexperte Ralf-Peter Schäfer. „Pendler haben bei der Fahrt mit dem Auto in die Arbeit und nach Hause in fast allen untersuchten Städten im Juni weniger Zeit verloren als noch im Mai.“ In Hamburg sank das Stauniveau sogar um rund 20 Prozent. Es profitieren also nicht nur Bahnfahrer selbst, sondern auch Autofahrer haben etwas davon.
Jeder Fünfte ist ein Neukunde
In der Verkehrsbehörde in Hamburg ist man noch zurückhaltend bei der Bewertung der Auswirkungen auf den Verkehr. Die Daten und der Vergleichszeitraum reichten noch nicht, um eine wirklich substanzielle Analyse vorzulegen, heißt es. Nach MOPO-Informationen will man aber Anfang August erste belastbare Ergebnisse vorlegen.
Etwas konkreter wird die Behörde aber bei der Frage danach, wer das Ticket nutzt und wem es zugutekommt. „Das 9-Euro-Ticket, das zeichnet sich nach den ersten Wochen ab, hat eine soziale Komponente: Wir sehen, dass mehr Menschen mobil sind, die vorher gar nicht mobil waren“, heißt es auf MOPO-Anfrage. Laut Bundesverkehrsministerium ist jeder fünfte Käufer des 9-Euro-Tickets ein Neukunde. Anders als der Tankrabatt kommt außerdem jeder Cent der Entlastungsmaßnahme beim Kunde an; die Verkehrsverbunde stecken sich ja keine Extragewinne in die eigene Tasche.
9-Euro-Ticket bringt Tarifvereinfachung
Allerorts positiv wird außerdem die Tarifvereinfachung aufgenommen. Durch das 9-Euro-Ticket muss man sich keine Gedanken mehr darüber machen, welches Ticket oder welchen Tarif man vor der Bahnfahrt buchen muss. In Hamburg sieht man sich deshalb bei der geplanten Einführung von „HVV any“ bestärkt, die im Herbst erfolgen soll. HVV-Fahrgäste können sich dann einfach per App beim Einstieg einchecken und werden beim Ausstieg automatisch ausgecheckt – die App errechnet dann den günstigen Tarif von selbst. Längst wird auch auf Bundesebene diskutiert, wie nach dem 9-Euro-Ticket die Tarife deutschlandweit vereinfacht werden können – eine Lösung gibt es aber nicht.
Eine Lösung oder Einigung gibt es auch in einer anderen zentralen Frage noch nicht: Wie geht es weiter nach dem 9-Euro-Ticket? Staatsrat Bill will noch keine konkreten Vorschläge nach Berlin senden. „Ich begrüße es, dass der Bund sich Gedanken macht, wie der ÖPNV nach dem 9-Euro-Ticket weiterentwickelt werden kann. Wenn es gelingt, die Tarife und Verbundgrenzen zu vereinfachen, wäre das ein enormer Gewinn für alle Fahrgäste. Klar ist aber, dass die Länder dies nicht werden stemmen können, das geht nur mit Hilfe des Bundes.“ Das 9-Euro-Ticket kostet für die drei Monate 2,5 Milliarden Euro – der Bund trägt die Kosten.
Diakonie fordert Fortführung des 9-Euro-Tickets
Deutlicher wird Dirk Ahrens, Vorstandvorsitzender des Diakonischen Werks Hamburg, der eine Fortführung des 9-Euro-Tickets fordert, weil Mobilität kein Luxus sein dürfe. „Zumindest für die Menschen, die sich Bus- und Bahnfahrten sonst nicht leisten können.“
Dass das 9-Euro-Ticket verlängert wird, gilt als unwahrscheinlich. Auch wenn sich Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) zuletzt begeistert vom Angebot zeigte, dauerhaft will er es nicht einrichten. „Allen ist klar, dass der Bund kein Monatsticket für 9 Euro auf Dauer finanzieren kann. Das wären jährlich rund zehn Milliarden Euro.” Auch Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatte sich bereits Ende Juni dagegen ausgesprochen.
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Ob allen wirklich klar ist, dass der Bund eine Verlängerung des 9-Euro-Tickets nicht finanzieren kann, ist allerdings fraglich. In einer frischen Umfrage des Marktforschungsinstituts Ipsos sprachen sich 85 Prozent der Befragten für eine dauerhaft günstiges Angebot im öffentlichen Nahverkehr und 43 Prozent für eine Fortführung des 9-Euro-Tickets in seiner jetzigen Form aus.
Rund 27 Prozent wären hingegen auch mit einem etwas teureren Ticket zufrieden, das den Staat weniger koste. 15 Prozent befürworteten ein Ticket zum Nulltarif; ebenso viele meinten laut dem Institut, dass es künftig gar keine vergünstigten Tickets geben sollte.