Jobs, Geld, Macht: Die wichtigsten Fragen zum Hafen-Deal – und kuriose Koks-Vorwürfe
Es ist ein historischer Moment, als Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) nach monatelangen Geheimverhandlungen am Mittwochmorgen im Rathaus zufrieden verkündet: Wir haben einen Deal! Die Stadt verkauft einen Teil ihres wichtigsten Unternehmens, der Hafengesellschaft HHLA. Neuer starker Partner im Hafen ist dabei niemand Geringeres als Soren Toft, Chef von MSC, der größten Reederei der Welt. Um Geld geht es dabei weniger, der Verkaufspreis ist allen Beteiligten überraschend egal. Wichtiger ist die langfristige Strategie, internationale Handelsströme nach Hamburg zu lenken und den kriselnden Hafen zukunftsfest zu machen. Was sich Hamburg von dem Verkauf erhofft, wer künftig die Macht im Hafen hat, wie viel MSC bezahlt und warum plötzlich ein kurioser Koks-Vorwurf im Raum steht – hier die Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Paukenschlag im Rathaus.
Es ist ein historischer Moment, als Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) nach monatelangen Geheimverhandlungen am Mittwochmorgen im Rathaus zufrieden verkündet: Wir haben einen Deal! Die Stadt verkauft einen Teil ihres wichtigsten Unternehmens, der Hafengesellschaft HHLA. Neuer starker Partner im Hafen ist dabei niemand Geringeres als Soren Toft, Chef von MSC, der größten Reederei der Welt. Um Geld geht es dabei weniger, der Verkaufspreis ist allen Beteiligten überraschend egal. Wichtiger ist die langfristige Strategie, internationale Handelsströme nach Hamburg zu lenken und den kriselnden Hafen zukunftsfest zu machen. Was sich Hamburg von dem Verkauf erhofft, wer künftig die Macht im Hafen hat, wie viel MSC bezahlt und warum plötzlich ein kurioser Koks-Vorwurf im Raum steht – hier die Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Paukenschlag im Rathaus.
1. Wem gehört die HHLA künftig? Hamburg behält 50,1 Prozent der Anteile und damit die Mehrheit. MSC beabsichtigt, bis zu 49,9 Prozent der Anteile zu erwerben.
Hafen Hamburg: MSC steigt bei Hafengesellschaft HHLA ein
2. Wie groß ist MSC – und was hat die Reederei in Hamburg vor? Das von einer italienischen Familie kontrollierte Schweizer Unternehmen ist ein Gigant der Meere. Die Reederei betreibt eine Flotte von mehr als 700 Schiffen und befördert pro Jahr 23 Millionen Standardcontainer. Dazu betreibt MSC mehr als 100 Terminals weltweit, meist in lokaler Partnerschaft. Toft: „Wir wachsen, wir brauchen Terminalflächen. In den nächsten drei Jahren kommen 100 Schiffe bei uns dazu. Hamburg ist für uns ein ganz entscheidender Standort in dieser Strategie.“ Toft betont, dass sein Unternehmen langfristig denkt und „den Mitarbeitern verpflichtet ist. Wir gehen hier rein, um Hamburg zu entwickeln, nicht abzuwickeln!“
3. Behält Hamburg also die Macht über den Hafen? Ja, im Prinzip schon. „Die Stadt hat die Kontrolle und die Mehrheit, aber einen starken Partner“, stellt Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD) klar. Aber natürlich wird MSC künftig bei allen wichtigen Entscheidungen ein Wort mitreden. „MSC und Hamburg wollen die HHLA gemeinsam führen“, so Leonhard. Wichtig: Die Bodenverhältnisse bleiben wie sie sind, die Flächen gehören weiter der Stadt und nicht der neuen Unternehmensgemeinschaft. Auch für die Speicherstadt, ebenfalls im Besitz der HHLA, ändert sich nichts.
Hamburg behält 50,1 Prozent der HHLA-Anteile
4. Was verspricht sich Hamburg von dem Deal? Kurz gesagt: Dass auch künftig Schiffe die Elbe hochfahren und Ladung im Hafen umschlagen. „Wir brauchen zusätzliche Schubkraft in schwierigen Zeiten“, erklärte Tschentscher. Hamburg fällt in internationalen Rankings immer weiter ab, hat den Anschluss an Rotterdam und Antwerpen fast verloren. Dort ist es schon länger üblich, Reedereien an Terminals zu beteiligen, um Ladung für den Standort zu sichern. Und MSC verspricht, den Handel über Hamburg deutlich auszuweiten. Im Jahr 2025 sollen 500.000 Standardcontainer umgeschlagen werden, 2031 dann eine Million. Zum Vergleich: 2022 wurden im gesamten Hamburger Hafen 8,3 Millionen Standardcontainer umgeschlagen, 2007 waren es 9,9 Millionen.
5. Ist der Deal mit der Cosco-Beteiligung vergleichbar? Nein. Die chinesische Reederei Cosco hält nach langen Streitereien eine kleine Beteiligung am HHLA-Terminal Tollerort. Mit MSC geht Hamburg jetzt den nächsten, deutlich umfangreicheren Schritt und beteiligt MSC an der gesamten HHLA mit all ihren über den reinen Terminalbetrieb hinausgehenden Beteiligungen und Unternehmungen. Tschentscher: „Das ist ein viel größerer Schritt!“
6. Ist damit die Nord-Kooperation der deutschen Häfen beerdigt? Erstmal ja. Zwar stellt Tschentscher klar, dass der MSC-Deal „nicht gegen jemanden geht“ – gleichzeitig sagte er, dass die Nordkooperation vorerst gescheitert sei. „Wir können nicht ewig warten. Wir haben seit geraumer Zeit Optionen geprüft und Gespräche geführt. In dieser Konstellation sind unsere Ziele jetzt erreichbar.“
Tschentscher: „Sichert langfristig Arbeitsplätze in Hamburg“
7. Aber ist MSC nicht auch in Bremerhaven beteiligt? Ja, MSC hält 50 Prozent am Terminal MSC Gate. Davon soll die Kooperation mit Hamburg aber nicht berührt sein, stellt MSC-Chef Toft klar: „Wir werden uns mehr auf Hamburg konzentrieren.“
8. Wie wurde der Deal eingefädelt – und was ist mit Kühnes Offerte? Logistik-Milliardär Michael Kühne hatte gerade erst eine Übernahme der HHLA vorgeschlagen – und hat sich eine deutliche Abfuhr im Rathaus eingehandelt. Denn: Kühne wollte eine Mehrheit, dazu ist die Stadt nicht bereit. Mit MSC wurde laut Aussagen der Beteiligten seit Monaten im Hintergrund verhandelt, mehrere Teams waren von Seiten der Stadt beteiligt. Erst eine Stunde vor der Verkündung des Deals wurde zu der Pressekonferenz ins Rathaus geladen. Denn: Der Aktienkurs der HHLA sollte nicht durch Verkaufsgerüchte beeinflusst werden.
9. Was bedeutet der MSC-Einstieg für die HHLA-Beschäftigten? Erstmal nichts, betonen die Vertreter der Stadt. „Die Mitbestimmung ist vertraglich gesichert, Arbeitnehmerinteressen umfassend gewahrt“, so Tschentscher. Für ihn sichert der Einstieg langfristig Arbeitsplätze in Hamburg. Auch Leonhard betont: „MSC wird Hamburg über die HHLA hinaus zu einem weltweiten Knotenpunkt machen. Das hat positive Auswirkungen auch auf die Arbeitsplätze in Hamburg.“ Im Vorstand der HHLA soll sich vorerst nichts ändern.
Hafen Hamburg: MSC zahlt 16,75 Euro pro HHLA-Aktie
10. Wie viel bezahlt MSC für die HHLA-Anteile? 16,75 Euro pro Aktie – das ist 45 Prozent mehr als der Schlusskurs am Dienstag. Am Mittwoch sprang der Kurs dann entsprechend hoch. Was Hamburg am Ende genau einnimmt, kann aktuell niemand genau beziffern. Denn erstmal muss MSC jetzt den Streubesitz der HHLA-Aktien aufkaufen. Derzeit gehen alle Beteiligten davon aus, dass dies aufgrund des hohen Aufschlags zügig umgesetzt werden kann. Hamburg hält aktuell 69 Prozent der HHLA-Anteile und würde entsprechend so viele Anteile an MSC verkaufen, bis es nur noch 50,1 Prozent hält. Dabei dürften grob 250 Millionen Euro rumkommen, also eine eher bescheidene Summe. Doch um Geld geht es der Stadt gar nicht, betont Tschentscher, sondern um die strategische Partnerschaft.
11. Verlegt MSC dann auch Büros nach Hamburg? Ja, die Deutschlandzentrale soll in die HafenCity ziehen, zeitnah soll MSC dafür ein Grundstück erhalten. „Wir werden unseren Standort hier um mehr als 700 Arbeitsplätze verdoppeln, die Logistik deutlich erweitern.“
Hafen Hamburg: Linke erhebt schräge Koks-Vorwürfe
12. Was sagt die Opposition zu dem Deal? Der hafenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion und Hamburger Bundestagsabgeordnete Michael Kruse sprach von einer „unausgegorenen Konstruktion“. Tschentscher „verschleudert die HHLA für ’n Appel und ’n Ei und verbaut dem Hafen gleichzeitig weitere Entwicklungsmöglichkeiten durch weitere reedergebundene Terminals“. Norbert Hackbusch (Linke) spricht von einem „Ausverkauf“ und sieht die Bindung an eine dominierende Reederei kritisch. Zugleich betont er, dass „internationale Korruptionsbekämpfer“ vor MSC warnen. Auch gelte es „ihre – möglicherweise zufälligen – Verquickungen in den internationalen Kokainhandel nicht aus den Augen zu verlieren“.
13. MSC soll in den Kokainhandel verstrickt sein? Tatsächlich gab es zuletzt mehrere Berichte über eine Unterwanderung von Teilen des Unternehmens durch die „Balkanmafia“, alles gipfelte 2022 in einem Rekordfund von 20 Tonnen Kokain auf einem MSC-Frachter. Tatsächlich ist MSC aufgrund der Größe auch führend auf den hauptsächlichen Schmuggelrouten und entsprechend attraktiv für Kriminelle. Die Reederei sieht sich selbst als Opfer der organisierten Kriminalität.