Der Windrad-Zoff in Hamburg: Anlagen auch in Naturschutzgebieten?
Dreht sich der Wind in Hamburg bald? Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) will die Anzahl der Windräder in der Hansestadt perspektivisch verdoppeln – und bringt auch Naturschutzgebiete als mögliche Standorte ins Spiel. Umweltschützer bringt das erwartungsgemäß auf die Barrikaden, aus ihrer Sicht dürfen die Klimaziele nicht zu Lasten der Natur gehen. Aber wo befinden sich in Hamburg überhaupt noch geeignete Plätze für Windräder?
Dreht sich der Wind in Hamburg bald? Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) will die Anzahl der Windräder in der Hansestadt perspektivisch verdoppeln – und bringt auch Naturschutzgebiete als mögliche Standorte ins Spiel. Umweltschützer bringt das erwartungsgemäß auf die Barrikaden, aus ihrer Sicht dürfen die Klimaziele nicht zu Lasten der Natur gehen. Aber wo befinden sich in Hamburg überhaupt noch geeignete Plätze für Windräder?
Als Gründe für seinen Vorstoß nannte Tschentscher in der „Langen Nacht der Zeit“ den Klimawandel und die explodierten Energiepreise. Die „Umweltfront“ sage stets, es müsse immer alles zulasten der Industrieflächen gehen, so der SPD-Politiker. „Aus meiner Sicht geht es auch, ein Windrad in ein Gebiet zu stellen, in dem es ansonsten nur Natur gibt.“ Das sei ein Eingriff, „aber es ist in der Lage, in der wir sind, in der Interessen- und Zielabwägung vertretbar“.
Windräder bald in Hamburger Naturschutzgebieten?
Aufschrei bei den Hamburger Umweltverbänden NABU und BUND. „Der Natur geht es ohnehin schon sehr schlecht und es gibt weltweit einen massiven Artenschwund“, sagte Paul Schmid, stellvertretender BUND-Landesvorsitzender. „Vor diesem Hintergrund ist der Bau von Windkraftanlagen in Naturschutzgebieten tabu.“ Malte Siegert, NABU-Vorsitzender in Hamburg, stimmt ihm zu. „Diese Idee ist eine schlechte politische Plattitüde. Auch der Bürgermeister ist an Recht und Gesetz gebunden.“
Und das besagt: „Alle Handlungen, die zu einer Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung des Naturschutzgebiets oder seiner Bestandteile oder zu einer nachhaltigen Störung führen können, sind nach Maßgabe näherer Bestimmungen verboten.“ So steht es im Bundesnaturschutzgesetz.
Windräder in Naturschutzgebieten – Aufschrei beim NABU
Auch der Grüne Koalitionspartner in der Bürgerschaft reagierte ablehend auf Tschentschers Vorstoß. Fraktionsvorsitzender Dominik Lorenzen betonte, dass die Gesetzgebung in dieser Sache nicht ohne Grund so streng sei. Trotzdem besitze Hamburg noch genügend Flächenpotenzial – zum Beispiel im Hafengebiet. Zuständig für die Genehmigung von Windrädern ist die Umweltbehörde.
Das könnte Sie auch interessieren: Ausgerechnet jetzt: Windkraft-Ausbau im Norden bricht ein
Aktuell drehen sich in Hamburg 67 Windräder, 15 Anlagen davon werden von Hamburg Energie betrieben. Einige davon stehen im Hafen auf dem Gelände des Aluminiumherstellers „Trimet“ und direkt daneben auf dem Stahlwerksgelände von „ArcelorMittal“ und andere in Georgswerder. Allein die drei Windräder bei „Trimet“ produzieren im Jahr rund 23 Gigawattstunden. Das entspricht dem Strombedarf von mehr als 8000 Haushalten. Insgesamt versorgt Hamburg Energie mit seinen 15 Windanlagen laut eigener Aussage insgesamt mehr als 50.000 Haushalte.
Windenergie Hamburg: Wo gibt es noch Standorte?
Da geht noch mehr! NABU-Vorsitzender Malte Siegert schlägt gleich mehrere potenzielle Flächen vor – die nicht im Naturschutzgebiet liegen. „In Hamburg bietet sich vor allem der mittlere Freihafen an. Besonders auf der Kattwyk-Halbinsel, der Hohen Schar oder auf dem alten Kraftwerksgelände Moorburg gibt es zahlreiche Möglichkeiten auf Industrieflächen, Windenergie- und großflächig Photovoltaikanlagen zu installieren.“
Das könnte Sie auch interessieren: Hamburger Windrad-Bauer stemmt sich gegen die Krise
Ziel der Bundesregierung ist es, den Anteil des aus erneuerbaren Energien erzeugten Stroms bis zum Jahr 2030 von bisher unter 50 auf mindestens 80 Prozent zu steigern. Ein großes Problem: Die komplizierten und langjährigen Genehmigungsverfahren. Die will Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) allerdings vereinfachen.
Windenergie: Ausbau läuft in Deutschland schleppend
Bislang läuft es mehr als schleppend: Von Januar bis Juli 2022 wurden 235 neue Windenergieanlagen in Deutschland installiert, das sind vier weniger als im gleichen Zeitraum des vergangenen Jahres. Bundesweit die Nase vorn hat eindeutig Schleswig-Holstein, wo 72 der 235 neuen Windräder gebaut wurden. Enttäuschend dagegen die Zahlen aus Niedersachsen, das nur 25 neue Windräder baute – 2021 waren es doppelt so viele gewesen. In Bremen und Hamburg kam kein einziges Windrad hinzu.
Auch das Ziel, zwei Prozent der gesamten Bundesfläche für Windräder auszuweisen, hat bisher allein das nördlichste Bundesland erreicht. Im Stadtstaat Hamburg ist das ein bisschen schwieriger: Die sieben Windkraftgebiete nehmen circa 0,2 Prozent der Gesamtfläche ein, dazu kommen aber noch die Windkraftanlagen im Innenbereich, zum Beispiel im Hafen. Und wenn es nach Tschentscher geht, bald vielleicht noch Flächen in Naturschutzgebieten.