• Impfzentrum Hamburg: Fast der gesamte Impfstoff wird für Zweitimpfungen gebraucht.
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Der Turbo macht schlapp: „Keine neuen Termine für Erstimpfungen in Hamburg!“

Ernüchternde Aussage aus der Hamburger Gesundheitsbehörde: „In absehbarer Zeit wird es keine neuen Termine für Erstimpfungen im Impfzentrum geben.“ Grund sind die vielen Zweitimpfungen – und Millionen reservierter Impfdosen für Jugendliche. Nicht nur impfwillige Hamburger sind zunehmend genervt, auch die niedergelassenen Ärzte reagieren sauer auf den eklatanten Impfstoffmangel.

Stundenlang vorm Bildschirm sitzen, immer wieder aktualisieren, hundert Mal die 116 117 wählen – einen Termin für eine Erstimpfung im Impfzentrum zu ergattern, ist derzeit wie Lottospielen: Kann man machen, man kann es aber auch bleiben lassen. „Im Moment kann man sich die Mühe sparen“, so Martin Helfrich, Sprecher der Gesundheitsbehörde zur MOPO. „Wir stellen derzeit keine neuen Termine ein, das wird vermutlich auch in der kommenden Woche noch so sein.“

Bisher letzter Schwung Erst-Impftermine sofort ausgebucht

Wann es überhaupt wieder eine Chance für Erst-Impflinge gibt? „Dazu kann ich keine Prognose geben“, sagt Helfrich. „Wir informieren die Öffentlichkeit, wenn es soweit ist.“ Der bis auf Weiteres letzte Schwung von 10.000 Erst-Impfterminen war in der vergangenen Woche binnen weniger Stunden ausgebucht.

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Walter Plassmann, Chef der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg: „Will die Politik die niedergelassenen Ärzte aus der Impfkampagne vergraulen?“

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Das Problem: Derzeit geht nahezu der gesamte Impfstoff, den Hamburg vom Bund bekommt, für die Zweitimpfungen drauf. Pro Woche erhält das Impfzentrum derzeit rund 55.000 Dosen. Das reicht aber nicht, um zusätzlich Erstimpfungen anzubieten – und die vollmundig angekündigte „raketenartige Steigerung“ der wöchentlichen Impfdosen ab Juni scheint in weite Ferne gerückt zu sein.

Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) machte dafür auch die „ungerechte“ Impfstoffverteilung in Deutschland verantwortlich. An sein Land seien mehr als 40.000 Impfdosen zu wenig geliefert worden. Und „jede Woche wird die Benachteiligung größer. Es muss jetzt zügig einen Ausgleich geben.“

Ab Juni wird Priorisierung aufgehoben

Auf Hausarztpraxen auszuweichen, ist ebenfalls nahezu aussichtslos: Ärzte und Praxispersonal brechen unter der Flut der Patientenanfragen fast zusammen, müssen die meisten abweisen: Es ist kein Impfstoff vorhanden, nicht einmal für Vorerkrankte, die zur „Prio 3“-Gruppe gehören und jetzt eigentlich an der Reihe wären.

In Othmarschen bildete sich am vergangenen Wochenende eine mehrere hundert Meter lange Warteschlange in der Waitzstraße: Eine HNO-Praxis hatte auf ihrer Seite Impfungen ohne Termin angekündigt, die Nachricht verbreitete sich bis nach Niedersachsen. Stunden vor der Öffnung der Praxis warteten die ersten. Die Not ist groß – und ab Juni wird die Priorisierung aufgehoben.

Hausärzte ächzen unter der Anfragen-Flut der Patienten

Auch Hamburger Ärzte sind sauer auf die Politik: Arztpraxen bekommen immer weniger Impfstoffe. In der kommenden Woche wird die BionTech-Lieferung um 40 Prozent reduziert, wie die Kassenärztliche Vereinigung mitteilt. Grund: Der Bund bunkert Millionen Dosen für Massenimpfungen von Jugendlichen. Allein Hamburg bräuchte dann gut 220.000 zusätzliche Dosen für die Erst- und Zweitimpfung aller Schülerinnen und Schüler ab zwölf Jahren.

Dabei hat die Ständige Impfkommssion (Stiko) bereits durchblicken lassen, das eine Impf-Empfehlung für alle Kinder und Jugendlichen wohl nicht ergehen werde. Denn noch sei das Risiko einer Corona-Impfung bei Kindern ungeklärt, erklärte Kommissionsmitglied Rüdiger von Kries im rbb. Die meisten Eltern würden ohne Stiko-Empfehlung ihre Kinder vermutlich nicht impfen lassen.

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Kassenärztliche Vereinigung Hamburg ist sauer

Trotzdem wird Impfstoff zurückgehalten. Walter Plassmann, Chef der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg, ist sauer: „Damit kommt das Erstimpfen mit mRNA-Wirkstoffen in den Praxen für die nächsten Wochen zum Erliegen. Will die Politik die niedergelassenen Ärzte aus der Impfkampagne vergraulen?“

Immer mehr Ärzte überlegen nun, ob sie das Impfen vorübergehend ganz aussetzen, bis sich die Lage stabilisiert hat. Wann das sein wird, das wagt derzeit keiner vorauszusagen.

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