Marathon in Hamburg: Der „Streckenguru“, der keiner sein will
Wenn am Sonntag wieder rund 20.000 Marathonläufer auf Hamburgs Straßen unterwegs sind, dann ist das auch sein Verdienst: Wolfgang „Wolle“ Timm (75) ist einer der wenigen Menschen, die offizielle Marathonstrecken vermessen dürfen. Den ehrenvollen Spitznamen „Streckenguru“ findet er blöd, aber Bewegung liebt er, seit er als lütter Bengel auf dem Lederhosenboden den Elbhang im Donnerspark heruntergerutscht ist.
„Nee, Streckenguru, wie hört sich das denn an“, sagt Timm: „Das klingt total aufgeblasen. Ich bin Streckenvermesser und fertig. Außerdem habe ich noch tausend andere Aufgaben.“ Bei aller Bescheidenheit: Nur vier Personen in Deutschland haben die Qualifikation, Marathonstrecken in deutschen Großstädten für internationale Läufe zu vermessen: genau 42 Kilometer und 195 Meter.
Wenn am Sonntag wieder rund 20.000 Marathonläufer auf Hamburgs Straßen unterwegs sind, dann ist das auch sein Verdienst: Wolfgang „Wolle“ Timm (75) ist einer der wenigen Menschen, die offizielle Marathonstrecken vermessen dürfen. Den ehrenvollen Spitznamen „Streckenguru“ findet er blöd, aber Bewegung liebt er, seit er als lütter Bengel auf dem Lederhosenboden den Elbhang im Donnerspark heruntergerutscht ist.
„Nee, Streckenguru, wie hört sich das denn an“, sagt Timm: „Das klingt total aufgeblasen. Ich bin Streckenvermesser und fertig. Außerdem habe ich noch tausend andere Aufgaben.“ Bei aller Bescheidenheit: Nur vier Personen in Deutschland haben die Qualifikation, Marathonstrecken in deutschen Großstädten für internationale Läufe zu vermessen: genau 42 Kilometer und 195 Meter.
Nun könnte man denken: Einmal gemessen, kann man die Strecke doch immer wieder verwenden. „Nee“, sagt Timm: „Ich dachte auch, man misst einmal durch und gut ist, aber Großmarathone finden in Städten statt, die immer wieder umgebaut werden.“ Jetzt zum Beispiel wird in Hamburg kurz hinter Kilometer 25 die U5 gebaut, und die Läufer müssen einen Schlenker laufen. Die Meter müssen an anderer Stelle irgendwie wieder eingespart werden und trotzdem sollen Start und Ziel auf einer Linie liegen.
Drama: Wenn ein Meter zur Marathonstrecke fehlt
Am schlimmsten ist es, wenn eine Strecke versehentlich zu kurz angelegt wurde, wenn die Läufer etwa wegen einer Baustelle zu einer Abkürzung gezwungen wurden. Denn: Nur ein fehlender Meter und die Profiläufer verlieren ihre EM-Qualifikation. Kürzlich drohte so ein Baustellen-Drama in Hannover, da mussten „Wolle“ Timm und seine Kollegen die ganze Strecke nach dem Lauf noch einmal nachmessen: „Ich habe noch nie so einen Druck verspürt“, sagt er. Gemessen wird per Fahrrad, mit einem geeichten Zählwerk an den Reifen.
Ergebnis: 42 Kilometer, 195 Meter und 82 Zentimeter. Glück gehabt: „Ich habe den Siegern die Qualifikation gerettet und dem Veranstalter die Reputation. Da war ich echt froh.“
Vor 20 Jahren hat Wolle Timm angefangen mit dem Vermessen: „Weil es mich als Läufer geärgert hat, wenn eine 1000-Meter-Strecke nicht genau 1000 Meter waren.“

Bewegung war schon immer Teil seines Lebens, schon in der Nachkriegskindheit in Ottensen, als der kleine „Wolle“ durchs Quartier rannte, über Zäune sprang, auf Bäume kletterte und auch mal runterfiel – beste Voraussetzungen, viele Jahrzehnte später Vorsitzender des Breitensportausschusses im Hamburger Leichtathletik-Verband zu werden.
In jungen Jahren fuhr er zur See, wurde später Zahntechniker („das ist kreativ, aber für den Körper nicht gut“). Der Ausgleich: Leichtathletik und Langstreckenlauf, am liebsten an der Elbe, gerne den Hang rauf und runter.
1986 fand der erste Marathon in Hamburg statt, es war auch Wolle Timms erster Marathon. Es wurden über die Jahre fast 70, davon 22 alleine in Hamburg.
Wolfgang Timm: „Laufen soll Spaß machen“
In seiner Familie ist der drahtige Typ der einzige Laufverrückte. Die beiden erwachsenen Töchter machen sich nicht viel aus Marathon, die drei Enkel auch nicht. Was völlig okay ist: „Das Schlimmste ist, wenn Eltern ihre Kinder zu einer Sportart drängen, das kann den Spaß fürs ganze Leben verderben.“
Überhaupt: Spaß ist es, um das es doch beim Laufen geht. „Ich bin auch Lauftherapeut und ich habe meinen Leuten immer gesagt, wenn ihr merkt, es geht nicht mehr, hört auf und macht euch einen schönen Tag. Sonst brennt sich da ein negatives Erlebnis fest.“ Er selbst, sagt Timm, sei auch nicht auf Bestzeiten fixiert: „Mir geht’s eher darum, fit zu sein und eine gute Kondition für den Alltag zu haben. Dass ich eine Kiste Bier in den dritte Stock kriege, ohne dass der Notarzt kommen muss.“
60 Jahre wohnte Wolle Timm in Ottensen, rief im Viertel die „Mottenburger Meile“ ins Leben, eine Laufveranstaltung zu Gunsten von Armen und Obdachlosen. Seit einigen Jahren lebt er in Barmbek Süd, auch schön da, aber: „Der Stadtpark ist doch sehr flach zum Laufen.“
Der Marathon-Traum des Hamburger Streckengurus
Am Sonntag wird der Mann, der kein Streckenguru sein will, nicht an den Start gehen: „Nee, die ganze Organisation und dann noch selbst laufen, das ist zu viel. Ich habe in Hannover die Strecke vermessen und dann in Hamburg die Strecke markiert – das sind 80 Kilometer Fahrradfahren in drei Tagen, da muss ich mich erstmal regenerieren.“
Einen kleinen Marathon-Traum erlaubt er sich aber doch: „Den Medoc-Marathon in Frankreich, den würde ich gerne mal mitlaufen. Es heißt, die letzten Meter macht man auf allen vieren, wegen des ganzen Rotweins an der Strecke.“ Und dann lacht er. Laufen soll ja Spaß machen.