Flohmarkt-Schatz: Der Strippenzieher der Hamburger Bürgermeister
Die beiden randvoll gefüllten Bananenkisten lagen auf dem Flohmarkt in Wittenburg (Mecklenburg-Vorpommern). Etwas gelangweilt wühlte ich darin und hatte plötzlich ein Foto von Willy Brandt in der Hand mit Originalunterschrift! Elektrisiert suchte ich weiter und stieß neben MOPO-Ausgaben von 1958 auf Fotos von Helmut Schmidt, Freddy Quinn und Hannelore Elsner. Hier war der Nachlass eines Hamburgers beim Trödel gelandet, der einmal einer der einflussreichsten Männer der Stadt gewesen ist.
Die beiden randvoll gefüllten Bananenkisten lagen auf dem Flohmarkt in Wittenburg (Mecklenburg-Vorpommern). Etwas gelangweilt wühlte ich darin und hatte plötzlich ein Foto von Willy Brandt in der Hand mit Originalunterschrift! Elektrisiert suchte ich weiter und stieß neben MOPO-Ausgaben von 1958 auf Fotos von Helmut Schmidt, Freddy Quinn und Hannelore Elsner. Hier war der Nachlass eines Hamburgers beim Trödel gelandet, der einmal einer der einflussreichsten Männer der Stadt gewesen ist. Für 80 Euro wurde ich neuer Besitzer dieser Kisten.
„Ein umtriebiger, quirliger und stets präsenter Nothelfer und Übersetzer in manch brenzliger Situation, dessen Bereitschaft zur Aufmüpfigkeit gepaart ist mit der Gabe des Schweigens durch leuchtende Eloquenz.“ Der damalige Hamburger Bürgermeister Ortwin Runde (SPD) schrieb diese Zeilen an einen gewissen Paul Otto Vogel anlässlich dessen 75. Geburtstags. Zwischen 1964 und 1978 leitete „Pollo“, wie Freunde Vogel nannten, die Staatliche Pressestelle, er war also Senatssprecher und diente vier Hamburger Bürgermeistern. Doch sein Herz gehörte dem Journalismus, und die Leidenschaft zum Schreiben behielt Vogel lebenslang.

Geboren wurde Vogel 1923 in Baden bei Wien. Seine Familie zog nach Berlin. Der kleine Paul Otto wurde vom Vater nach Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg (1847-1934) und Reichskanzler Otto von Bismarck (1815-1898) benannt. Doch das Militaristische lag dem jungen Paul Otto nicht. Während sich Altersgenossen an Marschmusik berauschten, hörte Vogel heimlich den von den Nazis verpönten Swing von Glenn Miller.
1964 wurde Vogel Sprecher des Senats
Den Zweiten Weltkrieg überlebte Paul Otto Vogel, sein Bruder fiel. Der Kriegsheimkehrer bekam einen Job als Reporter bei der „Westfälischen Rundschau“ in Dortmund und fand schnell Gefallen am Schreiben. Er brachte es bis zum stellvertretenden Chefredakteur. Vogel reiste in die USA, nach Großbritannien und nach Israel. 1964 folgte er dem Ruf ins Hamburger Rathaus und Vogel wurde zu einem „kenntnisreichen und kundigen Beobachter unserer Stadt“, wie vor 20 Jahren Bürgermeister Ole von Beust (CDU) an Vogel schrieb.

Doch „Pollo“ war mehr. Eine echte Polit-Persönlichkeit, wie es sie heute wohl nicht mehr gibt. Der Mann war temperamentvoll, witzig, rebellisch – so jedenfalls beurteilten die Leiter der Senatspressestelle ihren legendären Vorgänger. Dieser Paul Otto Vogel muss ein charmanter Menschenfänger gewesen sein.

Fasziniert sehe ich die vielen Hundert Fotos durch, die in den Flohmarkt-Kisten liegen. Da ist ein Bild aus der Zeit um 1960, auf dem zu sehen ist, wie Vogel als Journalist den damals Regierenden Bürgermeister von Berlin interviewt: Willy Brandt. Ich entdecke ein Foto, aufgenommen 1967 wohl bei einem Ball, auf dem Vogel MOPO-Gründer Heinrich Braune Feuer für die Zigarre gibt. Dann wiederum ist Vogel mit Freddy Quinn zu sehen oder 1974 im vertrauten Gespräch mit der Schauspielerin Hannelore Elsner. Ich wüsste gern mehr über diese Gespräche, doch leider sind die Fotos kaum beschriftet.

Nach dem Ruhestand 1978 wirkte Vogel als Hamburger Medienbeauftragter, als Leiter der Hamburg-Werbung und Senatsbeauftragter für den 800. Hafengeburtstag 1989. Er schrieb auch wieder: 1984 beispielsweise eine MOPO-Serie über Hamburger Bürgermeister.
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Eigentlich ein Trauerspiel, dass der Nachlass eines so bedeutenden Hanseaten auf dem Flohmarkt gelandet ist. Die MOPO wird das Material jetzt der Senatspressestelle übergeben. „Pollo“ hat es verdient, nicht in Vergessenheit zu geraten.