Der Santa Claus von Santa Fu: Ich bin der Knast-Weihnachtsmann
Rico ist kein normaler Weihnachtsmann. Zwar trägt er einen weißen Bart, einen roten Mantel und eine Mütze und verteilt Süßigkeiten an kleine Kinder, doch am Abend wird er zurückkehren in seine Zelle im bekanntesten Gefängnis Hamburgs. Rico ist Knast-Weihnachtsmann von Santa Fu, und die Kinder sind die seiner Mithäftlinge. Die durften ihre Väter an einem Vorweihnachtstag für kurze Zeit sehen – Heiligabend werden sie ohne sie verbringen müssen. Die MOPO hat sich angesehen, wie Weihnachten im Knast gefeiert wird.
Rico ist kein normaler Weihnachtsmann. Zwar trägt er einen weißen Bart, einen roten Mantel und eine Mütze und verteilt Süßigkeiten an kleine Kinder, doch am Abend wird er zurückkehren in seine Zelle im bekanntesten Gefängnis Hamburgs. Rico ist Knast-Weihnachtsmann von Santa Fu, und die Kinder sind die seiner Mithäftlinge. Die durften ihre Väter an einem Vorweihnachtstag für kurze Zeit sehen – Heiligabend werden sie ohne sie verbringen müssen. Die MOPO hat sich angesehen, wie Weihnachten im Knast gefeiert wird.
Wenige Tage vor Weihnachten findet für ausgewählte Gefangene der JVA Fuhlsbüttel eine ganz besondere Veranstaltung statt. In der Kapelle des Gefängnisses dürfen sie eineinhalb Stunden mit ihren Kindern und Frauen basteln, singen und Weihnachtsgebäck essen – selbstverständlich unter den strengen Augen der Beamten.
Bockwurst und Ente: So läuft Weihnachten in der JVA
Rico (Name geändert) hat keinen Besuch von seiner Familie bekommen. Kinder oder Frau hat er nicht, draußen warten nur seine Brüder und sein Vater auf ihn. Dennoch hat er sich bereit erklärt, für die Kinder seiner Mitinsassen den Weihnachtsmann zu spielen. Der Gefängnisseelsorger, Pastor Friedrich Kleine, hatte ihn darum gebeten. „Das ist mal eine Abwechslung zum Gefängnisalltag“, begründet er seine Zusage schulterzuckend. Seit Sommer 2021 ist der 43-Jährige inhaftiert – warum, das möchte er nicht sagen. „Ich bin mal falsch abgebogen“, sagt er nur und grinst.

Im Gespräch über das bevorstehende Fest bröckelt die coole Fassade etwas. „Ich wäre schon lieber bei meiner Familie“, gibt er zu. „Stattdessen werde ich mit ein bis zwei guten Freunden aus der Anstalt das Festtagsessen genießen.“ In der JVA Fuhlsbüttel gibt es Heiligabend Bockwurst mit Kartoffelsalat, am ersten Weihnachtsfeiertag Entenkeule, Rotkohl, Knödel und einen weihnachtlichen Muffin und am zweiten Feiertag Putengeschnetzeltes mit Apfel-Zimt-Soße, buntes Gemüse, Kroketten und Cremedessert. Die Anwesenheit der Familie kann das natürlich nicht ersetzen.

Drei oder vier Häftlinge konnten aufgrund der Teilnehmerobergrenze nicht kommen. „Ich bin da nach der Reihenfolge der Anmeldungen gegangen“, erklärt Pastor Friedrich Kleine. Wer zu spät kommt, den bestraft eben das Leben. „Wir werden die Erfahrungen aus diesem Jahr bei der Planung im nächsten Jahr berücksichtigen und entweder eine größere Veranstaltung durchführen, wenn das corona-technisch wieder möglich ist, oder die Teilnehmer auf zwei Termine aufteilen“, meint der Gefängnisseelsorger.
„Weihnachten ist es besonders schlimm“
Umso mehr freuen sich die Väter an diesem Dienstag über den Besuch ihrer Kinder, die sie nur alle sieben bis 14 Tage sehen dürfen. „Ich bin froh, dass das zustande gekommen ist“, sagt Martin (Name geändert), der mit seiner zwei- und seiner achtjährigen Tochter an einem Tisch sitzt und die Hand seiner Frau hält. „Das ist eine kleine Entschädigung dafür, dass ich Weihnachten nicht zuhause sein kann. Es ist schon mein drittes Fest hier, und an solchen Tagen vermisst man seine Familie natürlich besonders.“

Auch seine Frau leidet unter der Situation. „Zu Weihnachten und an Geburtstagen ist es besonders schlimm, dass er nicht da ist. Man spürt einfach, dass etwas fehlt.“ Ein kleiner Lichtblick: „Glücklicherweise hält unsere Familie sehr zusammen und wenn alles nach Plan läuft, ist das sein letztes Weihnachten hier.“
Was man bei all der Romantik und Harmonie nicht vergessen darf: Das hier sind rechtskräftig verurteilte Straftäter. Und diese Veranstaltung soll nicht nur ihrer Belustigung, sondern vor allem ihrer Resozialisierung dienen. „Solche Ereignisse sind bei uns hoch angesiedelt“, sagt JVA-Freizeitkoordinatorin Petra Hartwig. „Es ist wichtig, dass draußen feste Beziehungen bestehen.“ So kann das Rückfallrisiko minimiert werden.

Häftling Martin ist begeistert über den Aufwand, der für diesen Tag betrieben wurde. An einer langen Tafel leiten Ehrenamtliche vom Verein „Wendepunkt“ die Väter und Kinder beim Basteln an, im Hintergrund läuft leise Weihnachtsmusik, die Kapelle ist festlich geschmückt. Genau wie viele der Kinder: Ein Mädchen trägt eine rote Schleife im Haar, ein kleiner Junge hat Hosenträger an. Die meiste Zeit verbringen die Kinder in den Armen oder auf dem Schoß ihrer Väter. Eineinhalb Stunden sind nicht viel, das wissen alle und sie wollen das bestmögliche aus der Zeit herausholen. So viel Kuscheln ist zu normalen Besuchszeiten nicht erlaubt.
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Gegen Ende der Veranstaltung kommt der große Auftritt von Santa Claus Rico. Durch den kleinen Schlitz in seiner Maske sind nur seine dunklen Augen zu sehen. Über der Schulter trägt er den blauen Müllsack, einen echten Jutebeutel gibt es heute nicht. Die Kinder freuen sich trotzdem über die Schokolade, die er herausholt. Pastor Friedrich Kleine spielt Gitarre, alle singen „In der Weihnachtsbäckerei“ und versuchen zu verdrängen, dass der Abschied kurz bevorsteht. Dass es Ricos erster Auftritt als Weihnachtsmann ist, merkt niemand. Wenn es nach ihm ginge, wird aber noch maximal einer folgen. „Bei guter Führung kann ich im Frühjahr 2024 raus“, sagt er.