Tschentscher vs. Kerstan: Rot-Grün streitet um Tempo 30
Seitenhieb von Bürgermeister Tschentscher an seinen Senator: Ginge es nach dem Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne), würde in Hamburg bald auf deutlich mehr Straßen als bisher Tempo 30 gelten – ein Plan dafür ist schon in Abstimmung. Doch nun lässt der Bürgermeister durchblicken: Allen Abschnitten wird er wohl nicht zustimmen. Wie Kerstan reagiert? Die MOPO fragte ihn – und bekam eine überraschende Antwort.
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Seitenhieb von Bürgermeister Tschentscher an seinen Senator: Ginge es nach dem Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne), würde in Hamburg bald auf deutlich mehr Straßen als bisher Tempo 30 gelten – ein Plan dafür ist schon in Abstimmung. Doch nun lässt der Bürgermeister durchblicken: Allen Abschnitten wird er wohl nicht zustimmen. Wie Kerstan reagiert? Die MOPO fragte ihn – und bekam eine überraschende Antwort.
Diesen Plan wolle sich Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) „sehr genau ansehen”, kündigte er am Montag im NDR an. Gemeint ist der Entwurf des aktualisierten Lärmaktionsplans der Umweltbehörde, der in der Behördenabstimmung gerade geprüft wird. Er sieht vor, dass an 67 weiteren Straßenabschnitten nachts Tempo 30 gelten soll, um Lärm zu reduzieren.
Hamburg: Deshalb will Tschentscher Tempo 30 „nicht überall”
Doch Tschentscher ist skeptisch: „Wir brauchen nicht überall Tempo 30, sondern gezielt dort, wo wir Verkehrsberuhigung erreichen wollen”, betonte er – etwa um Straßen vor Schulen, Kindergärten, Seniorenheimen und Krankenhäusern sicherer zu machen.
Und wie reagiert Kerstan? Man wolle Tempo 30 bei Nacht verstetigen, „also die Zeit, in der die meisten Menschen zur Ruhe kommen wollen und schlafen”, sagt er der MOPO – gibt sich aber betont versöhnlich: Weitere Argumente wie die Verkehrssicherheit müssten beachtet werden. Er könne keine Differenz zum Bürgermeister erkennen.
Gegen den Eindruck, Grüne würden flächendeckend Tempo 30 fordern, wehrt er sich aber doch: „Wir haben eine sehr moderate Weiterentwicklung des Lärmaktionsplanes vorgelegt“, sagt er. Es gehe um 67 Abschnitte von mehreren tausend Straßen in Hamburg.
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Es ist nicht das erste Mal, dass es wegen Tempo 30 knirscht. Gerade enthielt sich Hamburg bei einer wichtigen Abstimmung im Bundesrat zur Reform des Straßenverkehrsgesetztes. Sie sollte es leichter machen, Tempo 30 auch dem Klima, der Gesundheit oder der Stadtentwicklung zuliebe anzuordnen.
Doch die Reform scheiterte – auch, weil Hamburg nicht dafür stimmte, sondern sich enthielt. Das ist bei strittigen Punkten in einer Koalition zwar üblich, trotzdem waren viele Grüne nach MOPO-Informationen „mindestens negativ überrascht”. Eine derart kritische Haltung des Koalitionspartners hatte man nicht erwartet, schließlich hatte die SPD-geführte Ampel die Reform angestoßen.
Tempo-30-Reform gescheitert: Hamburgs Grüne frustriert
Doch auch hier beruft man sich auf Verkehrssicherheit: „Hamburg hat der Reform nicht zugestimmt, weil die Sicherheit des Verkehrs bei der Einrichtung von Busspuren, Radwegen, Tempo 30-Zonen oder anderen Maßnahmen nicht beeinträchtigt werden darf”, so der Sprecher der Senatskanzlei zur MOPO. „Dieses war mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf nicht hinreichend sichergestellt.” Darauf habe der Bundesrat den Bund schon vorher hingewiesen.
Nun habe sich Tschentscher für einen Vermittlungsausschuss eingesetzt – und will eine bestimmte Formulierung im Gesetz ergänzt wissen: Die Anordnungen müssten „auch die Leichtigkeit des Verkehrs berücksichtigen und dürfen die Sicherheit des Verkehrs nicht gefährden.”
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Werden Verkehrsfluss und Sicherheit gegen Klima und Stadtentwicklung ausgespielt? Grünen-Kreise überzeugt die Erklärung nicht – schließlich war auf Bundesebene sogar die FDP an Bord.
Der Frust reicht von der Fraktion bis in die Bezirke: Die Grünen in Eimsbüttel reichten prompt einen Antrag ein. „Mit unserem Antrag fordern wir den Hamburger Senat auf, sich für mehr Tempo 30 einzusetzen”, sagt die Fraktionsvorsitzende Kathrin Warnecke. „Alles andere wäre sehr bedauerlich.”