Riesen-Ärger um den Hafen-Verkauf: Die China-Falle
Will Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach dem AKW-Machtwort nun gleich das nächste „Basta“ durchsetzen? Er soll sich für ein umstrittenes Geschäft zwischen dem Hamburger Hafen und der chinesische Staatsreederei Cosco stark machen – und das sorgt für massive Kritik. Aber warum will China überhaupt im Hafen investieren? Und was sind die Folgen?
Will Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach dem AKW-Machtwort nun gleich das nächste „Basta“ durchsetzen? Er soll sich für ein umstrittenes Geschäft zwischen dem Hamburger Hafen und der chinesische Staatsreederei Cosco stark machen – und das sorgt für massive Kritik. Aber warum will China überhaupt im Hamburger Hafen investieren? Und was sind die Folgen?
Wenn es einzig nach Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD), der städtischen Hafengesellschaft HHLA und der chinesischen Staatsreederei Cosco ginge, wäre die Sache klar: Cosco soll 35 Prozent der Betreibergesellschaft kaufen, die das Containerterminal Tollerort betreibt. Vier Liegeplätze und 14 Containerbrücken gibt es hier, an denen zahlreiche Schiffe gelöscht werden.
Hamburger Hafen: Will Scholz den China-Deal durchdrücken?
Die drei sind sich schon lange einig, doch das Geschäft stößt auf heftigen Widerstand – schließlich würde sich der chinesische Staat auf diese Weise in kritische Infrastruktur in Deutschland einkaufen. Grund und Boden des Hafens blieben zwar in Hamburger Hand, betont Tschentscher. Es sollen lediglich Anteile der Betreibergesellschaft HHLA-Terminal Tollerort (CTT) verkauft werden, die die Terminalflächen von der Stadt mietet. Aber Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ist alarmiert, fürchtet Erpressungspotenzial und wies ein Investitionsprüfverfahren an. Sechs Bundesministerien sind nach NDR- und WDR-Recherchen gegen den Deal, Habeck soll das Geschäft schon zur Ablehnung im Bundeskabinett angemeldet haben.

Doch nun kam heraus: Das Kanzleramt nahm das nicht auf die Tagesordnung. Stattdessen soll Bundeskanzler und Hamburgs Ex-Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) nun prüfen lassen, wie der Deal doch noch klappen könnte.
Es folgte massiver Zwist in der Berliner Ampel-Koalition und reichlich Kritik: „Was muss in dieser Welt eigentlich noch passieren, damit Deutschland in der Realität ankommt und nicht Männchen macht vor den Feinden der demokratischen Welt“, twitterte etwa die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Ein Verkauf von kritischer Infrastruktur an China sei ein „krasser Fehler“. „Wer berät eigentlich den Bundeskanzler?“ Auch die Grünen-Chefin Ricarda Lang mahnte: „Wir sollten aus Fehlern gerade mit Blick auf China lernen und keine neuen Abhängigkeiten schaffen.“
Cosco im Hamburger Hafen: Deshalb ist der Deal verlockend
Tschentscher und offenbar auch Scholz wollen den Deal aber unbedingt. Denn Cosco lockt damit, den Hamburger Hafen zu einem bevorzugten Umschlagplatz zu machen. China ist die weltweit führende Containermacht, die Staatsreederei Cosco die zweitgrößte Reederei der Welt. Für den Hamburger Hafen verlockende Partner – erst recht bei all seinen Problemen: Verschlickung, zu flache Fahrrinnen, der ängstliche Blick auf die Konkurrenz. Da wollen der Senat und Scholz den schon jetzt mit 30 Prozent größten Kunden China nicht verprellen.
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„China ist für den Hamburger Hafen systemrelevant“, sagt auch der Wirtschaftsexperte und Direktor des „Centrums für Europäische Politik“ Henning Vöpel der MOPO. „Doch wenn wir noch mehr auf China setzen, indem wir eine Beteiligung zulassen, sichert das zwar vordergründig die ökonomische Bedeutung, aber wir machen uns dadurch noch abhängiger. Wir spielen also bereits das Spiel, das wir eigentlich verhindern wollen. Noch haben wir die freie Entscheidungsmöglichkeit.“

Auch Rolf Langhammer vom Institut für Weltwirtschaft Kiel sieht das Versprechen von Cosco, Hamburg bevorzugt zu behandeln, kritisch: „Ein normales privatwirtschaftliches Unternehmen verspricht so etwas nicht“, sagt er der MOPO. „Das zeigt, dass Cosco andere Interessen als nur betriebswirtschaftliche verfolgt.“ Die Strategie des chinesischen Staatsunternehmens sei unbekannt. „Der Senat ist blauäugig, wenn er einfach auf die bisher guten Beziehungen zwischen Hamburg und China vertraut.“
China: Experten sehen im Terminal-Kauf geopolitische Interessen
Langhammers Vermutung: China will die sogenannte maritime und digitale Seidenstraße ausbauen. Neben den Containerbrücken und Kränen kommen so auch zahlreiche Daten über den Überseehandel in chinesische Hände. „China hat eine enorme Datenkompetenz und kann so eine Datenherrschaft über den Überseehandel aufbauen“, so Langhammer. „Wir müssen sehr aufpassen, dass hier keine missbräuchliche marktbeherrschende Position generiert wird.“
China hat sich bereits in anderen Ländern Europas in kritische Infrastruktur wie europäischen Häfen und Logistikzentren eingekauft. 2018 hatte China auch versucht, in den Stromnetzbetreiber 50Hertz einzusteigen – das wurde verhindert. Mit dem Terminal im Hamburger Hafen würde nun ein weiterer Baustein in dem Logistiknetz hinzukommen und Chinas Einfluss weiter steigen.

„Wenn sich private Unternehmen beteiligen, ist das etwas anderes. Aber hier reden wir nicht nur von wirtschaftlichen, sondern auch von geopolitischen Interessen, man höre nur aufmerksam dem Parteitag in China zu“, sagt Vöpel. „Immer, wenn wir mit Cosco sprechen, sprechen wir mit dem chinesischen Staat. Kommt die Beteiligung zustande, dann sitzt die Stadt Hamburg mit dem Staat China an einem Tisch.“
China-Deal eingehen oder nicht?
Und was ist die Lösung? Langhammer spricht sich trotz der Bedenken dafür aus, das Geschäft abzuschließen. „Der Zug ist abgefahren“, sagt er. „Cosco hat schon in fast allen anderen europäischen Hafen Anteile. Wenn Hamburg sich sperrt, erreichen wir auch nichts.“ Es sollte aber strenge Auflagen geben, über die der Senat etwa Einblicke in die digitale Infrastruktur bekommt.
Vöpel ist aber skeptisch: „Die Befürworter wollen China ja gerade reinlassen, weil es ökonomisch so wichtig ist. Daher ist das Mitspracherecht in Wahrheit bereits viel größer, als es die 35 Prozent der Anteile aussagen. Es ist wie ein Trojanisches Pferd.” Und wer einmal drin sei, könne auch später auf eine Änderung der Bedingungen drängen. „Es ist wichtig, jetzt die geostrategische Abhängigkeit zu verhindern.“