Der Klo-Held aus der Neustadt: „Man muss einfach was machen“
Das ist wirklich einmal ein vorbildliches bürgerliches Engagement: Weil es in seinem Viertel in der Neustadt nachts keine geöffneten Toiletten gibt und Obdachlose in Hauseingängen, Fußgängertunneln und zwischen Containern ihre Notdurft verrichten, hat Uwe Carstensen (75) nun aus eigener Tasche ein Dixi-Klo aufgestellt. Doch jetzt wurde die Toilette am Großneumarkt wieder abgebaut. Wieso das passiert ist und warum die Politik ihn nicht unterstützt.
Das ist wirklich einmal ein vorbildliches bürgerliches Engagement: Weil es in seinem Viertel in der Neustadt nachts keine geöffneten Toiletten gibt und Obdachlose in Hauseingängen, Fußgängertunneln und zwischen Containern ihre Notdurft verrichten, hat Uwe Carstensen (75) aus eigener Tasche ein Dixi-Klo aufgestellt. Doch jetzt wurde die Toilette am Großneumarkt wieder abgebaut. Wieso das passiert ist und warum die Politik ihn nicht unterstützt.
Zwei Monate lang stand ein grünes Dixi-Klo am südlichen Ende des Großneumarkts neben den Containern der Stadtreinigung. Ein passender Ort: „Tatsächlich haben Obdachlose dort oft ihre Notdurft zwischen den Containern verrichtet“, erzählt Uwe Carstensen. Die seien dann daraufhin regelmäßig versetzt worden. Mit Aufstellen des Dixi-Klos sei das vorbei gewesen.
Hamburg Großneumarkt: Viele Obdachlose in der Neustadt
„Obdachlosen-Toilette auch für Sie“ – solch ein Schild klebte Carstensen, dem der Fahrradladen „Wheels“ im Alten Steinweg gehört, an die Tür. Denn nicht nur Obdachlose haben dort in der Gegend im Notfall schon mal vergeblich nach einer Toilette gesucht.
Wer in der Neustadt wohnt, der kennt das Problem mit dem Urinieren und Koten von Obdachlosen in Hauseingängen und in Ecken, die vor Blicken geschützt sind. Ein Anwohner schätzt gegenüber der MOPO, dass im Sommer rund 80 bis 90 Menschen im Stadtteil in Hauseingängen, Fußgängertunneln oder beim Michel unter freiem Himmel übernachten. Und die öffentlichen Toiletten sind dann alle geschlossen oder kosten Geld.
Patenschaft: Uwe Carstensen stellt Dixi-Klo auf und zahlt
Der Fußgängertunnel Großneumarkt/Michaeliskirche wurde von niemandem mehr benutzt, der sich auch nur ein wenig im Quartier auskannte, weil er so vollgekotet ist. Nur Touristen verirrten sich noch dorthin. Im vergangenen Jahr übernahm Carstensen kurzerhand eine Art Patenschaft für diesen Tunnel und informierte die Stadtreinigung, wenn es schlimm wurde. Die schickte auch tatsächlich einen Reinigungsdienst und es wurde spürbar sauberer.
Beflügelt von diesem Erfolg überlegte sich Carstensen, ein Dixi-Klo probeweise für zwei Monate aufzustellen. „Ich wollte einfach selbst mal wissen, ob das klappen kann“, erinnert sich der zupackende Mann, der selbst auch in der Neustadt wohnt. Mehrere Monate Zeit investierte er, beantragte Genehmigungen und leistete Überzeugungsarbeit bei skeptischen Gewerbetreibenden und Anwohnern. Die Kosten von knapp 1000 Euro trug er aus eigener Tasche.
Klopapier mit Kabelbinder festgebunden
Im Juni und Juli stand die Toilette nun auf dem Großneumarkt und war ein voller Erfolg. Die Gebüsche und Hauseingänge waren deutlich sauberer. Das attestiert ihm auch der Stadtteilbeirat. Carstensen selbst kümmerte sich die ganze Zeit um „sein“ Dixi-Klo. „Das Schloss musste blockiert werden, damit sich niemand einschließt und ich habe das Toilettenpapier nachgefüllt und es mit Kabelbindern festgebunden und geguckt, dass keine Spritzen drin liegen.“
Nach zwei Monaten war Carstensens Projekt beendet, die Stadteilkonferenz machte sich bei der Bezirkspolitik dafür stark, dass es verlängert wird und Carstensen sagte zu, dass er auch noch weitere Zeit die Patenschaft übernehmen würde. Aber auf Dauer die Miete für das Dixi-Klo zahlen, das wollte er dann doch nicht. Es war halt ein Projekt und eigentlich sei es ja Aufgabe der Stadt, sich um die Notdurft der Menschen hier zu kümmern. Ein Antrag des Stadtteilbeirats beim Bezirksamt, die 440 Euro Miete im Monat für das mobile Klo zu übernehmen, scheiterte.
Bezirk Mitte: SPD, CDU und FDP schmettern Antrag ab
Und auch ein Antrag in der Bezirksversammlung wurde abgeschmettert. Obwohl Carstensen von allen Seiten attestiert wird, dass das Projekt ein voller Erfolg war. Vom Stadtteilbeirat heißt es dazu: „Die mobile WC-Anlage hat zu einer erheblichen Verbesserung der Sauberkeit rund um den Platz geführt. Es gibt Rückmeldungen sowohl von zahlreichen Anwohnenden, Gewerbetreibenden und Besuchern, als auch der Stadtreinigung Hamburg, die eine deutliche Verbesserung der Sauberkeit der Containeranlage verzeichnet. Die Aktion wird von allen Seiten als positiv bewertet.“
Doch die aktuelle Mitte-Koalition aus SPD, CDU und FDP lehnten den Antrag im Hauptausschuss des Bezirks ab. Sie waren nur dazu bereit, das Dixi-Klo noch für den restlichen Sommer an dem Standort zu genehmigen. Die Kosten von 440 Euro wollten die Politiker aber nicht vom Bezirk tragen lassen. Tatsächlich wird die Toilette nur bis Ende Oktober überhaupt gebraucht, danach sind weniger Menschen dort nachts unterwegs.
Dazu der SPD-Fraktionsvorsitzende Oliver Sträter: „Der Modellversuch war gut und unterstützenswert. Aber wir brauchen dort eine dauerhafte Toiletten-Lösung gemeinsam mit der Stadtreinigung.“ Das Dixi-Klo wird von der Politik aber als ein Provisorium gesehen und man wolle auch kein Fass damit aufmachen, dass der Bezirk nun aus eigenen Mitteln mobile WC-Anlagen finanziere. Tatsächlich gibt es auch am Großneumarkt eine Toilette der Stadtreinigung. Sie ist hinter dem Eiscafé, nur saisonal geöffnet, schließt um 20 Uhr – und kostet 50 Cent für die Benutzung.
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Ein Tritt vors Schienbein jedes engagierten Bürgers! Doch Uwe Carstensen lässt sich nicht entmutigen. „Das Bezirksamt will zwar immer noch nicht mit mir über Patenschaften für Dixi-Klos sprechen, aber ich bleibe da dran“, so der Neustädter. Frustriert ist er nach eigener Aussage aber nicht. „Man muss einfach was machen und freut sich dann, wenn es klappt. Und wenn nicht, gehört das ja auch zum Leben dazu.“ Und sein Dixi-Klo war jedenfalls für zwei Monate schon mal ein voller Erfolg. Und vielleicht passiert ja noch ein Wunder und es geht doch weiter.