Besser als Indiana Jones: Er ist der wahre Jäger der verlorenen Schätze
Indiana Jones ist gegen ihn ein Waisenknabe. Der wahre Jäger der verlorenen Schätze ist er: Matthias Glüsing, ein 41-jähriger Bauunternehmer aus dem Landkreis Rotenburg/Wümme. Wenn er seinen Metalldetektor auspackt, dann sind Funde beinahe garantiert. Manchmal holt er 300 Jahre alte Uniformknöpfe aus den Tiefen eines Ackers hervor, manchmal Musketenkugeln. Aber auch auf ein paar echte Schätze aus Gold und Silber ist er bereits gestoßen. Darunter ein unschätzbar wertvolles Goldstück, das es auf der ganzen Welt nur ein einziges Mal gibt. Wie hat er das geschafft?
Indiana Jones ist ein Niemand verglichen mit ihm. Der wahre Jäger der verlorenen Schätze ist er: Matthias Glüsing, ein 41-jähriger Bauunternehmer aus dem Landkreis Rotenburg/Wümme. Wenn er seinen Metalldetektor auspackt, dann sind Funde beinahe garantiert. Manchmal holt er 300 Jahre alte Uniformknöpfe aus den Tiefen eines Ackers hervor, manchmal Musketenkugeln. Aber auch auf ein paar echte Schätze aus Gold und Silber ist er bereits gestoßen. Darunter ein unschätzbar wertvolles Goldstück, das es auf der ganzen Welt nur ein einziges Mal gibt. Wie hat er das geschafft?
Wir treffen uns mit Matthias Glüsing früh um 8 Uhr. Wir wollen dabei sein, wenn er seinem Hobby nachgeht, das, wie er selbst sagt, längst zum Mittelpunkt seines Lebens geworden ist: das sogenannte „Sondeln“. Unser Treffpunkt ist geheim und muss auch geheim bleiben – „denn sonst“, so sagt Glüsing, „sind hier morgen die ganzen Schwarzsondler unterwegs“. Das sind Leute, die zwar einen Metalldetektor, aber keine Genehmigung der Denkmalschutzbehörde haben.“ Und die am Ende alles in die eigene Tasche stecken. Etwas, was für Glüsing nicht in Frage kommt.

Wenn der Bauer gepflügt hat, kommen neue Schätze zutage
Unablässig piept der Metalldetektor, aber Glüsing kennt sein Gerät so gut, dass er genau weiß, wann es Sinn ergibt zu graben und welche Signale er getrost ignorieren kann. Ein dunkler Ton – das bedeutet Eisen. Wertlos. Graben überflüssig. Helle, laute Töne dagegen deuten auf Silber hin. Glüsing rammt dann seinen Spaten in den Boden, sucht anschließend den Aushub mit einem kleinen Pinpointer ab, einem Mini-Metalldetektor in Größe eines Kugelschreibers – und stößt so meist nach wenigen Sekunden auf den Fund. Diesmal ist es nur ein Stück Aluminium. „Aber keine Sorge, wir werden was Richtiges finden“, sagt er, um die Reporter zu beruhigen. „Hier klappt es eigentlich immer.“

Nur selten verlässt sich Glüsing auf sein Glück. Das Geheimnis seines Erfolgs lautet: Recherche. „So viele Stunden, wie ich auf dem Acker unterwegs bin, so viele Stunden habe ich vorher schon in Büchern, Archiven und im Internet recherchiert“, erzählt er. Vor wenigen Jahren ist er so auch auf den Acker gestoßen, auf dem wir uns gerade befinden und auf dem er, wie er erzählt, schon Hunderte Funde gemacht hat. Sogar Silbermünzen waren darunter. Immer, wenn der Bauer den Acker gepflügt hat, kommen neue Schätze zutage.

„Dank alter Karten konnte ich nachweisen, dass sich hier 1757 ein riesiges Heerlager befand“, erzählt Glüsing. „Damals tobte der Siebenjährige Krieg. Nach einer verlorenen Schlacht gegen die Franzosen campierten an dieser Stelle hannoversche, braunschweigische und hessische Truppen. Man muss sich das vorstellen: 25.000 Soldaten haben hier dicht an dicht gezeltet. Wahrscheinlich war der ganze Acker voller Morast und Matsch. Nach Sonnenuntergang gab es kaum Beleuchtung. Wenn einem Soldaten da was runterfiel, dann war es weg.“
„Glüsing hat eine Nase, die ist unfassbar. Als hätte er ein eingebautes Radar“
Nun ist Glüsing da, um all das, was vor zweieinhalb Jahrhunderten abhandenkam, wieder zum Vorschein zu bringen. Da ist zum Beispiel die Musketenkugel, auf die er nach nicht mal einer halben Stunde Suche stößt. Es ist nicht die letzte an diesem Tag. Außerdem findet Glüsing so viele Uniformknöpfe und Schnallen aus Kupfer, dass wir irgendwann aufhören zu zählen. Jeden Fund verpackt er in ein Plastiktütchen und schreibt die genauen Koordinaten drauf – damit Daniel Nösler, Chefarchäologe im Landkreis Stade, den Fund später als Punkt in eine Karte eintragen kann.

Glüsing lebt nicht von der Schatzsuche. Er ist Bauunternehmer, Chef einer Ein-Mann-Firma, die auf Kernbohrungen und auf die Behebung von Wasserschäden spezialisiert ist. Seine Leidenschaft aber, er gibt es zu, gilt längst der Archäologie. „Ich gucke nie fernsehen. Ich bin auch nicht verheiratet, habe auch keine Partnerin. In jeder freien Minute recherchiere ich entweder im Netz oder bin irgendwo mit meinem Metalldetektor unterwegs. Ich kann dann wunderbar abschalten, vergesse allen Stress. Das ist das schönste Hobby auf der Welt.“
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Auf Matthias Glüsing angesprochen, gerät Stades Kreisarchäologe Nösler regelrecht ins Schwärmen. Rund 50 ehrenamtliche Sondengänger sind für ihn unterwegs, erzählt er. Glüsing gehöre zu den erfolgreichsten. „Ich sage immer, es gibt Sucher und es gibt Finder. Und Glüsing ist eindeutig ein Finder“, so Nösler. „Der hat eine Nase, die ist unfassbar. Als hätte er ein eingebautes Radar. Der hat schon an Stellen Funde gemacht, an denen hätten wir Archäologen nicht mal gesucht.“

„Solch einen Silberfund gab es im Landkreis Stade noch nie“
Im Juni 2018 beispielweise ist Glüsing in einem Niedermoor bei Aspe im Landkreis Stade unterwegs, als er zunächst auf einen einzigen gut erhaltenen Silbertaler aus dem frühen 17. Jahrhundert stößt. „Ich habe dann das umliegende Areal intensiv abgesucht – und fand weitere 14 Silbermünzen und die Scherben eines kleinen Steinzeuggefäßes.“
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Archäologe Daniel Nösler kann den Fund deuten: Die Münzen stammen aus dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648). Damals zogen Heere mordend und brandschatzend durchs Land und viele Leute haben versucht, ihr Vermögen vor dem Zugriff der Soldaten zu schützen, indem sie es vergruben – etwa am Rande eines Moores, wie in diesem Fall. „Einen vergleichbaren Silberschatz hat es bei uns zuvor nie gegeben“, so Nösler.
2018 macht Glüsing dann seinen bisher größten Fund: In Fredenbeck bei Stade stößt er auf einem Acker auf eine Goldmünze aus römischer Zeit, und zwar auf eine ganze seltene: Die sogenannten Multipla wurden vom römischen Kaiser nur an besondere Würdenträger verliehen. „In diesem Fall hat sie vermutlich ein sächsischer Heerführer, der mit den Römern verbündet war, erhalten – vielleicht als Anerkennung für eine gewonnene Schlacht“, vermutet Archäologe Nösler. Solche Münzen seien extrem selten. „Von der, die Glüsing da gefunden hat, ist auf der ganzen Welt kein zweites Exemplar bekannt.“

Nach niedersächsischem Recht gilt: Wer Dinge findet, deren Eigentümer nicht mehr ermittelt werden können, darf sie behalten. Allerdings ist der Grundeigentümer, auf dessen Fläche der Fund gemacht worden ist, zur Hälfte zu beteiligen. Bei Funden von herausragender Bedeutung hat das Land das Recht, den Fund einzubehalten. Allerdings erhalten Finder und Grundeigentümer in diesem Fall eine Belohnung: Darüber, wie viel Geld der Landkreis Stade und der Museumsverein Stade für die Goldmünze gezahlt haben, wurde Stillschweigen vereinbart. Sie ist heute im Museum „Schwedenspeicher“ in Stade ausgestellt.

Der Erfolg spornt Glüsing an. Weitere Schätze will er finden. Nicht des Geldes wegen, sondern weil ihm Geschichte am Herzen liegt. Zum Abschied erzählt er, dass er, als er mit seinem Hobby begann, häufiger belächelt worden sei. Viele hätten nicht verstanden, warum er so viel Zeit und Geld investiert in ein vermeintlich aussichtsloses Unterfangen. „Das hat sich geändert“, sagt er triumphierend. „Ich habe inzwischen so viel gefunden, da lacht keiner mehr.“
Sie wollen auch Sondengänger werden: So funktioniert es
Mit Metalldetektoren auf Schatzsuche zu gehen, ist ein boomendes Hobby. Das Archäologische Landesamt Schleswig-Holstein beispielsweise führt eine Warteliste, auf der derzeit 100 Bewerber stehen: Sie alle wollen an einem Zertifizierungskurs teilnehmen. Solche Lehrgänge sind in Schleswig-Holstein, Niedersachsen und auch in den meisten anderen Bundesländern Pflicht: Ohne Teilnahme an einem solchen Kurs gibt es keine Genehmigung, den Boden mit Sonden nach historischen Relikten absuchen zu dürfen. Die Kurse dauern mehrere Tage und haben einen theoretischen und einen praktischen Teil. Den Teilnehmern wird dabei auch erklärt, was zu tun ist, wenn sie auf Kampfmittel etwa aus dem Zweiten Weltkrieg stoßen.
Wer ohne Genehmigung der Denkmalschutzbehörden nach historischen Relikten sucht, macht sich strafbar.
Wer Sondengänger werden will, kann sich in Schleswig-Holstein ans Archäologische Landesamt in Schleswig wenden, Tel. 04621-3870, Email: detektor.betreuung@alsh.landsh.de. Neuanmeldungen sind aber erst wieder ab Herbst 2023 möglich. Ansprechpartner für das Gebiet der Hansestadt Lübeck: archaeologie@luebeck.de
In Niedersachsen ist das Landesamt für Denkmalpflege zuständig für Sondengänger. Interessenten schreiben eine Email an: Sonden@NLD.Niedersachsen.de oder wenden sich an die jeweilige Untere Denkmalschutzbehörde der Landkreise. Wer etwa im Landkreis Stade Sondengänger werden möchte, schreibt eine Mail an: archaeologie@landkreis-stade.de
Die Behörde für Bodendenkmalpflege in Hamburg bietet keine Zertifizierungskurse für Sondengänger an. Der Einsatz von Sondengängern werde nicht gefördert, so die Pressestelle des Archäologischen Museums Hamburg.