Dem NS-Raubgut auf der Spur: Hamburgs Staatsbibliothek in der Nazi-Diktatur
Es ist das dunkelste Kapitel in der Geschichte der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg (SUB): Das Haus profitierte während der Nazi-Zeit vom Holocaust, indem es etwa wertvolle Handschriften und Bücher aus jüdischem Besitz übernahm. Bis heute sind die Bestände voll mit solchem Raubgut. Sie zu identifizieren und die wahren Eigentümer ausfindig zu machen – Provenienzforschung nennt Fachleute das – ist schwierig und geht nicht ohne detektivische Spurensuche.
Es ist das dunkelste Kapitel in der Geschichte der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg (SUB): Das Haus profitierte während der Nazi-Zeit vom Holocaust, indem es etwa wertvolle Handschriften und Bücher aus jüdischem Besitz übernahm. Bis heute sind die Bestände voll mit solchem Raubgut. Sie zu identifizieren und die wahren Eigentümer ausfindig zu machen – Provenienzforschung nennt Fachleute das – ist schwierig und geht nicht ohne detektivische Spurensuche.
„Sehr erfreuliche Vermehrungen“, so heißt eine spannende Ausstellung, die am Dienstag, 19. Juli 2022, um 18 Uhr eröffnet wird und in der die Stabi sich ihrer Geschichte stellt. Ausgestellt werden beispielsweise Briefe der Hamburger Dichter Detlev von Liliencron, Gustav Falke und Richard Dehmel, die sich die Stabi damals aneignete.

1942 freute sich der Stabi-Chef über „sehr erfreuliche Vermehrungen“
Durch gezielte Ankäufe bei Auktionshäusern und Antiquariaten gelangten in der NS-Zeit Zeugnisse aus dem Hamburger Dichterkreis, aber auch etliche alte Drucke und seltene Bücher in die Sondersammlungen der Bibliothek. Oft beruhten die Erwerbungen auf erzwungenen Verkäufen von Menschen, die wegen ihrer jüdischen Herkunft verfolgt wurden. Die Bibliothek griff gerne zu: Bibliotheksdirektor Gustav Wahl blickte 1942 auf „sehr erfreuliche Vermehrungen“ zurück, darunter eine große Autographensammlung „aus dem Besitz“, so schrieb er, „eines evakuierten Juden“ – wobei „evakuiert“ deportiert bedeutet.

Für die Stabi gehört Provenienzforschung – also die Beschäftigung mit der Herkunft von Büchern oder Objekten – schon seit langem zum Arbeitsalltag. 2006 begann die systematische Überprüfung von Büchern, die in der Nazi-Zeit in den Bestand kamen und unter NS-Raubgutverdacht stehen. Die Arbeitsstelle Provenienzforschung recherchiert Hintergründe, ermittelt Angehörige rechtmäßiger Eigentümer und organisiert Restitutionen. Gezeigt werden erste Ergebnisse eines laufenden Forschungsprojekts, das besondere Neuzugänge aus den Jahren 1933 bis 1945 daraufhin überprüft, ob es sich um NS-Raubgut handelt.
Stabi sucht seit 2006 in den eigenen Beständen nach NS-Raubgut
Die Ausstellung, die bis zum 22. September in der Stabi zu sehen ist, erklärt Arbeitsabläufe der Provenienzforschung und stellt gelöste sowie (noch) ungelöste Fälle vor. Sie erzählt von Biografien hinter den Handschriften und Büchern: etwa die des Berliner Schriftstellers und Literaturwissenschaftlers Heinrich Spiero, dem es das Herz zerriss, seine geliebten Autographen – also Handschriften berühmter Dichter – verkaufen zu müssen. Oder des Dortmunder Rechtsanwalts Otto Elias, den die Nationalsozialisten bereits 1933 in den Tod trieben. Zugleich wird deutlich, dass es mehr als 75 Jahre nach Kriegsende in vielen Fällen keine eindeutige Klärung mehr geben kann.

Ausstellung wird am Dienstag eröffnet – Eintritt ist frei
Die Ausstellungseröffnung am Dienstag, 19. Juli, findet ab 18 Uhr im Vortragsraum der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg (Von-Melle-Park 3, 20146 Hamburg) statt. Bibliotheksdirektor Prof. Robert Zepf wird ein Grußwort sprechen, anschließend führt Kuratorin Anneke de Rudder in die Ausstellung ein. Eine Lesung aus Originaldokumenten gibt es auch. Der Eintritt ist frei.