Deichbau contra Wohnraum: Unser WG-Projekt soll abgerissen werden!
16 Menschen und eine Katze leben in der Fährstraße 115 im Reiherstiegviertel in Wilhelmsburg. Doch jetzt befürchten sie das Aus für ihre linke WG. Denn gerade als sie das Haus vom bisherigen Eigentümer kaufen wollten, schaltet sich die Stadt ein – und will das Grundstück prompt selbst einstreichen. Was steckt dahinter?
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16 Menschen und eine Katze leben in der Fährstraße 115 im Reiherstiegviertel in Wilhelmsburg. Doch jetzt befürchten sie das Aus für ihre linke WG. Denn gerade als sie das Haus vom bisherigen Eigentümer kaufen wollten, schaltet sich die Stadt ein – und will das Grundstück prompt selbst einstreichen. Was steckt dahinter?
Die Bewohner der Fährstraße 115 sind angespannt. Am Mittwoch wird vor dem Verwaltungsgericht Hamburg verhandelt, ob sie ihr Zuhause verlieren. Eine von ihnen ist Ronja Lührs. Sie wohnt seit zehn Jahren in dem Wohnprojekt, das es hier schon seit 2007 gibt.
Hamburg: Deshalb will Stadt ihr Vorkaufsrecht nutzten
„Es ist eine sehr schöne und bereichernde Art zu Wohnen”, sagt die 33-Jährige der MOPO. „Wir teilen total viel – Gegenstände und unser Leben. Aber auch Räume mit der Nachbar:innenschaft.“ Für Yogakurse zum Beispiel, Konzerte oder kleine Ausstellungen. Wer es braucht, kann auch duschen oder seine Wäsche waschen.
All das wollten die Bewohner langfristig sichern – und das Gebäude mit 450 Quadratmetern und Garten mit dem „Mietshäuser Syndikat” kaufen, einem Zusammenschluss aus rund 180 Wohnprojekten. Acht Euro pro Quadratmeter sollte die Kaltmiete hier nach dem Kauf kosten. Zunächst lief alles gut, im Februar 2020 wurde der Kaufvertrag unterschrieben. Doch dann der Schock: Die Stadt beruft sich auf ihr Vorkaufsrecht – wegen Hochwasserschutz.
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Das Gebäude steht kurz hinter dem Deich. Dieser Bereich soll jetzt „ordnungsgemäß” hergestellt werden, so die zuständige Umweltbehörde. Dahinter ist ein Schutzstreifen geplant, der einer Wiese ähnelt. Zudem soll der Deich in den kommenden Jahren erhöht werden und auch dafür werde die Fläche benötigt. Dem Haus droht der Abriss.
WG in Wilhelmsburg: „Es fehlt an politischem Willen”
Für die WG nicht nachvollziehbar. Als der Deich in den 1990ern erhöht wurde, war das Grundstück noch im Besitz der Stadt. „Man hat es damals nicht für nötig gehalten, so einen Deichschutzstreifen anzulegen und hat das Grundstück sogar 2007 an einen Privateigentümer verkauft“, sagt Lührs. „Warum jetzt plötzlich?“ Zudem gebe es für eine zukünftige Deicherhöhung andere, weniger breite Konstruktionen, wodurch das Haus erhalten werden könnte. „Es fehlt an politischem Willen“, sagt Lührs. „Die Stadt drückt sich um ihre Verantwortung, eine sozialverträgliche Hochwasserpolitik zu machen.“
„Zu dem Zeitpunkt war das aktuelle Bauprogramm abgeschlossen”, sagt die Behördensprecherin der MOPO. 2012 habe der Senat dann ein neues beschlossen. Und wurden alternative Bauweisen für die kommende Erhöhung geprüft? Da seien die Vorplanungen noch nicht abgeschlossen, heißt es nur.
Hamburg: Behörde will bei Suche helfen
Die Behörde habe die Aufgabe, die Partikularinteressen Einzelner gegen die öffentlichen Interessen abzuwägen, verteidigt sich die Behörde. „Die Deichsicherheit ist dabei ein besonders hohes Gut, insbesondere auf der Elbinsel Wilhelmsburg.”
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Doch die Bewohner sehen das Vorgehen als Farce: Wohnraum und Hochwasserschutz sollten nicht gegeneinander ausgespielt werden, finden sie. Die Stadt kaufe auf Vorrat. Die Behörde verspricht zwar, bei der Suche nach alternativen Standorten zu unterstützen. „Es wird in Hamburg zunehmend schwer, etwas zu finden“, sagt aber Lührs. „Vor allem, wenn wir günstige Mieten und Gemeinschaftsräume gewährleisten wollen.” Sie fürchtet das Aus für ihr Zuhause: „Sollte die Stadt gewinnen, wissen wir nicht, wie es mit uns weiter geht und wie lang wir bleiben können.“