„Defizitär“: Hamburger Ärzte drohen mit Schließung von Notfallpraxen
Streit über Honorare mitten in der Grippe- und Erkältungswelle: Hamburger Kassenärzte drohen, Notfallpraxen zu schließen, wenn die Krankenkassen die Kosten nicht komplett übernehmen. Die Kassen reagieren mit einem trockenen Hinweis.
- Deutsch (Deutschland)
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Streit über Honorare mitten in der Grippe- und Erkältungswelle: Hamburger Kassenärzte drohen, Notfallpraxen zu schließen, wenn die Krankenkassen die Kosten nicht komplett übernehmen. Die Kassen reagieren mit einem trockenen Hinweis.
Acht Notfallpraxen, dazu die Hausbesuche des ärztlichen Bereitschaftsdienstes und die Telefonberatung unter der Nummer 116117: Hamburg hat den komfortabelsten Notdienst in ganz Deutschland, wie John Afful, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Hamburg, lobt. Die Versorgung von täglich rund 1000 Patienten außerhalb der Praxiszeiten kostet allerdings 20 Millionen Euro im Jahr, etwa für Praxismieten, Personalkosten, Arzthonorare und den Fuhrpark des Bereitschaftsdienstes. Diese Summe zahlen, so klagt jedenfalls die Kassenärztliche Vereinigung Hamburg, die Ärzte größtenteils selbst, der Rund-um-die Uhr-Service sei für die Ärzte „hochdefizitär.“
Damit soll nun Schluss sein, so Afful: „Ohne eine volle Finanzierung durch die Kassen können wir diesen Service in diesem Umfang nicht mehr erbringen. Es droht ganz konkret die Schließung von Notfallpraxen, wenn hier nicht in Zusammenarbeit mit den Krankenkassen und der Stadt Hamburg schnell Lösungen gefunden werden.“
Krankenkassen wollen nicht mehr Geld zahlen
Leicht wird das nicht. Die Gesundheitsbehörde hält sich aus dem Streit weitgehend heraus, erklärt nur, dass sie „im stetigen Austausch mit den Akteuren der Notfallversorgung“ stehe. Und der Verband der Ersatzkassen (Vdek) sieht sich zu Unrecht in die Pflicht genommen und verweist gegenüber der MOPO auf das Gesamtbudget, das Krankenkassen und die Kassenärztliche Vereinigung für Hamburg vereinbart haben und das bei rund 1,4 Milliarden Euro pro Jahr liegt. Wie dieses Budget verteilt wird, wie viel davon Haus- und Fachärzte kriegen, Psychotherapeutinnen oder eben Notfallpraxen, das sei Sache der KV. Zusätzlich und freiwillig zahlen die Krankenkassen in Hamburg binnen vier Jahren insgesamt sechs Millionen Euro direkt für den Notdienst. Vdek-Sprecherin Stefanie Kreiss zur MOPO: „Die Notdienst-Versorgung in der Hansestadt ist daher besser als gesetzlich vorgesehen finanziert.“
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Den Antrag, dass die KV bei den Kassen für die komplette Kostenübernahme kämpfen soll, hat der Orthopäde Dr. Torsten Hemker gestellt. „Wir wollen die Hamburger Bevölkerung versorgen“, so der Arzt, „aber nicht mehr zum Nulltarif.“ Es sei wirtschaftlich „absolut nicht mehr zumutbar, dass angesichts von explodierender Inflation, steigenden Energie- und Personalkosten und einer Politik, die die Budgetierung noch weiter verschärft, die Kassenärzte die Kosten für den Notdienst zum Großteil aus der eigenen Tasche zahlen.“
Hintergrund des Zoffs ist die Abschaffung der Neupatienten-Regelung, nach der Ärztinnen und Ärzte bis Ende 2022 für die Aufnahme neuer Patienten zusätzliches Geld bekamen. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat die Regel ersatzlos gestrichen mit der Begründung, sie habe nicht zu der gewünschten Aufnahme neuer Patienten geführt.