Bekommt St. Pauli bald eigenen Bürgermeister – nur für die Nacht?
Wem gehört der Kiez? In der Paul-Roosen-Straße auf St. Pauli gibt es Streit um öffentliche Flächen, der während der Corona-Pandemie hochgekocht ist. Die Anwohner kämpfen für ihren Schlaf, die Gastronomen um ihre Einnahmen. In mehreren Workshops ließ der Bezirk die Beteiligten deshalb gemeinsam nach Lösungen suchen – mit erstaunlichem Ergebnis.
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Wem gehört der Kiez? In der Paul-Roosen-Straße auf St. Pauli gibt es Streit, der während der Corona-Pandemie hochgekocht ist. Die Anwohner kämpfen für ihren Schlaf – die Gastronomen um ihre Einnahmen. Auf der Suche nach Lösungen gibt es nun mehrere Vorschläge. Ein „Nachtbürgermeister“ ist nur eine der Ideen, die jetzt diskutiert werden. Eine weitere ist bereits in St. Georg und im Portugiesenviertel umgesetzt worden.
Mit großen gelben Zetteln wehrten sich die Anwohner 2022 gegen den Lärm in ihrer Straße. „Pauli wohnt!“ prangte darauf. Sie klebten an fast allen Fenstern der Paul-Roosen-Straße, einer Parallelstraße der Reeperbahn.
Die Initiative „Pauli wohnt!“ rief zum Widerstand gegen die Außengastronomie auf, von „Belagerung“ und einem „Kipppunkt“ war die Rede. „Es ist einfach viel zu laut hier geworden“, sagte eine junge Anwohnerin damals zur MOPO. „Hier wohnen halt auch Menschen. Das vergessen viele, die hier nur zum Trinken herkommen.“
Paul-Roosen-Straße: „Blaue Linien“ gegen den Zoff
Der Kernkonflikt drehte sich 2022 um die Erweiterung der Außenflächen für die Gastronomie. Wegen der Pandemie hatten die Gastronomen ihre Stühle und Tische auch auf Parkflächen aufstellen dürfen. Inzwischen gilt diese Regel zwar nicht mehr, doch Debatten gibt es weiterhin.
Um Lösungen für die Paul-Roosen-Straße zu finden, richtete der Bezirk drei sogenannten Micro-Workshops ein, in denen sich alle Betroffenen zur Nutzung des Straßenraums austauschen konnten. „Die ,Blauen Linien‘ sind der erste Antrag, der aus den Micro-Workshops entstanden ist“, sagt Stefan Abreu de Sousa, SPD-Sprecher im City-Ausschuss, zur MOPO.
An der Langen Reihe oder im Portugiesenviertel gebe es diese Lösung auch schon. Tische und Stühle dürfen nur innerhalb der blauen Markierung aufgestellt werden. Der Sinn dahinter: „Als Anwohner oder Besucher weiß man auf den ersten Blick oft nicht, welche Stühle und Tische draußen wirklich genehmigt wurden“, sagt Abreu de Sousa. Dieses Thema habe auch in der Paul-Roosen-Straße für Konflikte gesorgt. „Die Linien skizzieren die genehmigten Flächen und machen sie für alle deutlich.“
Rund 4000 Euro sollen die Linien kosten. Zudem sollen die Gastronomiebetriebe, ähnlich wie am Schulterblatt (Sternschanze), verpflichtet werden, ihre Genehmigung zur Nutzung öffentlicher Flächen für Außengastronomie auszuhängen – etwa im Schaufenster oder in der Eingangstür. Am Dienstagabend wird der City-Ausschuss über den Antrag abstimmen. Da er von allen drei Regierungsfraktionen in Mitte (SPD, CDU und FDP) kommt, gilt die Zustimmung als sicher.
Bekommt St. Pauli jetzt einen „Nachtbürgermeister”?
Das soll allerdings nur der erste Schritt sein, um die Situation auf dem Kiez zu entspannen. „Im Gespräch ist auch eine ,Nachtbürgermeisterin‘ oder ein ,Nachtbürgermeister‘ für St. Pauli, also eine Person, die sich um alle Belange kümmert, die das Nachtleben betreffen“, sagt Abreu de Sousa. „Innerhalb der Koalition und auch mit der Verwaltung sind wir darüber schon im Austausch.“
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In anderen Städten wie Hannover, Münster oder Koblenz gibt es bereits ein solches Amt. Denn überall, wo Menschen auf engem Raum nebeneinander leben und feiern, entstehen ähnliche Konflikte. Die „Nachtbürgermeister” entlasten Polizei oder Ordnungsamt und vermitteln zum Beispiel bei Lärmkonflikten oder der Umsetzung von Veranstaltungen.