Sterbebegleiter-Paar aus Hamburg: „Der Tod hat uns zusammengeführt“
Wie ist es, sich tagtäglich mit dem zu beschäftigen, was die meisten Menschen lieber so weit wie möglich von sich wegschieben? Beatrice Bleß-Lieb und Martin Lieb arbeiten ehrenamtlich als Sterbebegleiter. Der Tod ist ihrem Leben allgegenwärtig – und der Grund, warum es in ihrer Beziehung so gut läuft.
Wie ist es, sich tagtäglich mit dem zu beschäftigen, was die meisten Menschen lieber so weit wie möglich von sich wegschieben? Beatrice Bleß-Lieb und Martin Lieb arbeiten ehrenamtlich als Sterbebegleiter. Der Tod ist ihrem Leben allgegenwärtig – und der Grund, warum es in ihrer Beziehung so gut läuft.
Martin Lieb sitzt auf einem grauen Sessel im Helenenhospiz in der Helenenstraße in Altona-Nord. Seine Unterarme ruhen auf seinen Oberschenkeln, sein Blick ist nach vorne gewandt. Er sitzt oft so da. Dann spricht er mit Menschen, deren Lebensende kurz bevorsteht.
Mehrere Schicksalsschläge führten bei ihm und Beatrice Bleß-Lieb vor zehn Jahren dazu, dass sie ihr Leben komplett umkrempelten. Innerhalb eines halben Jahres starben seine Mutter sowie ihr Vater und Bruder. Zu diesem Zeitraum lernten sich die beiden kennen. Der Tod war von Anfang an Teil ihrer Beziehung.
Helenenhospiz: Eine Frau blieb ein ganzes Jahr lang
„Meiner Mutter hat es sehr gutgetan, dass ich dabei war, bevor und während sie starb“, sagt Martin Lieb. „Es ist wichtig, in diesem Moment Zuwendung, Wärme und Mitgefühl zu erfahren.“ Mittlerweile spendet der ehemalige Schauspieler und Regisseur diese Gefühle ehrenamtlich Sterbenden im Helenenhospiz. Seine Frau, einst Innenarchitektin und Goldschmiedin, führt zu diesem Zweck Hausbesuche durch.

Im Durchschnitt geht die Begleitung über drei Wochen. Manchmal nur wenige Tage. Selten gibt es Ausnahmen – so wie bei der 54-jährigen Brustkrebspatientin, die ein ganzes Jahr im Helenenstift verbracht hat. Bei einer Prognose von drei Wochen.
„Zuvor lebte die Frau sehr isoliert, hatte kein soziales Umfeld. Hier ist sie richtig aufgeblüht, hat angefangen zu malen und zu designen“, berichtet Lieb. Diesen „Gast“, wie die Patienten im Hospiz genannt werden, besuchte er am Ende mehrmals die Woche. Auch seine Frau begleitete den Prozess.
Sterbebegleiter: Wie kann man Abstand halten?
Wie kann man in solchen Situationen normal weiterleben? Das ist einfach, sagt das Paar. „Im Hospiz geht es vielmehr um das Leben als um das Sterben“, sagt Beatrice Bleß-Lieb. „Hier wird einem bewusst, was wirklich zählt: Menschliche Beziehungen.“
Die beiden berichten von heiteren Runden, von Witzen und menschlicher Nähe. Viele Gäste hätten das Bedürfnis, ihr Leben noch einmal „aufzuräumen“: Streit zu schlichten und Frieden zu schließen. Deshalb klären Bleß-Lieb und Lieb Auseinandersetzungen in ihrer Beziehung auch immer sofort. Und sie haben gelernt, dankbar für die positiven Dinge im Leben zu sein.
Das könnte Sie auch interessieren: Hamburgerin hatte Schlaganfall mit 29: „Jedes Jahr feiern wir meinen Überlebenstag“
Diese Erfahrungen nutzen die beiden auch für ihre Arbeit als Coaches für Menschen um die 50, die in einer Sinnkrise stecken. Und sie haben ein Buch geschrieben, das sie in der Hamburger Hospizwoche, die am Sonntag startet, vorstellen wollen.
Anlässlich dessen öffnet das Helenenstift übrigens auch seine Tore. „Jeder Hamburger sollte einmal sehen, dass ein Hospiz kein schlechter Ort ist“, sagt Martin Lieb. „Der Tod gehört zum Leben dazu – je früher wir das akzeptieren, desto einfacher ist es.“