Das Phantom von der Lindenallee: Die große Trickserei mit Ferienwohnungen in Hamburg
Im Haus heißt er nur „das Phantom“. Der Eigentümer einer Wohnung in der Lindenallee (Eimsbüttel) wurde von den übrigen Bewohnern des Hauses noch nie gesehen. Stattdessen gehen dort ständig Feriengäste ein und aus. Dabei wendet der Vermieter offensichtlich einen simplen Trick an, um das Wohnraumschutzgesetz zu umgehen. Und der Stadt sind die Hände gebunden.
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Im Haus heißt er nur „das Phantom“. Der Eigentümer einer Wohnung an der Lindenallee (Eimsbüttel) wurde von den übrigen Bewohnern des Hauses noch nie gesehen. Stattdessen gehen dort ständig Feriengäste ein und aus. Dabei wendet der Vermieter offensichtlich einen simplen Trick an, um das Wohnraumschutzgesetz zu umgehen. Der Stadt sind die Hände gebunden.
Bis vor zwei Jahren war die Drei-Zimmer-Wohnung im Souterrain des Hauses noch an eine Familie mit zwei Kindern vermietet, die dort permanent lebte. Seit dem Wegzug der Familie gibt es keine Dauermieter mehr in der Wohnung. Stattdessen beobachten die Bewohner des Hauses ein Kommen und Gehen von Kurzzeitgästen – obwohl das in Hamburg für Privatwohnungen verboten ist. Wie kann das sein?
Strenge Regeln in Hamburg für Vermietungen an Touristen: maximal 56 Tage pro Jahr erlaubt
Seit einer Gesetzesverschärfung 2019 müssen Vermieter in Hamburg, die ihre Räume vorübergehend an Touristen oder Geschäftsleute untervermieten wollen, eine Wohnraumschutznummer beantragen. Die Stadt will damit gegen Leerstand und steigende Mieten angehen, denn die Vermietung an Feriengäste ist lukrativer als eine Dauervermietung.
Da bei einem Verstoß Bußgelder von bis zu 500.000 Euro drohen, ist die Beantragung der Nummern exponentiell gestiegen – von 5279 im Jahr 2019 auf 10.761 heute. Allerdings: Bei der Untervermietung sind strenge Regeln zu befolgen. Maximal 56 Tage pro Jahr sind erlaubt. Sie müssen in einem digitalen Belegungskalender eingetragen werden. In der Lindenallee sind es nach Aussage der Nachbarn deutlich mehr.
Findige Vermieter: Beim Belegungskalender wird nicht die gesamte Wohnung als vermietet angegeben
Der Grund dafür könnte ein simpler Trick sein, den Vermieter bei der Eintragung im Belegungskalender vornehmen können. Dort muss ein Haken gesetzt werden, ob mehr als 50 Prozent der Wohnung vermietet werden oder weniger als 50 Prozent. Wer die Wohnung selbst bewohnt und nur ein Zimmer untervermietet, unterliegt keinerlei Beschränkungen.
Auf Anfrage der MOPO beteuert der Vermieter aus der Lindenallee deshalb auch schnell: „Ich wohne dort!“ Da er im Sommer viel unterwegs gewesen sei, habe er eines der Zimmer tageweise untervermietet. Aktuell vermiete er die 75-Quadratmeter-Wohnung gar nicht.
Bewertungen beim Inserat belegen: Diese Wohnung wird deutlich häufiger vermietet als erlaubt
Dass das nicht stimmt, belegt ein Blick auf das Inserat bei Booking.com. Die letzte Bewertung eines Touristen aus Indonesien stammt vom 19. November. Allein seit August wurden Bewertungen von 13 Personen abgegeben. Und wie viele Buchungen gab es über andere Portale? Vergangene Woche war ein Pärchen in der Wohnung, das Nachbarn erzählte, über Airbnb gebucht zu haben.
Auch die Fotos sprechen eine deutliche Sprache. Sie zeigen Räumlichkeiten, die nach einer klassischen Ferienwohnung aussehen: schlichte Einrichtung, kahle Wände, keinerlei persönliche Gegenstände. Nichts deutet darauf hin, dass hier jemand dauerhaft wohnt. Es gibt nur eine Küche und ein Badezimmer. Auch hier nur leere Regale.
Nach MOPO-Recherchen soll der Eigentümer der Wohnung auch in anderen Städten wie zum Beispiel in Bremen Appartements unter Umgehung örtlicher Gesetzgebungen an Touristen vermieten. Warum stoppt niemand dieses Gebaren?
Falsche Angabe zur Wohnfläche: Das ist der häufigste Trick der Betrüger
Laut Bezirksamt Eimsbüttel ist die falsche Angabe der vermieteten Wohnfläche einer der häufigsten Tricks bei der Umgehung des Wohnraumschutzgesetzes. Schneller erwischt werden Vermieter nur, wenn sie eine Fantasie-Nummer bei Airbnb eintragen. 512.865 Euro hat der Bezirk schon an den Schummeleien verdient. Allein in diesem Jahr hat der Bezirk Eimsbüttel 157 Verfahren gegen Vermieter wegen Verstoßes gegen das Wohnraumschutzgesetz eingeleitet – angesichts von aktuell 1400 gültigen Wohnraumschutznummern in diesem Bezirk eine enorme Zahl! Insgesamt sind 237 Verfahren seit 2019 eingeleitet worden – bei einer Gesamtzahl von 2569 vergebenen Wohnraumschutznummern.
Möglicherweise ist die Zahl aber sogar noch viel höher. Denn der Nachweis des Betrugs ist schwierig. Erstes Problem ist der Personalmangel. In Eimsbüttel gibt es nur zwei Mitarbeiter, die für die Kontrollen zuständig sind. In anderen Bezirken sieht es nicht anders aus. Die Mitarbeiter müssen mehr als 20 Buchungsportale durchforsten, Bewertungen zählen, Meldedaten überprüfen, Bauakten wälzen, Stippvisiten vornehmen und Nachbarn befragen, Auskünfte von Vermietern einholen, Vor-Ort-Termine ausmachen.
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Und dabei ergibt sich das nächste Problem, denn wegen des starken Eigentümerschutzes sind die Vermieter nach der Kontaktaufnahme vorgewarnt. Sie können sich auf eventuelle Besuche vorbereiten. Besonders schwierig ist es für die Behördenmitarbeiter nachzuweisen, wo die Person ihren Lebensmittelpunkt hat.
Genau das ist auch das Problem an der Lindenallee. Das Bezirksamt ist an dem Fall dran – doch die Beweislage ist schwierig. Dabei würde schon eine Anfrage bei der Hausverwaltung reichen. Die schickt ihre an den Eigentümer gerichtete Post laut MOPO-Informationen nämlich nicht an die angebliche Wohnadresse im schönen Eimsbüttel, sondern an eine Adresse in Stadland – eine kleine Gemeinde in Niedersachsen am Jadebusen.