• Frank Sieberns (57) ist Leiter der Pflegerischen Abteilung der Intensivstation am UKE.
  • Foto: UKE

Das nervt – und das gibt Hoffnung: Neun Hamburger über ihren Corona-Berufsalltag

Das Coronavirus bestimmt seit März unser aller Leben – wie hat sich dadurch der Arbeitsalltag verändert? Neun Hamburgerinnen und Hamburger haben mit der MOPO über ihren Beruf in Corona-Zeiten gesprochen und dabei erzählt, was sie so richtig nervt – aber auch, was ihnen Hoffnung gibt. 

Maja Perez (49): Friseurmeisterin

Nach dem ersten Lockdown hat Maja Perez ihre beiden Läden in Eimsbüttel wieder für Kunden geöffnet. Von den sechs Arbeitsplätzen können wegen der begrenzten Raumauslastung nur noch vier benutzt werden. Im Laden selbst müssen sowohl die Mitarbeiter als auch die Kunden die ganze Zeit über Masken tragen. Maja Perez merkt, dass die Frustration bei den Menschen immer mehr zunimmt.

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Maja Parez (49) in ihrem Friseursalon in Eimsbüttel.

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Florian Quandt

Was nervt Sie am Verhalten der Hamburger?

„Wir können nicht immer alle Kunden direkt in den Laden lassen. Da gibt es öfter böse Blicke oder die Tür wird zugeknallt. Im Eingangsbereich gibt es einen Desinfektionsspender. Wenn wir die Leute darauf hinweisen, diesen auch zu benutzen, gibt es öfter eine genervte Antwort.“

Was gibt Ihnen Hoffnung?

Grundsätzlich haben sowohl wir als auch die Kunden an die notwendigen Hygienemaßnahmen gewöhnt. Es hat sich eine Art fatalistische Stimmung breit gemacht.“

Fanny (38): Mitarbeiterin der Hochbahn-Wache 

Seit 15 Jahren ist Fanny bei der Hochbahn-Wache. Das Hauptaugenmerk liege im Moment neben den allgemeinen Fahrgastinformationen und der Fahrkartenkontrolle vor allem auf der Einhaltung der Maskenpflicht. „Da verhält es sich wie bei der Einführung des Alkholkonsumverbots oder des Rauchverbots“, erzählt sie. „Am Anfang hält sich nicht jeder dran, weil es neu ist. Aber mittlerweile können wir sagen, dass etwa 95 Prozent eine Maske korrekt tragen.“

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Fanny (38) arbeitet beim Prüf- und Sicherheitsdienst der Hochbahn.

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Patrick Sun

Was nervt Sie am Verhalten der Hamburger?

„Es ist manchmal ein bisschen nervig, dass sich Fahrgäste vermehrt einen Döner, einen Kaffee oder ein Frühstücksbrötchen mit in die Bahn nehmen als Ausrede dafür, die Maske nicht tragen zu müssen.“

Was gibt Ihnen Hoffnung?

„Wenn wir Fahrgäste darauf ansprechen, dass sie die Maske nicht ganz richtig tragen, dann reagieren die meisten ertappt mit einem peinlich berührten Schmunzeln im Gesicht und ziehen sich die Maske nach oben. Negative Erfahrungen mit Verweigerern habe ich persönlich noch nie gemacht.“

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Jessica Armster (25): Busfahrerin beim VHH

In den VHH-Bussen herrscht seit Ende April Maskenpflicht. „Wenn jemand vorne ohne Maske einsteigt, dann weise ich denjenigen darauf hin. Die meisten haben es vergessen und setzen die Maske auf“, erzählt die 25-Jährige. Wenn sie sehe, dass diejenigen hinten einstiegen und sich trotzig hinsetzten, spiele sie zunächst eine Ansage ab oder weise sie per Lautsprecher darauf hin. Im Allgemeinen sind die Busfahrer allerdings nicht für die Durchsetzung der Maskenpflicht verantwortlich, sondern die Kontrolleure.

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Jessica Armster (25) ist Busfahrerin beim VHH.

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Marius Roeer

Was nervt Sie am Verhalten der Hamburger?

„Es nervt, wenn Fahrgäste ohne Maske in den Bus kommen und sie dann erst am Platz aufsetzen, das sehe ich häufiger. Oder wenn – vor allem am Abend – sich Leute sogar weigern, eine Maske aufzusetzen.“

Was gibt Ihnen Hoffnung?

„Ein wirklich großer Teil der Fahrgäste hält sich an die Maskenpflicht. Außerdem helfen die Mitfahrenden mir als Busfahrerin so gut wie immer, wenn ein Fahrgast keine Maske trägt.“ 

Dr. Lutz Schehrer (52): Apotheker

Dr. Lutz Schehrer, Vorstandsmitglied im Hamburger Apothekerverein, bemerkt bei den Patienten in seiner Apotheke seit Beginn von Corona eine große Verunsicherung. „Sie suchen Rat bei uns und wir versuchen alles, um sie so gut es geht aufzuklären“, sagt er. Am Anfang der Pandemie hätten er und sein Team vor allem Desinfektionsmittel hergestellt und die Kunden zu Schutzmaßnahmen beraten. „Aber dadurch, dass wir immer mehr über das Virus erfahren und lernen können, damit umzugehen, haben viele Menschen mittlerweile eine Routine im Umgang mit den Hygienemaßnahmen entwickelt“, so der 52-Jährige.

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Dr. Lutz Schehrer (52) auf der Arbeit in der Apotheke.

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Marius Roeer

Was nervt Sie am Verhalten der Hamburger?

„Ich bin nicht genervt davon. Die Leute in unserer Apotheke sind sehr diszipliniert. Es gibt natürlich Ausnahmen, bei denen die Leute entweder die Maske vergessen oder noch weniger: sie nicht aufsetzen wollen. Als jemand einmal partout seine Maske nicht aufsetzen wollte, habe ich ihn eben draußen bedient.“

Was gibt Ihnen Hoffnung?

„Die hohe Akzeptanz bei den Kunden, was die Maskenpflicht und Hygienemaßnahmen betrifft. Wir dürfen immer nur drei Leute auf einmal in die Apotheke reinlassen und die meisten warten vorbildlich draußen in der Schlange mit Abstand.“

Anita Sareik (30): Altenpflegerin

Anita Sareik arbeitet als Altenpflegerin in der Diakonie in Niendorf und ist stellvertretende Wohnbereichsleitung. Außer für Essen oder Trinken müssen die Mitarbeiter zu jeder Zeit einen Mundschutz tragen. „Für die Bewohner ist das oft furchtbar, uns nur eingemummt zu sehen. Sie erkennen uns oft gar nicht richtig.“ Im Moment gebe es in der Einrichtung wieder eine Besuchssperre. „Wenn Bewohner nachfragen, warum sie keinen Besuch bekommen, dann sind wir auch ehrlich. Die meisten zeigen dann Verständnis, ein paar schimpfen auch.“ Die Pflegekräfte bemühten sich, telefonische Gespräche zustande kommen zu lassen und den Wegfall der Besuche zu kompensieren.

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Anita Sareik arbeitet als Altenpflegerin in der Diakonie Niendorf.

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Florian Quandt

Was nervt Sie am Verhalten der Hamburger?

„Mich nervt, dass einige Hamburger sich beschweren, dass sie beim Einkaufen für zehn Minuten eine Maske tragen, während die Pflegekräfte dies den ganzen Arbeitstag über müssen. Im Supermarkt kriegen es so viele auch einfach nicht hin, den Abstand an den Kassen zu wahren.

Was gibt Ihnen Hoffnung?

„Wir haben uns an die Masken mittlerweile schon so gewöhnt, dass sie fast schon festgewachsen ist. Je mehr wir uns an die Maskenpflicht und alle anderen Hygienemaßnahmen halten, desto schneller haben wir das alles hinter uns.“

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Oliver Borth (48): Kneipenbesitzer auf dem Kiez

Oliver Borth (48) betreibt acht Läden auf dem Kiez, unter anderem das Hans-Albers-Eck. Seit Beginn des Lockdown-Light darf die Kneipe allerdings nicht mehr öffnen. Den Alltag davor beschreibt er als schwierig, die meisten Leute hätten sich immer erst nach Aufforderung an die Maßnahmen gehalten. „Das größte Problem war, die Leute am Tanzen zu hindern“, erinnert er sich, „Außerdem hören die Leute mit Alkohol natürlich weniger. Ich musste sogar Stammgäste rausschmeißen, das hat sehr wehgetan.“ 

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Oliver Borth (48) ist Inhaber vom Hans-Albers-Eck auf St. Pauli.

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Marius Rooer

Was nervt Sie am Verhalten der Hamburger?
„Manchmal hatte ich das Gefühl, die Leute sind blind durch die Gegend gelaufen und haben von Corona nichts mitbekommen. Es war so nervig, die Maßnahmen immer und immer zu wiederholen. Da hat man sich umgedreht und die Leute haben weitergetanzt, dann musste man wieder dazwischen gehen.“

Was gibt Ihnen Hoffnung?

„Hoffnung gibt mir, dass hoffentlich das Versprechen mit der 75-prozentigen Entschädigung eingehalten wird. Der November ist ja aber auch schon bald wieder rum und bis jetzt ist noch nichts passiert.“

Melinda Angsten (30): Filialleiterin bei Budni

Melinda Angsten erzählt, dass sich das gesamte Drogerie-Team mittlerweile an das ständige Tragen der Maske gewöhnt habe. „Am Anfang war das natürlich ungewohnt und etwas schwieriger.“ Die Arbeit an sich sei gleichgeblieben, die Anzahl der Kunden habe man natürlich begrenzen müssen. Mit Hamsterkäufen hätte die Filiale vor allem im Frühjahr zu kämpfen gehabt und vor ein paar Wochen noch einmal kurz vor dem zweiten Lockdown.

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Melinda Angsten (30) ist Filialleiterin bei Budni.

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Florian Quandt

Was nervt Sie am Verhalten der Hamburger?

„An den Kunden nervt mich zum Glück eigentlich nichts, die meisten halten sich an die notwendigen Regeln und sind freundlich. Es ist wirklich selten, dass jemand ohne Maske rein kommt und wenn, haben es die meisten nur vergessen und ziehen sie nach einem Hinweis auf. Wenn sich jemand wirklich weigern würde, würde ich demjenigen vorschlagen, vorne zu warten und ihn dort zu bedienen.“

Was gibt Ihnen Hoffnung?
„Sowohl wir als auch die Kunden, eigentlich alle Menschen, haben sich mittlerweile an die Situation angepasst. Ob wir in einen Laden gehen oder die Bahn: So bald es irgendwo voll wird, schafft Platz oder entfernt euch wieder ein Stück.“

Andreas Schmidt (52): Polizist

Andreas Schmidt ist Polizeigewerkschaftler (GDP) und kennt die Probleme seiner Kollegen, er ist selbst an der Wache St. Georg im Dienst. „Der Arbeitsalltag ist geprägt von der Eindämmungsverordnung“, erzählt er. Zwar halte sich ein Großteil der Bevölkerung an die Maßnahmen, die Kollegen im Dienst berichteten allerdings auch von zu vielen Menschen, die das eben nicht täten. „Viele werden sehr kreativ, wenn darum geht, die Maßnahmen zu umgehen.“ Als Gewerkschaft nähmen sie die Nöte der Kollegen wahr, die vor allem mit den kleinteiligen Regelungen belastet würden. „Es ist schwer, den Überblick zu behalten, was der Gesetzgeber genau meint und wo man jetzt zu welcher Uhrzeit Mund-Nasen-Schutz tragen muss. Und noch schwerer wird es für die Kollegen, das den Leuten klar zu machen.“

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Andreas Schmidt (51) ist Polizeigewerkschafter bei der GdP.

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Marius Röer

Was nervt Sie am Verhalten der Hamburger?

„Die Kollegen suchen natürlich immer zuerst das Gespräch mit dem Bürger. Wenn das keine Wirkung zeigt, wird ein Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet. Allerdings stellen die Kollegen auch fest, dass es immer mehr Menschen gibt, die aggressiv darauf reagieren und extrem uneinsichtig sind. Es nervt, wenn jemand so egozentrisch ist, dass ihn das alles nicht interessiert.“

Was gibt Ihnen Hoffnung?

„Die große Hoffnung ist die fieberhafte Suche nach einem Impfstoff, die jetzt in die richtige Richtung geht. Und dass sich wirklich der größte Teil an die Hygienemaßnahmen und Kontaktbeschränkungen hält.“

Frank Sieberns (57): Pflegerische Leitung Intensivstation am UKE

Frank Sieberns, Pflegerische Leitung der Intensivstation, beschreibt die Belastung für Pflegekräfte auf der Intensivstation als unglaublich hoch. „Covid-Patienten müssen zudem unter besonderen Schutzmaßnahmen versorgt werden“, sagt er. Die Arbeit auf den Corona-Intensivstationen sei freiwillig, die Bereitschaft unter den Pflegekräften allerdings extrem hoch, sich gegenseitig zu unterstützen. Zurzeit seien drei Stationen für Covid-Patienten vorgesehen.

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Frank Sieberns (57) ist Leiter der Pflegerischen Abteilung der Intensivstation am UKE.

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UKE

Was nervt Sie am Verhalten der Hamburger?

„Für mich ist es unverständlich, wenn Leute sagen, dass es kein Corona gebe und sich nicht an die Maßnahmen halten. Wir sehen hier vor Ort, dass auch vermehrt jüngere Patienten auf der Intensivstation landen. Wenn ich außerhalb des Krankenhauses in öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs bin und Menschen ohne Maske sehe, habe ich dafür kein Verständnis.“

Was gibt Ihnen Hoffnung?

„Ich hoffe, dass endlich die Einsicht wächst und der gesunde Menschenverstand uns dazu bewegt, die Maßnahmen zu akzeptieren. Ich bin auch froh, dass jetzt rechtliche Grundlagen dafür geschaffen wurden. Im Krankenhaus erlebe ich einen großen Zusammenhalt untereinander, wir wollen diese Pandemie-Zeit gemeinsam bewältigen.“

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