Elbtower-Desaster: Diese Fragen hätten wir Olaf Scholz gerne gestellt
Der Elbtower – er sollte Olaf Scholz' (SPD) 245 Meter hohes Vermächtnis für die Hansestadt werden. Nach der Präsentation des Entwurfes verschwand der damalige Bürgermeister als Finanzminister nach Berlin. Heute ist er Bundeskanzler, doch seine Zeit in Hamburg scheint Scholz immer wieder einzuholen – dieses Mal in Form des ungeplanten Baustopps in der HafenCity. Einen Fragenkatalog der MOPO schickte ein Regierungssprecher allerdings zurück, das Beantworten liege nicht in seinem Zuständigkeitsbereich. Die MOPO veröffentlicht diesen jetzt eben hier – und zeigt auf, was bisher dazu bekannt ist und welche Fragen sich daraus ergeben.
Der Elbtower – er sollte Olaf Scholz‘ (SPD) 245 Meter hohes Vermächtnis für die Hansestadt werden. Nach der Präsentation des Entwurfes verschwand der damalige Bürgermeister als Finanzminister nach Berlin. Heute ist er Bundeskanzler, doch seine Zeit in Hamburg scheint Scholz immer wieder einzuholen – dieses Mal in Form des ungeplanten Baustopps in der HafenCity. Einen Fragenkatalog der MOPO schickte ein Regierungssprecher allerdings zurück, das Beantworten liege nicht in seinem Zuständigkeitsbereich. Die MOPO veröffentlicht diesen jetzt eben hier – und zeigt auf, was bisher dazu bekannt ist und welche Fragen sich daraus ergeben.
Bei der Pressekonferenz im Februar 2018 beschrieben die anwesenden Reporter den sonst als eher emotionslos bekannten SPD-Bürgermeister Olaf Scholz als „Schwärmer“. Er sprach von einem „eleganten“ und „raffinierten“ Entwurf, von einem „hervorragenden“ Gebäude, das da an den Elbbrücken entstehen soll. Ein „Meisterwerk“.
Sprung in die Gegenwart: Seit zwei Wochen stehen die Kräne auf der Elbtower-Baustelle still. Die für den Rohbau verantwortliche Firma „Lupp“ hat die Arbeiten laut eigener Aussage aufgrund von fehlenden Zahlungen des Bauherren, der Firma Signa des Immobilienentwicklers René Benko, eingestellt.
Die Kritik am Elbtower ist schon so alt wie der Deal selbst. Kein Wunder – auch heute ist immer noch sehr vieles unklar. Folgende Fragen an Olaf Scholz hatte die MOPO deshalb ans Bundeskanzleramt geschickt. Antworten gab es keine, deshalb schreiben wir selbst darunter, was wir bisher wissen.
- Am 5. Februar 2018 fiel bei der Aufsichtsratsitzung der HafenCity GmbH die Elbtower-Entscheidung für René Benko und die Signa. Dass auch Sie selbst an dieser Sitzung teilgenommen hatten, bestätigte der Senat erst, nachdem die „Bild“-Zeitung erfolgreich auf Herausgabe der Information geklagt hatte. Warum haben Sie daraus ein Geheimnis gemacht?
Sogar der Ort der Zusammenkunft blieb lange geheim. Das stieß nicht nur bei Reportern auf Unverständnis, sondern auch bei Hamburger Abgeordneten. „Wenn Sie uns die Antworten auf unsere Fragen verweigern, erregen Sie doch nur den Verdacht, dass Sie etas zu verbergen haben“, sagte CDU-Finanzpolitiker Thilo Kleibauer zur ehemaligen Bausenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD). Sie blieb zurück und musste die Suppe auslöffeln, während ihr früherer Senatschef bereits nach Berlin entschwunden war.
- Warum hielten Sie René Benko für den „verlässlichsten Partner“ für den Bau des Elbtowers? Er war schließlich bereits 2014 wegen Korruption verurteilt worden. Zahlreiche Artikel, die sich kritisch mit dem Geschäftsmodell befassten, waren bereits veröffentlicht worden.
Ende 2012 wurde Benko in Wien in einem Korruptionsprozess zu einem Jahr auf Bewährung verurteilt, was der Oberste Gerichtshof zwei Jahre später bestätigte. Die Richterin sprach von „lupenreiner Korruption“. Scholz schien das nicht zu stören. Er betonte die Eigenkapitalstärke und hohe Bonität der Signa mit ihrem „A+ Rating”. Das ist inzwischen auf „CCC” herabgestuft. Das bedeutet, Investitionen in dieses Unternehmen gelten als „hochriskant“.
Zuletzt ging es bei der Signa drunter und drüber: Nicht nur in Hamburg, sondern auch in anderen deutschen Städten stehen Baustellen still, einige Unterfirmen meldeten Insolvenz an. Zuletzt forderten sogar seine eigenen Investoren Benkos Rücktritt. Der Druck war so groß, dass der „Ösigarch“ am Donnerstag von allen operativen Posten zurücktrat.
Scholz war davon überzeugt, dass die Signa das Projekt stemmen würde, auch ohne vorher schon feste Mieter zu haben. Die Bürgerschaft forderte vor Baugenehmigung dann aber 30 Prozent vermietete Flächen. Die Mietverträge sahen die Politiker allerdings nicht selbst, sondern nur die Bank. Bei den Mietern handelt es sich unter anderem um die Hamburg Commercial Bank, deren Bürogebäude Benko zuvor gekauft hatte.
- Warum entschieden Sie sich für das Angebot der Signa, obwohl diese weniger Geld für das Grundstück bot als die Mitbewerber?
Es ist eine der Merkwürdigkeiten des Deals: Obwohl die zwei Mitbewerber mehr geboten hatten – nämlich 131,9 sowie 135 Millionen Euro – ging der Zuschlag an Signas 120 Millionen-Angebot. Der Senat erklärte das damit, dass die anderen Investoren eine größere Ausnutzung des Areals planten – und deshalb pro Quadratmeter Bruttogeschossfläche weniger als Signa gezahlt hätten. Allerdings: Im Nachtrag zum Grundstückskaufvertrag wuchs Benkos Elbtower dann noch einmal um sieben Geschosse. So schwanden zwar 5000 Quadratmeter für Hotels, dafür kamen aber 20.000 Quadratmeter für Büros oben drauf.
- Warum wurde der einzige Entwurf zum Sieger gekürt, der kein Konzept für Wohnungen beinhaltete?
Den Bewerbern war es freigestellt, ob sie Wohnungen integrieren oder nicht. Allerdings hieß es bereits im Vorfeld, dass Wohnen an dieser Stelle eigentlich keinen Sinn mache. Weil der Lärm zu groß sei, wäre das nur bei völlig geschlossenen Fenstern möglich. Mehrere Investoren und sogar einer der drei Bewerber-Finalisten hatten es trotzdem versucht. In einem Protokoll des Stadtentwicklungsausschusses von 2018 erklärten Senatsvertreter, dass das Konzept des Finalisten allerdings nicht schlüssig gewesen sei. Warum? Das wird nicht näher erläutert.
Dass der Signa-Turm der einzige ohne Wohnungen gewesen sei, stimmt also nicht. Trotzdem gab es sehr wohl Vorschläge für Wohnkonzepte – gerade Olaf Scholz, der es sich als Bürgermeister auf die Fahne geschrieben hatte, mehr Wohnraum in der Hansestadt zu schaffen, hätte das eigentlich am Herzen liegen sollen.
- Waren Sie es, Herr Scholz, der bei der damaligen Sitzung des Aufsichtsrats der HafenCity GmbH den Chipperfield-Entwurf von Signa durchsetzte?
Das wissen nur die damals Anwesenden der Sitzung. Das waren neben Scholz unter anderem der frühere Finanzsenator und heutige Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und die ehemalige Bausenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD).
- Seit wann kennen Sie Alfred Gusenbauer, den früheren SPÖ-Kanzler, der jetzt Mitglied im Aufsichtsrat der Signa ist?
Es erweckte in der Hamburger Bürgerschaft Argwohn, dass Alfred Gusenbauer, von 2007 bis 2008 mal kurz Kanzler von Österreich, einer von Benkos wichtigsten Helfern ist. Er ist Sozialdemokrat und gilt als exzellenter Netzwerker mit zahlreichen Kontakten. Scholz und er kennen sich spätestens seit Ende der 80er Jahre, bis 1989 waren sie beide Vizepräsidenten der „International School of Socialist Youth“. „An die langen Diskussionen mit Alfred Gusenbauer aus Österreich denke ich heute gerne zurück“, schrieb Scholz anlässlich des 100. Geburtstages der Organisation im Jahr 2007.
- Gab es im Zusammenhang mit der Vergabe des Projekts „Elbtower“ an Signa Kontakte zwischen Ihnen Herr Scholz und Alfred Gusenbauer und/oder René Benko?
Der Senat verneinte diese Frage bereits in einer Schriftlichen Kleinen Anfrage von 2018. Scholz traf sich im Jahr 2013 einmal persönlich mit Benko, als es um den Verkauf des Hamburger Alsterhauses ging. Diese Information musste der frühere Hamburger Bundestagsabgeordnete der Linken, Fabio de Masi, mithilfe des Transparenzgesetzes vom Senat erzwingen.
- Bereuen Sie im Nachhinein die Entscheidung für den Elbtower, Herr Scholz?
Das hätten wir von Olaf Scholz gerne gewusst. Das bleibt allerdings weiterhin im Dunkeln und wird wohl höchstens einmal in seinen Memoiren zu lesen sein.