Tempo 30, HVV-Ausbau, Miete, Klima: So verändert die Ampel Hamburg
Die Koalition steht, der Vertrag ist fertig. Mit Olaf Scholz (SPD) als designiertem Kanzler besetzt künftig tatsächlich wieder ein Hamburger das wichtigste politische Amt der Bundesrepublik. Doch was haben SPD, Grüne und FDP da eigentlich auf 177 Seiten im Koalitionsvertrag festgelegt – und vor allem: Wie profitiert Hamburg von der Ampelkoalition, oder auch nicht?
Das Wort Hamburg kommt im ganzen Koalitionsvertrag genau zwei Mal vor. Im Zusammenhang mit dem Ausbau der Bahnstrecken sowie im Bereich Inklusion. Doch bekanntlich sind Worte Schall und Rauch – es geht darum, was am Ende herauskommt. Und das könnte so einiges sein. Nicht zuletzt, weil rund zwei Dutzend Hamburger:innen bei den Koalitionsverhandlungen dabei waren. Fragezeichen gibt es aber natürlich trotzdem. Die MOPO hat mit Politiker:innen und Verhandler:innen der verschiedenen Parteien gesprochen und den Koalitionsvertrag ausgewertet. Eine Übersicht zu ausgewählten Politikfeldern:
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Die Koalition steht, der Vertrag ist fertig. Mit Olaf Scholz (SPD) als designiertem Kanzler besetzt künftig tatsächlich wieder ein Hamburger das wichtigste politische Amt der Bundesrepublik. Doch was haben SPD, Grüne und FDP da eigentlich auf 177 Seiten im Koalitionsvertrag festgelegt – und vor allem: Wie profitiert Hamburg von der Ampelkoalition, oder auch nicht?
Das Wort Hamburg kommt im ganzen Koalitionsvertrag genau zwei Mal vor. Im Zusammenhang mit dem Ausbau der Bahnstrecken sowie im Bereich Inklusion. Doch bekanntlich sind Worte Schall und Rauch – es geht darum, was am Ende herauskommt. Und das könnte so einiges sein. Nicht zuletzt, weil rund zwei Dutzend Hamburger:innen bei den Koalitionsverhandlungen dabei waren. Fragezeichen gibt es aber natürlich trotzdem. Die MOPO hat mit Politiker:innen und Verhandler:innen der verschiedenen Parteien gesprochen und den Koalitionsvertrag ausgewertet. Eine Übersicht zu ausgewählten Politikfeldern:
Das könnte sich im Hamburger Verkehr ändern
Verkehr: Das Verkehrsministerium ist zum Missfallen von Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) an die FDP gegangen. Das bedeutet aber nicht, dass die Verkehrswende in Hamburg in Gefahr wäre. Die neue Regierung will laut Koalitionsvertrag „erheblich mehr in die Schiene als in die Straße investieren.“ Das betrifft sowohl den Fernverkehr als auch den ÖPNV. Als prioritäres Verkehrsprojekt ist die Bahnstrecke Hamburg-Hannover genannt, die für den Deutschland-Takt ausgebaut werden soll. Auch vom „Knoten Hamburg“ ist die Rede. Das betrifft unter anderem die Erreichbarkeit des Hauptbahnhofs von Richtung Süden.
Dafür will der Bund Mittel bereitstellen – zum Vorteil für den geplanten S-Bahn-Tunnel vom Hauptbahnhof nach Altona. Die pandemiebedingten Einnahmeausfälle von Bus und Bahn werden auch 2022 vom Bund ausgeglichen. Die sogenannten Regionalisierungsmittel (Geld für Nahverkehrs-Ausbau) werden zudem erhöht, davon wird die U5 profitieren.
Weitere Punkte: Städte wie Hamburg sollen zukünftig mehr Gestaltungsspielraum bei der Straßenverkehrsordnung bekommen, die unter umwelt-, gesundheits- und städtebaulichen Aspekten reformiert werden soll. Damit kann zum Beispiel Tempo 30 leichter angeordnet werden. Bisher ist das nur aus Gründen der Verkehrssicherheit möglich.
Zudem soll die Ladeinfrastruktur für E-Autos massiv ausgebaut werden. Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) spricht angesichts dieser Vorhaben von positiven Signalen für die Mobilitätswende in Hamburg, besonders beim geplanten Ausbau der Digitalisierung. „Dort sind wir in Hamburg im Mobilitätssektor ein Vorreiter.“ Zum Thema Radverkehr findet sich bislang wenig Konkretes, der Infrastrukturausbau soll aber gefördert werden.
Hamburg: Wenig Neues beim Wohnungsmarkt
Wohnungspolitik: Hier fehlt für Hamburg der große Wurf. Das mag daran liegen, dass die Hansestadt ohnehin bundesweit als Vorbild für Wohnungsbaupolitik gilt – allerdings sind hier die Mieten in den vergangenen Jahren auch stark gestiegen. Die Mietpreisbremse soll von 15 Prozent auf maximal elf Prozent Mietsteigerung in drei Jahren gesenkt werden. Eine größere Gegenmaßnahme wie ein bundesweiter Mietendeckel findet sich nicht im Koalitionsvertrag. Immerhin aus Hamburger Perspektive: Es soll ein Bund-Länderprogramm-Wohnungsprogramm für junge Menschen in Studium oder Ausbildung aufgelegt werden. Sozialer Wohnungsbau soll ebenfalls ein Fokus der neuen Koalition sein.
„Die Ampel hat es versäumt, künftig wirklich für Entlastung auf dem Wohnungsmarkt zu sorgen“, kritisiert Linken-Landessprecher Keyvan Taheri. Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) hingegen begrüßt, dass beim Thema Klimaneutralität im Wohnungsmarkt „wirtschaftlich effiziente und sozialverträgliche Umsetzung der Klimaschutzziele“ vereinbart wurden.
Hamburg: Wird das Schlick-Problem gelöst?
Umwelt- und Klimapolitik: Kaum ein Absatz des Koalitionsvertrags kommt ohne den Verweis auf Klimaschutz aus. Schließlich soll Deutschland bis 2045 klimaneutral werden. In Hamburg schwirrten jüngst noch ambitionierte Ziele herum. Klar ist: Hamburg wird in Zukunft seinen Energiebedarf nicht selbst decken können. Bisweilen ist es allerdings so, dass zum Beispiel Schleswig-Holstein aufgrund fehlender Netzinfrastruktur vorhandenen sauberen Strom gar nicht nach Hamburg leiten kann. Hier will die Ampel das Netz deutlich ausbauen.
Ebenfalls ein wichtiges Projekt: das Sediment-Management. Seit Jahren wird fleißig in der Elbe der Schlick im Kreis gebaggert – das ist teuer und aus ökologischer Perspektive fragwürdig. Die Ampel will das Sediment-Management jetzt zwischen Bund und Ländern neu aufrollen. Ausgang offen.
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Wirtschaft: Hier fallen Wasserstoff und Start Ups ins Auge. In Sachen Wasserstoff ist Hamburg ambitioniert, will zum Beispiel das ehemalige Kohlekraftwerk Moorburg zum Wasserstoffproduzenten umbauen. Dies wird künftig auch von der Ampel flankiert, die kräftig investieren will. Ebenfalls auf der Agenda: Die deutliche Ausweitung der Förderung von Start Ups, die sich bekanntlich lieber in Metropolen wie Hamburg als in Wanne-Eickel ansiedeln und viel Potenzial für den Wirtschaftsstandort mitbringen. Es soll auch das Zusammenspiel von Universitäten und Start-Ups gestärkt werden.
Finanzsenator Dressel glaubt erst an Geld vom Bund, wenn es überwiesen ist
Finanzen: Die Ampel verzichtet trotz vieler Absichtserklärungen darauf, konkrete Summen zu nennen. Deshalb ist man sogar unter Spitzenpolitikern von Rot-Grün in Hamburg zurückhaltend. Finanzsenator Andreas Dressel zur MOPO: „Beim Geld hört ja bekanntlich die Freundschaft auf. Durch die frühen Festlegungen der FDP im Hinblick auf Steuern und Schuldenbremse waren die zusätzlichen Handlungsspielräume für Länder und Kommunen leider von vornherein gering. Das macht es für uns nicht leichter. Erfreulich sind immerhin die Zusagen zum Thema Nahverkehr und Justiz, dafür hatten wir uns sehr eingesetzt. Abzuwarten bleibt, wann was davon in der Hamburger Kasse landet.“
Bei der letzten Großen Koalition hat man übrigens recht genau die Summen in den Koalitionsvertrag geschrieben. Hamburgs CDU-Fraktionsvorsitzender Dennis Thering ist dementsprechend misstrauisch: „Bislang ist nichts von dem Sammelsurium von Wünschen durchfinanziert. Ich bin gespannt, wie die Ampel das hinbekommen will.“
Es steckt also einiges im Koalitionsvertrag, allerdings werden erst die kommenden Monate zeigen, was das für Hamburg im Einzelnen bedeutet. Ansonsten ruhen die Hoffnungen parteiübergreifend ohnehin darauf, dass ein Kanzler Scholz nicht vergisst, wo er herkommt. Das ist schließlich immer noch Hamburg und nicht Berlin.