„Danach bleiben die Gäste weg“: Astra 4 Euro – wer kann sich den Kiez noch leisten?
Die Inflation macht auch vor Hamburgs Amüsiermeile nicht halt: Konnte man früher entlang der Reeperbahn noch verhältnismäßig günstig trinken, sind die Preise seit Anfang 2022 zum Teil enorm gestiegen. Bis zu 4 Euro kostet dort inzwischen ein kleines Bier. Gleichzeitig haben Kiezgänger heute real weniger Geld in der Tasche als vor dem Kriegsausbruch – die Kaufkraft sinkt. Wie viele Preissteigerungen verträgt der Kiez noch, bis die Einheimischen wegbleiben und nur noch Touri-Kaschemmen übrig sind? Die MOPO hat sich umgehört.
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Die Inflation macht auch vor Hamburgs Amüsiermeile nicht halt: Konnte man früher entlang der Reeperbahn noch verhältnismäßig günstig trinken, sind die Preise seit Anfang 2022 zum Teil enorm gestiegen. Bis zu 4 Euro kostet dort inzwischen ein kleines Bier. Gleichzeitig haben Kiezgänger heute real weniger Geld in der Tasche als vor dem Kriegsausbruch – die Kaufkraft sinkt. Wie viele Preissteigerungen verträgt der Kiez noch, bis die Einheimischen wegbleiben und nur noch Touri-Kaschemmen übrig sind? Die MOPO hat sich umgehört.
Wen der Preis von 4 Euro für eine Knolle Astra (gesehen im neuen „Weingarten“ am Spielbudenplatz) kaltlässt, ist vermutlich: Tourist oder stinkreich – oder beides. Alle anderen kratzen sich am Kopf, und fragen sich, wer solche Beträge noch bezahlen soll. Denn der „Weingarten“ ist keine Ausnahme: An den Ständen des Spielbudenplatzes liegt der Preis für ein kleines Astra (gezapft) nur knapp drunter, bei 3,80 Euro. Diverse Bars entlang der Reeperbahn bewegen sich auf vergleichbarem Niveau.
St. Pauli: Wirte und Gäste kämpfen mit der Inflation
Als günstige Alternative galten lange die Kioske. Die schießen auf dem Kiez seit Jahren wie Pilze aus dem Boden und sind mit ihrem reichhaltigen Getränkeangebot allen Gastronomen ein Dorn im Auge. Doch auch hier haben die Preise angezogen. Auf Höhe der Davidstraße kostet die Knolle in den Büdchen glatte 3 Euro. Von Dumpingpreisen lässt sich da kaum noch sprechen. Billiger wird es schlagartig am Rand: Im „Holsten Kiosk“ am westlichen Ende der Reeperbahn ist die Flasche für nur die Hälfte zu haben.
Doch es gibt auch Orte, an denen die Inflation noch nicht spürbar ist. In der Kult-Kneipe „Zum Goldenen Handschuh“ auf dem Hamburger Berg zum Beispiel ist die Welt noch in Ordnung: „Wir haben unsere Preise noch gar nicht erhöht, bei uns kostet die Knolle Astra weiter 2,30 Euro“, sagt Inhaber Marco Nürnberg. Dabei gebe es gute Gründe für eine Erhöhung: „Die Einkaufspreise wandern eindeutig nach oben, das betrifft sämtliche Waren“, sagt der Wirt. Die dadurch entstehenden Einbußen – für die Betreiber im Moment noch hinnehmbar. „Aber dauerhaft können wir das auch nicht durchhalten.“
„Der Snob muss weiterhin mit dem einfachen Arbeiter zusammenkommen“
Erschwingliche Preise, für Nürnberg ein Garant dafür, dass Stammgäste wiederkommen und der Charakter der Meile nicht verloren geht: „Ich hoffe sehr, dass das Publikum durchmischt bleibt: Der Snob muss weiterhin mit dem einfachen Arbeiter zusammenkommen.“
Für die Wirte und Clubbetreiber ist die Inflation gleich die nächste Herausforderung nach der gerade überstandenen Pandemie. „Nach dem Corona-Schock sind die Leute erstmal froh, dass es überhaupt weitergeht“, sagt Lars Schütze, Quartiersmanager und Vorstandsmitglied der Interessengemeinschaft St. Pauli.
Das Kiez-Urgestein hält nichts von Abgesängen
Er wirbt um Verständnis für die gebeutelte Branche: „Der Preisdruck ist angekommen. Zugleich konzentriert sich das Geschäft aufs Wochenende, die Gastronomen müssen ihr Geld an nur zwei Tagen erwirtschaften.“
Von einem Abgesang auf den Kiez hält Schütze nichts. Der sei immer Spiegel seiner Zeit und kreative Konzepte kämen laufend dazu. Doch auch er fürchtet, dass das Angebot einseitig werden könnte: „Menschen in Urlaubsstimmung sind bereit, mehr Geld auszugeben. Die Gefahr dabei ist, dass sich das Geschäft zu sehr auf Touristen konzentriert.“ Ihm zufolge liegt der Touri-Anteil an den Wochenenden bei mindestens 50 Prozent.
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In der „David Quelle“ von Christian Brauns ist davon wenig zu spüren. Hier verkehren vor allem Stammgäste und Alteingesessene, die Knolle kostet 2,60 Euro. Der Juniorchef bringt es für seinen Laden auf eine simple Formel: „Die Schmerzgrenze liegt bei 3 Euro. Danach bleiben die Gäste weg.“