„Da muss einfach mehr passieren“: Experten rügen Klimapolitik des Senats
Das muss schneller gehen: Der Hamburger Klimabeirat bangt um Hamburgs Klima. Die Zeit drängt, denn in nur wenigen Jahren soll der CO2-Ausstoß eigentlich massiv reduziert sein. Wo es hakt – und wo die Wissenschaftler noch Hoffnung haben.
Das muss schneller gehen: Der Hamburger Klimabeirat bangt um Hamburgs Klima. Die Zeit drängt, denn in nur wenigen Jahren soll der CO2-Ausstoß eigentlich massiv reduziert sein. Wo es hakt – und wo die Wissenschaftler noch Hoffnung haben.
„Das ist eine große Lücke“, sagt Jörg Knieling. Er schaut auf eine Grafik zur CO2-Bilanz in Hamburg. Die Lücke ist der große Abstand zwischen dem tatsächlichen CO2-Ausstoß von 2021 und dem, der den Planungen nach nötig wäre, um die Klimaziele bis 2030 zu erreichen. Die Differenz sind 4,8 Millionen Tonnen.
Klimabeirat Hamburg mahnt Senat
„Da muss einfach mehr passieren“, ermahnt er den Hamburger Senat. Knieling ist stellvertretender Vorsitzender des Hamburger Klimabeirats, der am Freitag seinen ersten Klimamonitor 2023 vorgestellt hat. Die 14 Wissenschaftler des Klimabeirats wollen so Impulse geben und die Dynamik in Hamburgs Klimaentwicklung beurteilen.

Doch viel Dynamik gibt es nicht: Seit 1990 wurden die CO2-Emissionen zwar deutlich reduziert. In den vergangenen Jahren gibt es aber nahezu Stillstand bei den untersuchten Indikatoren, wie dem CO2-Ausstoß der öffentlichen Gebäude, dem Energieverbrauch in Hamburg oder dem Auto-Bestand. In der gesamten CO2-Bilanz nehmen die Emissionen seit einem Einbruch wegen Corona sogar wieder zu.
Die Botschaft: Wenn das so weiter geht, wird das nichts mit dem Klimaziel 2030, nach dem der Ausstoß zu 70 Prozent reduziert werden soll. „Es stellt sich die Frage, wie Hamburg das erreichen will”, sagt Knieling. „Die Stadt muss die Geschwindigkeit der CO2-Reduktion deutlich beschleunigen. Bis 2030 sind es nur noch sieben Jahre.”
Hamburgs Klima: Verkehr größter CO2-Verursacher
Schaut man auf die Sektoren, ist der größte CO2-Verursacher in Hamburg immer noch der Verkehr. Seit Corona steigen die Emissionen wieder an, auch wenn sie das Niveau von 2019 noch nicht erreicht haben. Trotz der Stärkung des Umweltverbunds (Fußgänger, Radfahrer, ÖPNV) scheinen die Autos auf Hamburgs Straßen einfach nicht weniger zu werden. Der Bestand erreichte 2022 ein neues Hoch. Seit Januar ist eine kleine Trendwende bemerkbar – ob sie sich hält, ist noch unklar.
Das könnte Sie auch interessieren: Wie Rot-Grün seinen eigenen Klimabeirat einfach ignoriert
Besonders bedenklich: Nur 2,5 Prozent sind reine E-Autos. Die Umweltbehörde rechnet im sogenannten Szenario B mit einer starken Zunahme ab 2025 auf 44 Prozent. Das wirkt kaum realistisch: fast 18 Mal mehr als jetzt, in nur sechseinhalb Jahren. Zudem steckt der Sektor in einer Zwickmühle: Große Verkehrsprojekte wie die U5, die langfristig Autos ablösen sollen, werden nicht bis 2030 fertig und können ihren Klimavorteil noch nicht ausspielen. Im Gegenteil: Der Bau verursacht erst einmal sogar noch mehr CO2.
Auch den weitgehend gleichbleibenden CO2-Verbrauch der öffentlichen Gebäude, die stockenden energetischen Sanierungen von Bestandsbauten in der Stadt und die steigende Bodenversiegelung kritisiert der Beirat.
Klima-Ziel 2030: Warum es wichtig ist
Ist es denn so schlimm, wenn das 2030-Ziel gerissen wird? Klimaneutral will Hamburg schließlich erst bis 2045 sein. Ja, meint Knieling. Denn für das 1,5-Grad-Ziel, das das Tempo des Klimawandels zumindest abschwächen soll, ist es fatal, die Klimaziele immer weiter nach hinten zu verschieben. „Wir hoffen sehr, dass man das ernst genug nimmt”, sagt er – und mahnt, dass man für die ehrgeizigen Ziele der Stadt auch mehr Geld für den Klimaschutz brauche. Dies zeige sich zum Beispiel bei der Gebäudesanierung. Die Stadt arbeitet gerade an der zweiten Fortschreibung des Klimaplans.
Das könnte Sie auch interessieren: Milliarden-Projekt U5: Senat wischt Bedenken von Klimabeirat weg
Große Stellschrauben sehen die Wissenschaftler beim Ausbau der Erneuerbaren Energien durch Solaranlagen und in der Kreislaufwirtschaft – also der Wiederverwendung von Ressourcen durchs Recycling oder Reparaturen. Der schleppende Ausbau der Solaranlagen in Hamburg ist immer wieder Thema. „Er hatte bisher offenbar keine politische Priorität”, kritisiert Knieling. Dabei sei das Potenzial gerade für einen Stadtstaat groß: Einer Studie der HAW zufolge könnte theoretisch sogar bis zu zwei Drittel des Energiebedarfs der Stadt durch Solar gedeckt werden. Berlin und Bremen zeigten, wie es besser geht.
Bei der Kreislaufwirtschaft machen die Hamburger selbst noch nicht richtig mit: Seit 2015 hat sich die Menge der Siedlungsabfälle in Hamburg kaum verringert. Es wird auch nicht mehr getrennt.
Der Klimamonitor des Beirats soll künftig jedes Jahr präsentiert und weiter ausgebaut werden und basiert auf etwas veralteten, aber dafür öffentlich zugänglichen Daten.