„Da droht ein Milliarden-Grab“: Zoff um neue U5-Klimabilanz
Sie soll vollautomatisch fahren, den bislang vernachlässigten Nordosten von Hamburg erschließen und die Mobilitätswende ein gutes Stück voranbringen: Die neue U-Bahn-Linie U5, deren Bauarbeiten vor ein paar Monaten begonnen haben. Aber ist sie auch wirklich so klimaschonend, wie sie Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) stets anpreist? Daran regt sich schon seit längerem Kritik, jetzt hat sich sogar der Klimabeirat zu Wort gemeldet – und zweifelt die Umweltbilanz gehörig an.
Sie soll vollautomatisch fahren, den bislang vernachlässigten Nordosten von Hamburg erschließen und die Mobilitätswende ein gutes Stück voranbringen: Die neue U-Bahn-Linie U5, deren Bauarbeiten vor ein paar Monaten begonnen haben. Aber ist sie auch wirklich so klimaschonend, wie sie Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) stets anpreist? Daran regt sich schon seit längerem Kritik, jetzt hat sich sogar der Klimabeirat des Senats zu Wort gemeldet – und zweifelt die Umweltbilanz gehörig an.
Denn der pauschale Grundsatz, dass eine U-Bahn CO2 reduziert indem sie Autos ersetzt, gilt bei Klimaschützern nicht mehr. Jetzt hat sich auch der Ende 2021 eingesetzte Hamburger Klimabeirat, bestehend aus 14 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, zu diesem Thema in Form einer achtseitigen Analyse zu Wort gemeldet.
Neue U5 in Hamburg: Klimaschädlich wegen der Bauweise?
Denn wer eine U-Bahn gräbt, der setzt beim Bau eben auch klimaschädliche Emissionen (CO2-Äquivalente) frei. Nach Angaben der Hochbahn können bei der U5 circa 70 Prozent dieser Emissionen im Vergleich zur konventionellen Bauweise eingespart werden, unter anderem mithilfe von Stahl mit erhöhtem Schrottanteil und speziellem Zement.
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Die Experten merken allerdings an, dass die in der Bilanzierung der Hochbahn verwendeten Daten aus dem Jahr 2013 stammen. Diese müsse unbedingt aktualisiert werden. Dann könnte die U5 tatsächlich „Maßstäbe für eine klimaverträglichere Materialbeschaffung setzen“.
Klimabeirat stellt Nutzen der U5 fürs Klima in Frage
Allerdings stellt das Gremium den Kosten-Nutzen-Aufwand der neuen U-Bahn-Linie gehörig in Frage. Sie bezweifeln angesichts der fast 20-jährigen Bauzeit, „ob die U5 die angemessene Antwort auf die Dringlichkeit für mehr Klimaschutz und eine schnellwirksame Verkehrswende darstellt.“

Noch niederschmetternder fällt das Urteil bezüglich des ersten Streckenabschnitts, der U5-Ost, aus, der seit Ende September bereits gebaut wird. Bei Betrieb könne laut den Experten mit einer Einsparung von 354 Tonnen CO2 pro Jahr gerechnet werden. Der gesamte Straßenverkehr liege allerdings bei 2,97 Millionen Tonnen CO2. „Der Beitrag der U5-Ost (…) fällt somit vergleichsweise gering aus.“
Senat soll laut Klimabeirat Alternativen zur U5 prüfen
Der Klimabeirat fordert den Senat deshalb auf, so schnell wie möglich Alternativen zur U5 zu prüfen – auch angesichts der Milliardenkosten. Allein besagter erster Streckenabschnitt wird auf 1,8 Milliarden geschätzt. Hamburg hofft, dass der Bund einen Großteil übernimmt.
Mit den möglichen Alternativen meinen die Klima-Experten offenbar den Bau einer Straßenbahn. Diese hatte Tjarks bereits oft abgewiesen. „Ich finde die Diskussion inzwischen langweilig“, sagt er sogar im vergangenen Jahr. „Es war ein großer politischer Fehler, das Straßenbahnnetz abzubauen. Jetzt wollen wir der Eisenbahn wieder zu einer neuen Blüte verhelfen, das geht aber nur mit großen Projekten U5 und S4.“ Großer Verfechter der Straßenbahn bleibt hingegen die Hamburger Linke. „Ein Kilometer U-Bahn ist zehnmal so teuer wie ein Kilometer Straßenbahn“, sagte deren Verkehrsexpertin Heike Sudmann.
Statement des Klimabeirats wurde im Ausschuss diskutiert
In der Anhörung des Verkehrsausschusses am Donnerstag wurde das Eckpunktepapier des Gremiums diskutiert – ohne zu einem Ergebnis zu kommen. „Der Senat verweigert sich den Fakten“, ärgert sich Sudmann. „Da droht ein Milliardengrab, das nebenbei auch noch dafür sorgt, dass die Klimaziele krachend verfehlt werden.“
Auf MOPO-Nachfrage betont Verkehrsbehörden-Sprecher Dennis Heinert, dass die U5 die Mobilität in Hamburg „dauerhaft effizienter, nachhaltiger und grüner“ machen wird. „Viele Menschen werden durch sie gerne vom Auto auf die Bahn umsteigen.“ Er gibt allerdings zu: „Es ist gleichzeitig richtig, dass sich viele positive Effekte für das Klima erst im Laufe des Betriebs durchschlagen werden.“ Für den Klimaschutz in den kommenden Jahren sei vor allem die Elektrifizierung des Verkehrs und weniger Fahrten mit Verbrenner-Pkw entscheidend.
Und was ist mit den Vorschlägen des Experten-Gremiums? In der Stellungnahme seien „viele wertvolle Hinweise enthalten, die die Hochbahn prüfen wird“, kündigt Heinert an. Was das genau für Hamburgs größtes Infrastruktur-Projekt bedeutet, bleibt im Dunkeln.