Einfach erklärt: Das müssen sie über Hamburgs derzeit größten Skandal wissen
Ein „teuflischer Plan“, fehlende Mails und über 200.000 Euro in einem Schließfach: Im Cum-Ex-Skandal um die Hamburger Warburg-Bank sind in den vergangenen Tagen neue Details ans Licht gekommen. Sie könnten weitere Erkenntnisse zur zentralen Frage in dem Fall beitragen: Hat es eine politische Einflussnahme führender SPD-Politiker auf die Entscheidung des Finanzamts gegeben, Steuermillionen aus Cum-Ex-Geschäften von der Bank nicht zurückzufordern? Die MOPO gibt eine Übersicht, was zuletzt geschah, was Bundeskanzler Olaf Scholz und Bürgermeister Peter Tschentscher damit zu tun haben sollen und wie es jetzt weitergeht.
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Ein „teuflischer Plan“, fehlende Mails und über 200.000 Euro in einem Schließfach: Im Cum-Ex-Skandal um die Hamburger Warburg-Bank sind in den vergangenen Tagen neue Details ans Licht gekommen. Sie könnten weitere Erkenntnisse zur zentralen Frage in dem Fall beitragen: Hat es eine politische Einflussnahme führender SPD-Politiker auf die Entscheidung des Finanzamts gegeben, Steuermillionen aus Cum-Ex-Geschäften von der Bank nicht zurückzufordern? Die MOPO gibt eine Übersicht, was zuletzt geschah, was Bundeskanzler Olaf Scholz und Bürgermeister Peter Tschentscher damit zu tun haben sollen und wie es jetzt weitergeht.
Was ist zuletzt passiert?
Im Rahmen der Cum-Ex-Ermittlungen soll die Kölner Staatsanwaltschaft in einem Haspa-Schließfach des ehemaligen SPD-Politikers Johannes Kahrs laut „NDR“ 214.800 Euro und 2400 US-Dollar in bar gefunden haben. Hintergrund der Durchsuchung bei Kahrs ist der Cum-Ex-Skandal um die Hamburger Warburg-Bank. Die Staatsanwaltschaft ermittelt, ob Kahrs darin verwickelt sein könnte. Woher das Geld stammt, ist unklar. Kahrs war bislang für eine Stellungnahme nicht erreichbar.
Aus der SPD wurde die Theorie gestreut, es könne sein, dass Kahrs Negativzinsen habe vermeiden wollen. Auf MOPO-Nachfrage bei der Haspa, ob die Bank ihren Kunden zu einem solchen Vorgehen rate, antwortete ein Sprecher knapp mit „Nein”.
Finanzexperte und Chefredakteur des Geld-Ratgebers „Finanztip”, Hermann-Josef Tenhagen, hält die Negativzins-Theorie ohnehin für „Quatsch”. „Es gibt keinen Grund, so viel Geld in einem Schließfach zu horten, zumal man es dann auch noch versichern müsste.“ Es sei zwar nicht verboten, solche Summen im Schließfach aufzubewahren, aber es habe keinen Nutzen, weil das Geld auch an Wert verliere.
Verdächtig ist das viele Bargeld im Schließfach deswegen, weil anders als bei hohen Einzahlungen auf ein Bankkonto, kein Nachweis erbracht werden muss, woher das Geld stammt.
Kurz vor der Schließfach-Enthüllung kam, ebenfalls aufgrund von Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft, heraus, dass die für die Bank zuständige Hamburger Finanzbeamtin Daniela P. im Jahr 2016 – kurz nachdem die Finanzverwaltung sich gegen eine Steuerrückforderung gegen die Warburg Bank entschieden hatte – einer Kollegin schreibt, dass ihr „teuflischer Plan“ aufgegangen sei.
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Die Akten sind Ende vergangener Woche auch dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) in Hamburg zugänglich gemacht worden, der aktuell eine politische Einflussnahme auf die Entscheidung des Finanzamts prüft. Laut Opposition legten die Akten außerdem nahe, dass in der Finanzbehörde den Fall betreffende Akten fehlen und E-Mails gelöscht wurden.
Wie ist der Stand der Ermittlungen in Köln?
Die Kölner Staatsanwaltschaft ermittelt gegen drei Beschuldigte wegen des „Anfangsverdachts der Begünstigung“. Medienberichten zufolge soll es sich dabei um Kahrs, den ehemaligen SPD-Senator Alfons Pawelczyk und Daniela P. handeln. Ende September letzten Jahres ließ die Staatsanwaltschaft deren Räumlichkeiten durchsuchen. Damals sind laut Staatsanwaltschaft keine Bargeldbeträge sichergestellt worden.
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Geld könne generell nur dann sichergestellt werden, wenn es den konkreten Verdacht gebe, dass es aus einer Straftat stamme – und wenn damit gerechnet werde, dass es später vom Gericht eingezogen werde. Die Ermittlungen laufen weiter. „Gegenwärtig werden noch beweisrelevante Unterlagen und Datenträger ausgewertet. Wann die Ermittlungen abgeschlossen sein werden, ist noch nicht abzusehen“, so Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer zur MOPO.
Was sollen Tschentscher und Scholz damit zu tun haben?
Als die Entscheidung fiel, die Steuermillionen nicht zurückzufordern, war Scholz Hamburgs Bürgermeister und Tschentscher Finanzsenator. Im Herbst 2016 versuchten die Mitinhaber der Bank, Max Warburg und Christian Olearius, aktiv eine Rückforderung des Geldes zu verhindern.
Unter anderem trafen sie sich mit Bürgermeister Scholz und übergaben ihm ein Verteidigungsschreiben. Dieses Schreiben landete kurz darauf auch bei Tschentscher auf dem Schreibtisch. „Bitte um Informationen zum Sachstand“, vermerkte er darauf. Am Ende sollen auch Passagen markiert gewesen sein, die auf die angebliche Existenzgefährdung der Bank hinweisen.
„Daran kann ich mich nicht erinnern“, sagte Tschentscher im Ausschuss. Von seinem Schreibtisch ging das Papier zur Finanzverwaltung. Zwei Tage später wurde im Finanzamt der Entschluss gefasst, die Steuern nicht zurückzufordern. Eine politische Einflussnahme auf die Entscheidungen des Finanzamts wiesen Scholz und Tschentscher zurück.
Mittlerweile wurde auch bekannt, dass die Staatsanwaltschaft laut „Abendblatt” E-Mails von Olaf Scholz durchsuchen ließ. Demnach liegen den Mitgliedern des Parlamentarischen Untersuchungsausschuss entsprechende Unterlagen vor, die zeigen, dass das Amts Köln am 30. März 2022 einen Durchsuchungsbeschluss für Scholz damalige Mailadresse „olaf.scholz@sk.hamburg.de ausstellte. Durchsucht wurden laut „Abendblatt” Kalendereinträge und Mails.
Werden die Finanzbeamtin Daniela P. und Johannes Kahrs angehört?
Die damals zuständige Beamtin im Finanzamt für Großunternehmen änderte mehrmals ihre Meinung, ob das Geld von der Bank zurückgefordert werden soll oder nicht. Letztendlich entschied sie sich dagegen. Aus den Tagebüchern von Bankmitinhaber Olearius geht laut „Zeit“ hervor, dass sie ihm empfohlen haben soll, sich politischen Beistand zu holen.
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Bei ihrer ersten Aussage im PUA im August 2021 verneinte sie die Frage nach einem politischen Einfluss auf den Fall. Eine weitere Aussage soll sie vor dem Hintergrund der strafrechtlichen Ermittlungen gegen sie abgelehnt haben. Auf derselben Begründung fußt auch Kahrs‘ Aussageverweigerung.
Wie geht es weiter im PUA?
Der PUA startet nach der Sommerpause in dieser Woche am Dienstag und Donnerstag mit Befragungen von Beamten aus der Hamburger Finanzbehörde, die teilweise zum zweiten Mal geladen sind. Am 19. August soll auch Olaf Scholz ein zweites Mal vor dem PUA aussagen.
CDU und Linke wollten aufgrund der neuen Erkenntnisse die beiden in dieser Woche geplanten Sitzungen des PUA und die in der kommenden Woche geplante Vernehmung Scholz‘ verschieben, um die Akten zunächst auswerten zu können. Die Regierungsfraktionen von SPD und Grünen lehnen dies jedoch ab. „Mir drängt sich da der Verdacht auf, dass es der SPD weniger um Aufklärung geht und mehr darum, Scholz ganz schnell aus der Schusslinie zu nehmen“, sagte Linken-Obmann Norbert Hackbusch.
Doch die Opposition hat noch ein weiteres Instrument zur Verfügung: Gemeinsam wollen CDU und Linke einen Bürgerschaftsantrag stellen, um den Untersuchungsauftrag des Ausschusses auf weitere Aktiengeschäfte und die HSH-Nordbank auszudehnen.
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Aufgrund des Minderheitenrechts, würde der Antrag wahrscheinlich durchgehen. Dann müsste Scholz womöglich noch ein drittes Mal angehört werden.
Die Hamburger Warburg-Bank war in Cum-Ex-Geschäfte verwickelt. Dabei lassen sich Banken, Investoren oder Aktienhändler Steuern zweimal erstatten, die nur einmal gezahlt wurden. Hamburg ließ 2016 mögliche Steuernachforderungen von 47 Millionen Euro verjähren, weil eine Steuerhinterziehung nicht nachweisbar gewesen sei. Eine weitere über 43 Millionen Euro wurde erst 2017 nach Intervention des Bundesfinanzministeriums eingefordert.
Ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss soll den Vorwurf der möglichen Einflussnahme führender SPD-Politiker auf die Entscheidungen des Finanzamts klären. Vor allem geht es dabei um Hamburgs ehemaligen Bürgermeister Olaf Scholz sowie um Peter Tschentscher, der damals Finanzsenator war.
Scholz (SPD) hatte sich in den Jahren 2016 und 2017 mehrfach mit dem Warburg-Miteigentümer Christian Olearius getroffen. Gegen Olearius liefen da bereits Ermittlungen wegen des Verdachts auf schwere Steuerhinterziehung. Die Treffen mit Scholz waren durch Tagebucheinträge von Olearius bekanntgeworden. Scholz und Tschentscher haben alle Vorwürfe in diesem Zusammenhang zurückgewiesen.
2020 hatte die Warburg Bank schließlich 155 Millionen Euro an Steuerforderungen für die Jahre 2007 bis 2011 beglichen. Dies sei aber „nicht als Schuldeingeständnis zu verstehen“. Vielmehr gehe das Geldhaus weiter rechtlich gegen die Steuerbescheide vor.