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  • Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) ist als Gesundheitssenatorin Hamburgs Corona-Krisenmanagerin.
  • Foto: dpa

Coronavirus in Hamburg: Wann öffnen die Spielplätze wieder, Frau Senatorin?

Sie ist Hamburgs Corona-Krisenmanagerin – dabei wäre sie eigentlich nicht mehr da. Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) wollte nach der Bürgerschaftswahl ihr Amt niederlegen, doch das Virus durchkreuzte diesen Plan. Die MOPO sprach mit ihr die Impfstoffentwicklung, Mundschutzpflicht und den unverhofften Dauerstress.

MOPO: Frau Prüfer-Storcks, fühlen Sie sich fit?

Cornelia Prüfer-Storcks: Mir geht es gesundheitlich gut. Aber natürlich hat man in diesen Zeiten viel zu tun und auch einige  Sorgen.

Welche Sorgen denn?

Ich bedauere sehr, dass die Menschen in Hamburg und weltweit von der Pandemie betroffen sind und auch unter deren Folgen zu leiden haben. Wir müssen dafür sorgen, dass die sozialen und wirtschaftlichen Folgen minimiert werden und dass das Gesundheitswesen weiterhin gut aufgestellt bleibt.

Sind Sie eigentlich froh, dass Sie noch im Amt sind? Nach der Bürgerschaftswahl im Februar hatten Sie ja angekündigt, dem neuen Senat nicht mehr angehören zu wollen. 

Wenn alles normal gelaufen wäre, dann wäre wahrscheinlich am Mittwoch ein neuer Senat gewählt worden. Mit der Pandemie hat jedoch niemand gerechnet, wer das behauptet, der flunkert. Und ja, ich werde nicht Teil des neuen Senats sein. Aber es ist vielleicht nicht ganz schädlich, dass jetzt noch jemand mit viel gesundheitspolitischer Erfahrung im Amt ist.

Bedauern Sie also nicht, dass Sie jetzt vollkommen unerwartet als Krisenmanagerin im Dauerstress sind, anstatt den Ruhestand zu genießen?

Ich bedauere nur, dass es überhaupt eine Pandemie gibt. Aber wenn sie da ist, dann nimmt man die Herausforderung auch an.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat Mittwoch in ihrer Regierungserklärung kritisiert, dass die Bundesländer zu schnell Lockerungen auf den Weg gebracht haben. Wie sehen Sie das?

Hamburg kann sie damit nicht gemeint haben. Wir halten uns schon sehr an das, was in Berlin verabredet wurde. Das kann ich generell für die SPD-regierten Bundesländer sagen.

Bei anderen Bundesländern bekommt man den Eindruck, dass die CDU-Kanzlerkandidatur jetzt eine wesentliche Rolle spielt.

Ich habe das Gefühl, dass manche Entscheidungen durchaus auch von politischen Erwägungen geprägt sind. Es geht da nicht nur um die Frage, wie man die Bevölkerung ausreichend schützt. Deswegen bin ich froh, dass wir mit Peter Tschentscher einen Bürgermeister haben, der Ruhe ausstrahlt und rationale Entscheidungen trifft. Mit Markus Söder würde ich nicht so gerne zusammenarbeiten.

Kommen wir zur Maskenpflicht, die ab Montag im ÖPNV in im Handel gilt. Erst hieß es, dass die Community-Masken nichts bringen würden, jetzt soll sie jeder tragen. Was soll man nun glauben?

Ich persönlich habe nie gesagt, dass sie nichts bringen. Aber sie sind kein umfassender Schutz für den Träger, sich nicht mit dem Virus zu infizieren. Sie sind ein Schutz für andere Menschen, damit man diese nicht anhustet, die Tröpfcheninfektion gering hält. Ich warne auch davor zu glauben, dass mit dem Tragen von Masken alles geregelt ist. Es ist und bleibt wichtig, dass man Abstand hält und die Hygienemaßnahmen beachtet, das ist der bestmögliche Schutz.

Viele haben das Gefühl, dass Hamburg mit seinen Maßnahmen immer einen Schritt hintendran ist. Warum ist das so? Warum prescht der Senat nicht einmal vor?

Vorpreschen ist keine kluge Strategie. Wir haben von Anfang an das Richtige zum richtigen Zeitpunkt gemacht. Die aktuelle Situation in Hamburg gibt uns Recht. Die Lage in den Krankenhäusern ist nicht angespannt, die Zahl der Infizierten geht zurück. Wir waren auch nicht langsamer als andere.

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Bei uns waren z.B. die Schulen im März schon geschlossen wegen der Ferien, das mussten wir nur verlängern. Am Ende ist es ein Abwägungsprozess, wie man wann reagiert. Das Infektionsschutzgesetz schreibt vor, dass man die Maßnahmen, die man ergreift auch gut begründen muss. Ich denke, wir haben das richtige Maß gefunden.

Dennoch gibt’s Kritik hinsichtlich der Lockerungen. Mehrere Experten, darunter UKE-Direktor Lohse, halten die Öffnung von Kitas und Schulen für überfällig, um Herdenimmunität zu schaffen. Müsste da nicht nachjustiert werden?

Wir haben in Hamburg eine kluge Lösung getroffen. Alle, die eine Betreuung ihrer Kinder dringend brauchen, können diese in die Kita und zur Schule bringen, z.B. alle Alleinerziehenden. Die Diskussion um weitere Lockerungen in diesem Bereich gehen weiter, Ende April werden die Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin auch darüber sprechen und einen besonderen Fokus auf diesen Bereich legen. 

Gilt das auch für die Öffnung von Spielplätzen?

Auch das gehört ganz oben auf die Agenda. Kinder benötigen Platz im öffentlichen Raum, um sich entfalten zu können. Die Öffnung der Spielplätze ist eine wichtige soziale Frage, die wir zeitnah beantworten müssen, gerade in einem Stadtstaat wie Hamburg sind solche Plätze wichtig, weil wir hier viel weniger Raum zur Verfügung haben als in weniger dicht besiedelten Bundesländern.

In Mainz gibt es nun erste Versuchsreihen für einen Impfstoff. Im Senat heißt es, auch in Hamburg gibt es hervorragende Bedingungen, um an der Impfstoffentwicklung mitzuwirken. Ist es denkbar, dass der Impfstoff am Ende aus unserer Stadt kommt?

Es gibt hier am UKE ja auch eine weit gediehene Studie zu zu einem Corona-Verwandten, dem MERS-Erreger. Es wäre gut, wenn das dazu beitragen könnte, dass die Entwicklungszeit für einen Impfstoff gegen das Coronavirus deutlich verkürzt wird. Ich warne aber davor, zu glauben, dass wir bald einen Impfstoff haben werden. Ich glaube das wird erst im nächsten Jahr der Fall sein – und dann auch eher gegen Ende des Jahres.. Ihn entdecken ist das eine, ihn im ausreichenden Maße produzieren das andere. Wir werden uns noch lange mit der Pandemie auseinandersetzen müssen.

Mal angenommen, wir haben einen Impfstoff. Wird sich das gesellschaftliche Leben durch die Corona-Krise nicht doch nachhaltig ändern?

Ich würde mich freuen, wenn einiges von dem, was wir gelernt haben, bleiben würde. Zum Beispiel dass die Menschen Abstand halten und sich oft die Hände waschen. Das hilft auch gegen andere Infektions-Krankheiten. Und vielleicht verankert die Corona-Krise ja auch nachhaltig, dass Impfen nicht schadet, sondern hilft. Wenn alle Bürger, die jetzt dringend auf einen Corona-Impfstoff warten, sich künftig auch gegen die saisonale Grippe oder Masern impfen ließen,  würde ich das sehr begrüßen.

Wir Journalisten würden es begrüßen, wenn es genauere Angaben zu Corona-Erkrankten und –Toten in Hamburg geben würde. Können Sie sagen, wie alt diese Menschen sind, welcher Berufsgruppe sie angehören oder aus welchen Stadtteilen sie kommen?

Die Verstorbenen werden nicht nach Berufen oder Stadtteilen erfasst. Das halte ich auch für sinnlos, das würde uns nichts bringen. Wir wissen aber, dass die Verstorbenen im Schnitt 80 Jahre alt sind, die Spannweite reicht von 50 bis 100 Jahren. Und bisher war niemand dabei, der keine Vorerkrankungen hatte. Im Gegenteil, viele hatten sogar mehrere Vorerkrankungen.

Und was ist mit den Lebenden, die sich infiziert haben? Warum gibt es dazu keine Angaben zu Stadtteilen? Dies könnte doch helfen, um in der Stadt ganz unterschiedlich Lockerungen auf den Weg zu bringen – immerhin gibt es mehr Infizierte in Eimsbüttel als zum Beispiel in Bergedorf.

Ich halte es für eine Schnapsidee, in einem Stadtstaat wie Hamburg in unterschiedlichen Stadtteilen separate Lockerungen der Maßnahmen durchführen zu wollen. Es ist eine vollkommen andere Situation, wenn ein Flächenland wie NRW im Kreis Heinsberg gesondert agiert, als wenn wir dies in bestimmten Stadtteilen tun würden. Es ist nicht geplant, nur für bestimmte Bezirke oder Stadtteile Hamburgs Lockerungen zu beschließen. Das ergibt keinen Sinn, weil Menschen in einer Stadt sehr mobil sind.

Gibt es in Ihrem Umfeld jemanden, der an Corona erkrankt ist? Und wenn ja, wie machen Sie dieser Person Hoffnung?

In meinem Umfeld gibt es glücklicherweise niemanden, der an Corona erkrankt ist. Es gab jedoch Kollegen, die sich in häusliche Quarantäne begeben mussten, weil sie Kontaktpersonen waren. Aber sie waren nicht erkrankt.. Erkrankten Menschen kann man sagen, dass die Krankheit in den allermeisten Fällen milde verläuft – sofern man nicht zu einer Risikogruppe gehört – und nach 14 Tagen in der Regel abgeklungen ist.

In Hamburg wurden bislang täglich 3500 Tests durchgeführt, Sie sagen unsere Labore haben Kapazitäten für bis zu 7000 Tests. Sollte sich die Zahl der Testungen verdoppeln, dann dürfte auch die Zahl der erfassten Infizierten steigen. Das Ziel, die Infektionskurve abzuflachen, dürfte dann doch hin sein.

Deswegen sage ich schon seit Langem, dass wir den Fokus stärker auf die Fallzahlen in den Krankenhäusern als auf die Zahl der Gesamtinfizierten legen sollten. Bei den Menschen, die ins Krankenhaus kommen oder gar auf die Intensivstation müssen, gibt es keine Dunkelziffer. Aber die Fallzahlen werden auch in Hamburg allein durch mehr Tests steigen, weil wir jetzt täglich 600 Personen in den Pflegeheimen testen werden und auch die Kassenärztliche Vereinigung mehr Untersuchungen in den zehn neuen Infektpraxen durchführen wird.

Wie ist denn aktuell eigentlich der Reproduktionswert in Hamburg. Und spielt der für Sie überhaupt noch eine Rolle?

Wir haben am Mittwoch vom Robert-Koch-Institut (RKI) einen regionalen R-Wert erhalten. Der beträgt in Hamburg 0,5 und ist damit der aktuell niedrigste Wert in allen Bundesländern. Bei niedrigen Fallzahlsteigerungen wie in Hamburg kann aber auch eine kleine Änderung den Wert nach oben treiben. Deshalb sage ich: Der Wert ist interessant, wichtiger ist mir aber die Entwicklung der Fälle in den Kliniken.

Die Kanzlerin hat zuletzt davor gewarnt, dass der R-Wert nicht auf 1,1 steigen darf, weil sonst die bundesweiten Leistungskapazitäten im Gesundheitswesen im Oktober an ihre Grenzen stoßen würden. Wann stößt Hamburg an seine Grenzen?

Aktuell sind über 300 Intensiv-Beatmungsbetten frei – die will ich aber gar nicht alle belegt haben. Ich möchte so wenig Menschen wie möglich in der Situation haben, dass sie intensivmedizinisch betreut werden müssen. Davon, dass unsere Kapazitäten überlastet sind, sind wir derzeit noch weit entfernt. Wir haben zum Beispiel auch mehr als 4000 Krankenhausbetten frei. Ich sorge mich aktuell eher um diejenigen, die nicht an Corona erkrankt sind, aber trotz ernster Beschwerden nicht den Arzt-Ruf nutzen oder in die Notaufnahme kommen. Die sollen sich bitte nicht zurückhalten.

Letzte Frage: Überall warnen Politiker davor, dass Lockerungen zurückgenommen werden müssen, wenn die Fallzahlen wieder steigen. Wann müsste Hamburg Lockerungen zurücknehmen?

Die Ministerpräsidenten sprechen mit der Kanzlerin regelmäßig über dieses Thema. Frau Merkel ändert jedoch immer wieder ihre Aussagen, worauf man schauen muss. Mal ist es die Verdopplungszeit, mal der R-Wert. Wir schauen in Hamburg dahin, wo es keine Dunkelziffern gibt. Sollte es einen signifikanten, nicht verkraftbaren Anstieg an Corona-Patienten in den Kliniken geben, würde man die Lockerungen sicher wieder auf den Prüfstand stellen müssen. Aber davon gehe ich im Moment nicht aus.

 

 

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