• Hilferuf einer verzweifelten Verkäuferin: „Wir werden angeschrien und beleidigt“. (Symbolbild)
  • Foto: Marius Roeer

Coronavirus: Hilferuf einer Verkäuferin: „Werden angeschrien und beleidigt“

Auch wenn alles schließt, haben sie noch auf: Supermärkte und Drogerie-Ketten. Gestresste Kunden, Hamsterkäufe – und ständig niest und hustet jemand. Kaum eine Berufsgruppe ist dem Coronavirus so ausgesetzt wie der Einzelhandel. Die Mitarbeiter in den Läden arbeiten derzeit an ihrer Belastungsgrenze. Eine Verkäuferin wendet sich mit einem dramatischen Appell an die MOPO.

Umsätze wie an Weihnachten, gestresste Verkäufer, die mit dem Auffüllen der Regale nicht hinterherkommen und Kunden, die mehr von der Panik als vom tatsächlichen Virus infiziert sind: In Hamburgs Supermärkten herrscht derzeit Ausnahmezustand.

Auf den MOPO-Kommentar, der zu mehr Zusammenhalt in Zeiten des Coronavirus aufruft, meldete sich die Verkäuferin einer großen Drogeriekette in der Redaktion – mit einem Lagebild, das zum Nachdenken anregen sollte.

Hilferuf einer Hamburger Verkäuferin: „Werden angeschrien und beleidigt“

Das Desinfektionsmittel, das die Verkäufer für den Kundenkontakt an ihren Kassen haben, müssen Anja Schreiner (Name geändert) und ihre Kollegen verstecken, sonst würde es geklaut, schildert sie. Der Alltag von Schreiner und ihren Kollegen: „Wir werden beschimpft, angeschrien und beleidigt, weil es kein Desinfektionsspray mehr gibt“, erzählt Schreiner.

Am Tag nach dem ersten gemeldeten Corona-Fall in Hamburg sei es losgegangen – und bis heute kämen Schreiner und ihr Team kaum zum Durchatmen. Stattdessen Akkordarbeit: „Kollegen kommen früher und gehen später, nur um wieder Ware in die Regale zu bekommen“. Gerade tagsüber sei das Wareverräumen teilweise eine Sisyphusarbeit. „Kaum hat man das Regal aufgefüllt und dreht sich um, ist es wieder leer.“

Wo bleiben hier die Sitten, wo der Anstand?

Ihr gehe es um das Einhalten ganz einfacher Verhaltensregeln, die auch sonst gelten: Höflich bleiben, Abstand halten, die Mitarbeiter nicht für Lieferengpässe verantwortlich machen. „Viele Niesen und Husten immer noch in ihre Hände und werden dann unverschämt, wenn es kein Toilettenpapier mehr gibt“, so Schreiner.

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Sie und ihr Team müssten sich Kommentare anhören, die unter die Gürtellinie gehen. „Saftladen“, „dumme Verkäuferin“  – mit der Anzahl der neuinfizierten Corona-Patienten, geht offenbar auch die Verrohung der Sitten einher.

Doch es gibt auch noch eine andere, solidarische Seite

Neben Grenzerfahrungen wie diesen, gebe es aber auch die andere, die solidarische Seite. Kunden, die Schreiner und ihr Team aufbauen, lächeln, Rücksicht nehmen. Und das Team, das zusammenhalte. Hat sie bei ständigem Kundenkontakt nicht Angst selbst angesteckt zu werden? „Um mich selbst mache ich mir nicht so Sorgen, aber wir haben Kollegen, die Vorerkrankungen haben, darum mache ich mir eher Gedanken.“

Schreiner bleibt Zwangsoptimistin. „Ich denke, es gibt kein Grund zur Panik. Deutschland stellt selbst viele Nahrungsmittel her und langsam kommen die Hersteller von Desinfektionsmitteln auch wieder mit der Produktion hinterher.“

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