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  • Angélique Mundt ist Psychotherapeutin in Hamburg. „In diesen Zeiten müssen wir Strukturen beibehalten und Aufgaben finden.“
  • Foto: Florian Quandt

Corona-Isolation: Alleine zu Hause: So fällt uns die Decke nicht auf den Kopf

Das Leben in Hamburg wird auf null gesetzt – die eigentlich pulsierende Stadt macht die Schotten dicht: Zuhause bleiben ist angesagt! Die eigenen vier Wände bieten Sicherheit, aber wie lange halten wir das aus? Die MOPO hat mit der Hamburger Psychotherapeutin Angélique Mundt gesprochen. Was passiert mit unserer Psyche und was können wir tun, wenn uns die Decke auf den Kopf fällt?

Über die Hälfte der Haushalte in Hamburg besteht nur aus einer Person. Sollte es wie in Italien zu Ausgangssperren kommen, dann sitzen mehr als 50 Prozent der Hamburger alleine in ihren Wohnungen. Aufstehen, Frühstücken, Home-Office am eigenen Schreibtisch, Mittagspause auf der Couch. „Ich denke, es ist wichtig seinen Tagesrhythmus beizubehalten“, sagte Mundt. Auch wenn es vielleicht nicht das gleiche ist, Yoga-Übungen könne man auch im Wohnzimmer machen.

Hamburger Expertin: Ablenkung und Strukturen sind wichtig

Ohne Ablenkung und geordnete Strukturen kann es zu Hause schnell langweilig werden – irgendwann gehen einem auch die Netflix-Serien auf den Geist. Am besten lassen wir es gar nicht so weit kommen, dass die Langeweile zu viel Raum einnimmt. Und selbst wenn alles aufgeräumt und geputzt ist, Literatur gibt es reichlich, vielleicht muss ein Fotoalbum endlich einmal fertig gestellt werden, oder die Steuern sind fällig. Vielleicht hilft auch Tagebuch schreiben, um die Gedanken zu ordnen.

 „Wir brauchen Beschäftigung, Hobbys, Aufgaben“, sagt Mundt. Vielleicht probieren wir sogar einmal etwas aus, was wir vorher noch nie gemacht haben, genug Zeit haben wir jetzt. Die Expertin empfiehlt: „Halten Sie Kontakt zu Ihrer Familie – per Telefon oder Online.“ Die aktuellen Ereignisse sollten natürlich im Auge behalten werden, aber alles in Maßen. Eine Flut an Informationen kann schnell in Panik enden.

In Corona-Zeiten: Statt physischem Kontakt nur emotionalen

Der physische Kontakt zu anderen Menschen muss in diesen Zeiten eingestellt werden, aber auf keinen Fall der soziale, emotionale Kontakt. „Wir brauchen den Austausch, die Ansprache, den Trost, die Aufmunterung, die Unterhaltung, Informationen“, sagt Mundt, und das gehe genauso gut am Telefon oder per Videotelefonie.

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„Die aktuelle Situation führt aber grundsätzlich nicht dazu, dass emotionale Kontakte eingestellt werden. Im Gegenteil“, sagt die Expertin. Die Menschen tauschen sich aus, diskutieren, führen ernsthafte Gespräche und geben sich Halt. Auch die sozialen Medien können in einem angemessenen Maß helfen. Einige Influencer, wie zum Beispiel Louisa Dellert, bieten Livetalks auf Instragram an, um sich abzulenken und über andere Dinge zu sprechen als Corona.

Hamburg: Ein Anruf mehr bei Oma und Opa schadet nicht

Für ältere Menschen ist es derzeit allerdings besonders schlimm: „Die bräuchten jetzt umso mehr unsere Unterstützung, denn die verlieren gerade die letzten wichtigen sozialen Kontakte“, sagt Mundt. Alleine in der Wohnung, ohne Internet, nur das Telefon ist der rettende Anker zur Außenwelt. Jetzt ist die Zeit, die Anrufe bei Oma und Opa vielleicht einmal vermehrt nachzuholen.

Für das ältere Ehepaar von nebenan könne eingekauft werden. „Es ergibt Sinn, diesen Menschen Telefonnummern zu geben von Nachbarn, wo sie anrufen dürfen, wenn ihnen die Decke auf den Kopf fällt“, rät Mundt.

Expertin: Die Therapien der Patienten können weiter gehen

Und was ist mit den Menschen, die sich mitten in einer Therapie befinden? „Ja, da gibt es im Moment die Möglichkeit der Telefonsprechstunde und der Videotherapie“, erklärt Mundt. Teilweise sei es jetzt sogar einfacher, einen Termin zu finden, da die Bindung an die Praxiszeiten weg fällt.

Diese Zeit ist eine große Herausforderung für jeden von uns, die psychische Belastung des Einzelnen sei dabei sehr unterschiedlich, sagt Mundt. „Jeder hat ein anderes Schicksal. Und jede Reaktion in dieser unnormalen Situation ist zunächst normal!“ Angst sei per se auch erst einmal nichts Schlechtes, eine gewisse Besorgnis halte uns wach und konzentriert.

Die Angst vor dem Coronavirus einfach einmal aussprechen

Panik ist nicht hilfreich. In so einem Fall empfiehlt die Expertin, sofort Kontakt zu Freunden oder der Familie aufzunehmen. Aber auch die Telefonseelsorge und andere Beratungsstellen sind gute Anlaufpunkte, um sich die Angst von der Seele zu reden.

Menschen geben die Kontrolle über ihr eigenes Leben nicht gerne ab, jetzt gerade stecken wir allerdings in einer Situation, in der wir nur bedingt etwas bewirken können. Durch Struktur, Ablenkung und das Miteinander können wir diese Zeit aber gut überstehen.

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