Schrille Töne, irre Reden: So lief die Corona-Demo in Hamburg
Schrille Töne, irre Reden: In der Hamburger Innenstadt demonstrierten am Samstagnachmittag nach Zählung der Polizei 13.700 Menschen gegen die Corona-Politik. Mit Trillerpfeifen und Sprechchören machten sie ihrer Wut Luft – und forderten den Rücktritt von Hamburgs Erstem Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD).
Rosa Herzchen-Brille, dazu ein Mundschutz mit dem Schriftzug „Diktatur“: Ein Demonstrant steht mit seiner Frau gegen 15 Uhr auf dem Glockengießerwall und wartet darauf, dass sich die Demo in Bewegung setzt. Seine Accessoires passen genauso wenig zusammen, wie die Demonstranten, die hier Schulter an Schulter protestieren: Althippies mit nackten Füßen in Birkenstock-Schlappen, aggressiv-brüllende Schwurbler und Hetzer, Mütter mit Kindern an der Hand, ältere Ehepaare mit Hund – die Demo zeigt einen Querschnitt der Gesellschaft. Selbst eine alte Frau mit Rollator wackelt vorbei. Die Polizei sprach später in einer Mitteilung von einem „deutlich überwiegenden Anteil aus dem bürgerlichen Spektrum“.
Hamburg: 13.700 Menschen demonstrieren gegen die Corona-Politik
- Deutsch (Deutschland)
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Schrille Töne, irre Reden: In der Hamburger Innenstadt demonstrierten am Samstagnachmittag nach Zählung der Polizei 13.700 Menschen gegen die Corona-Politik. Mit Trillerpfeifen und Sprechchören machten sie ihrer Wut Luft – und forderten den Rücktritt von Hamburgs Erstem Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD).
Rosa Herzchen-Brille, dazu ein Mundschutz mit dem Schriftzug „Diktatur“: Ein Demonstrant steht mit seiner Frau gegen 15 Uhr auf dem Glockengießerwall und wartet darauf, dass sich die Demo in Bewegung setzt. Seine Accessoires passen genauso wenig zusammen, wie die Demonstranten, die hier Schulter an Schulter protestieren: Althippies mit nackten Füßen in Birkenstock-Schlappen, aggressiv-brüllende Schwurbler und Hetzer, Mütter mit Kindern an der Hand, ältere Ehepaare mit Hund – die Demo zeigt einen Querschnitt der Gesellschaft. Selbst eine alte Frau mit Rollator wackelt vorbei. Die Polizei sprach später in einer Mitteilung von einem „deutlich überwiegenden Anteil aus dem bürgerlichen Spektrum“.
Hamburg: 13.700 Menschen demonstrieren gegen die Corona-Politik
Unter dem Motto „Das Maß ist voll. Hände weg von unseren Kindern“ sammelten sich die ersten Demonstranten gegen 14 Uhr an der Ernst-Merck-Brücke vor der Kunsthalle. Die Polizei war mit einem Großaufgebot und Reiterstaffel im Einsatz. Kurz nach 15 Uhr setzte sich der Protestzug in Bewegung. Die Demo ging vom Glockengießerwall über die Lombardsbrücke zur Esplanade und von dort über den Stephansplatz und Jungfernstieg zum Ausgangsort zurück. In der ersten Reihe mit einer „Ordner“-Binde am Arm: Kiez-Legende Kalle Haverland.
Der Veranstalter der Demo appellierte mit Blick auf die anwesenden Pressevertreter, friedlich zu demonstrieren, um ein „würdiges“ Bild abzugeben. Die Demonstranten blieben friedlich, aggressiv waren jedoch einige ihrer Plakate: „Lockdowns sind Kriegsverbrechen“, „NSDAP – SED – SPD“, „Gulag für alle“ hieß es auf ihren Schildern. „Gulag“ waren in der Sowjetunion Straf- und Arbeitslager für Gefangene.
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„Wir haben eine kriminelle Plandemie“, bellt Heiko Schöning von „Ärzte für Aufklärung“ gleich zu Beginn des Protests ins Mikro. Die Menge johlt und pfeift. Man richte sich gegen die „drakonischen Maßnahmen“ der Politik. Auch die Medien werden verbal attackiert. Von einigen Teilnehmer wurde die Pandemie auch generell geleugnet: „Schaltet den Fernseher aus, dann ist die Pandemie vorbei“, rief ein Mann durch ein Megafon.
Eine Teilnehmerin trug einen Davidstern mit der Aufschrift „ungeimpft“ an der Kleidung, wie die Polizei twitterte. Gegen die Frau seien Ermittlungen wegen Verdachts der Volksverhetzung eingeleitet worden. Außerdem seien diverse Personen ohne Maske angesprochen und kontrolliert worden, teilte die Polizei mit. „Mehr als zwanzig Überprüfte legten den Beamten Atteste vor, bei denen der Verdacht auf Unrichtigkeit bestand. In diesen Fällen wurden jeweils Strafverfahren eingeleitet.“
Corona-Demonstranten müssen zu Zirkusmusik laufen
Auf Höhe der Lombardsbrücke warten vereinzelte Gegendemonstranten auf den Protestzug. Zwei Paare halten Schilder hoch. „Ihr seid nicht Sophie Scholl“ heißt es auf dem einen, auf dem anderen steht: „Impfen = Solidarität. Wir sind mehr“. Im Gängeviertel wird der Protest gegen die Corona-Demonstranten lauter – die Maßnahmen- und Impfgegner bekommen ihren eigenen, spöttischen Soundtrack: laute Zirkusmusik. Gegendemonstranten versperren mit einem „Zero Covid“-Transparent die Straße. Letztendlich werden sie von Einsatzkräften an die Seite gedrängt. Wer weniger Bedenken hat, sich an die Seite von Rechsextremist*innen und Antisemit*innen zu stellen als vor einer Impfung, die bereits über 150 Mio-fach in Deutschland verabreicht wurde, gehört zur diskriminierenden und unsolidarischen Minderheit“, urteilte Grünen-Fraktionschefin Jennifer Jasberg über die Demonstrationsteilnehmer.
Zwischenzeitlich schätzt die Polizei die Teilnehmerzahl auf 16.000, die Veranstalter reden auf der Schlusskundgebung gar von 20.000 Menschen. Am Ende korrigiert die Pressestelle der Hamburger Polizei die Zahl nach unten: 13.700 Teilnehmer seien gezählt worden.
Die Demo endet, wo sie begonnen hat. Zwischen Kunsthalle und Hauptbahnhof sammeln sich die Demonstranten. „Tschentscher muss weg“, skandiert die Masse. Sie halten Feuerzeuge in die Luft, starten die Taschenlampen auf ihren Smartphones, singen „Freiheit“ von Marius Müller-Westernhagen. Ob dem dieses Bild gefällt? Zweifelhaft. Die Masken der Demonstranten sind mittlerweile öfter unterm Kinn, als auf Nase und Mund.